Kolumne

"Big Brother lässt grüßen"

13.07.2001
Martin Bayer, Redakteur CW

Datenschützer haben zurzeit wenig Grund zur Freude. Skandalös sind die Vorgänge rund um das Abhörsystem "Echolon", mit dessen Hilfe US-amerikanische Geheimdienste den weltweiten Mobilfunk abhören. Es gibt keine Beweise dafür, dass die erschlichenen Informationen in bestimmten Fällen an Wirtschaftsunternehmen weitergegeben werden, um den Vereinigten Staaten Vorteile im weltweiten Wettbewerb zu verschaffen. In Wirklichkeit zweifelt aber trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Bush-Regierung niemand daran.

Doch auch in Europa scheinen die verantwortlichen Politiker die Messlatte für Datenschutzanforderungen immer weiter nach unten zu legen. Die "Cybercrime Convention" der Europäischen Union, die nach drei Jahren nun im September den Ministerrat passieren soll, ist das beste Beispiel. Alexander Dix, der Datenschutzbeauftragte des Landes Brandenburg, befürchtet, dass damit datenschutzrechtliche Standards in Deutschland untergraben werden. So komme das Wort Datenschutz in der Konvention an keiner Stelle vor. Außerdem könnten Staaten mit zweifelhaftem datenschutzrechtlichem Ruf mittels Rechtshilfeersuchen in deutschen Netzen mitschnüffeln.

Allerdings muss sich auch die rot-grüne Bundesregierung den Vorwurf gefallen lassen, den Datenschutz mit der neuen Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) mit Füßen zu treten. Der ganz auf die Bedürfnisse der Strafverfolgungsbehörden zugeschnittene Maßnahmenkatalog ermöglicht die totale Überwachung des einzelnen Bürgers, erreicht aber nicht die wirklich professionell organisierten Kriminellen. Alle technischen Einwände, wie sich Letztere mit einfachen Mitteln wie zum Beispiel Kryptografie der Überwachung entziehen können, werden in klassischer Beamtenmanier abgeschmettert. Die Überwachung sei genau in den Paragraphen, Absätzen und Verordnungen des TKG und der TKÜV geregelt, basta. Was braucht der Rechtsstaat mehr?

Die von technischer Inkompetenz auf Seiten der TKÜV-Befürworter geprägte Debatte lässt Schlimmes für den Datenschutz befürchten. Datenschützern bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Orwellsche Big-Brother-Vision mehr und mehr zur Realität wird.