Big Blue zwischen Einsicht und AS400

16.10.1992

Das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter dem Titel "Wie die Zerlegung von Vieh" über die Umstrukturierung bei der IBM Deutschland GmbH: "Der Umsatz stagniert, die Gewinne sacken: IBM Deutschland, einst Vorzeigefirma des amerikanischen Computerriesen, geht auf neuen Kurs. Unter dem Druck der US-Zentrale wird das Unternehmen umgebaut. Die Chancen für die produzierenden Werke stehen schlecht. Die Arbeitnehmer stellen sich auf Entlassungen ein."

Zweierlei vorweg: Es ist natürlich nicht gleichgültig, ob eine IBM-Inszenierung im "Spiegel" verrissen wird oder in der COMPUTERWOCHE. Das Nachrichtenmagazin stellt eine andere Öffentlichkeit her - müßig zu erwähnen, daß der Niedergang der IBM erst sehr spät in den Medien diskutiert wird. Die Frage muß allerdings erlaubt sein, ob die Masse der "Spiegel"-Leser auch versteht, was bei Big Blue vorgeht. Das Stichwort "andere Öffentlichkeit", gemeint sind Non-Specialists, führt zu der zweiten Vorbemerkung: Lest CW, kann die Aufforderung nicht lauten - eine Erklärung, wie die IBM-Geschichte ausgehen könnte, muß die Publikumspresse indes schuldig bleiben.

Im Januar 1986 schrieb die CW: "Die Ziele der IBM sind nicht mehr automatisch auch die Ziele ihrer Kunden. " Seither ist viel Downsizing-Rightsizing-Outsourcing-Stroh gedroschen worden. Gleichzeitig wurde von der IBM ein Plan (SAA - für System-Anwendungs-Architektur) zur Beseitigung der DV-Altlasten bei den Anwendern aufgestellt und später verworfen - nicht offiziell zwar, aber ernsthaft behauptet niemand mehr, daß SAA zu einer Vereinheitlichung der inkompatiblen IBM-Welten führt. Nein, überrascht wird keiner von der Entwicklung bei Big Blue. Beklemmend ist nur zu sehen, wie sich der Mainframe-Riese selbst demontiert, weil die IBM-Kunden, die IBM-nahen Berater und Softwarehäuser dieses Geschäft nicht übernehmen- wollen. Hilfe zur Selbsthilfe kann der DV-Konzern nicht erwarten, solange erkennbar die Einsicht fehlt, daß sich der Markt nicht dressieren läßt.

Einsicht: Nicht Downsizing-Dogmen zwingen die Anwender zu Einsparungen - wer ums Überleben kämpft, muß auch DV-Ballast abwerfen. "Lean Management" und "Lean Production" stehen für den Druck, dem die Anwenderfirmen ausgesetzt sind, den auch die IBM zu spüren bekommt. Herr Akers beschwört die Zukunft einer "neuen" IBM, will aber nichts Grundlegendes ändern. Die Vertriebsidee des "One face to the customer" wurde beibehalten, nach wie vor diktiert nicht der Markt, sondern ein Proprietäts-Dünkel, was IBM anbietet: für gewöhnlich eine AS/400, die in keinen Open-Systems-Rahmen paßt. Damit ist der nächste Sanierungsfall programmiert mit allen negativen Folgen (siehe Mainframe-Altlasten) für die IBM. Es kann nur noch schlechter werden.