Big Blue beendet 1993 mit acht Milliarden Dollar Verlust IBM: Vor dem Turnaround sind noch etliche Probleme zu loesen

04.02.1994

NEW YORK (CW) - Das Jahresergebnis spiegelt die Schwierigkeiten wider, mit denen die IBM Corp. bei der Restrukturierung und Marktanpassung zu kaempfen hat. Trotz der 382 Millionen Dollar Gewinn im letzten Quartal musste der Hersteller fuer das Fiskaljahr 1993 einen Verlust von acht Milliarden Dollar ausweisen. Angesichts ruecklaeufiger Umsaetze in den meisten Geschaeftssegmenten daempften Wallstreet-Analysten die Erwartungen: Der Turnaround sei noch nicht geschafft.

Im vierten Quartal 1993 generierten die Armonker mit 19,4 Milliarden Dollar knapp ein Prozent weniger Umsatz als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Hoehere Einbussen wurden nur durch das fast 32 Prozent betragende Plus im Segment Service verhindert, in dem 3,1 Milliarden Dollar umgesetzt wurden.

Die Erloese aus dem Hardwaregeschaeft gingen dagegen um 5,4 Prozent auf 10,37 Milliarden Dollar zurueck. Zur Erosion trugen vor allem die schrumpfenden Mainframe-, High-end-Platten- und AS/400- Verkaeufe bei. Fuer den Schwund im AS/400-Business, den die Armonker genausowenig spezifizierten wie den der anderen Bereiche, machte der Konzern die schwache Nachfrage in Europa verantwortlich. Die Einnahmen aus dem nun breit aufgefaecherten PC-Geschaeft sind Unternehmensangaben zufolge dagegen stark angestiegen. Das RS/6000-Business, das im dritten Quartal 1993 einen Einbruch erlebt hatte, sei, so die IBM weiter, im vierten Quartal ebenfalls wieder auf Wachstumskurs.

Der Software-Umsatz schrumpfte um 3,8 Prozent auf 3,06 Milliarden Dollar, und die Erloese aus Wartung und Leasing sanken ebenfalls um 4,8 Prozent auf 1,8 Milliarden beziehungsweise um elf Prozent auf 984 Millionen Dollar. In den USA profitierten die Armonker von der verbesserten wirtschaftlichen Situation. Auf ihrem Heimmarkt generierten sie neun Prozent Umsatz mehr als im Berichtszeitraum des Vorjahres. In Europa und Asien gingen die Einnahmen dagegen um ein beziehungsweise vier Prozent zurueck.

Der nach fuenf Minusquartalen in Folge fuer den Berichtszeitraum ausgewiesene Profit von 382 Millionen Dollar steht einem Verlust von 5,46 Milliarden Dollar im Vergleichsquartal 1992 gegenueber. Der relativ niedrige Quartalsgewinn aendert wenig an den drueckenden Gesamtverlusten der Armonker. Im Gesamtjahr 1993 erreichten sie trotz der um 6,4 Prozent gesunkenen allgemeinen Ausgaben, der Kuerzung des F&E-Budgets um 14,8 Prozent und der um 23,2 Prozent auf 8,9 Milliarden Dollar geschrumpften Restrukturierungsaufwendungen mit 8,1 (Vorjahr: 4,96) Milliarden Dollar eine neue Hoechstmarke.

Dabei zeigten die einzelnen Geschaeftssegmente ueber die zwoelf Monate des vergangenen Jahres hinweg eine aehnliche Tendenz wie im vierten Quartal. Eine Ausnahme ist der Hardware-Umsatz, der um 9,4 Prozent auf 30,59 Milliarden Dollar zurueckging und damit im Gesamtjahr prozentual staerker sank als in den letzten drei Monaten. Nur das Servicegeschaeft nahm insgesamt genauso stark zu wie in den letzten drei Monaten. Insgesamt wies IBM mit 62,7 Milliarden Dollar einen um 2,8 Prozent geringeren Umsatz aus als 1992. Dabei schrumpfte das Geschaeft ausserhalb der USA um 7,2 Prozent auf 37 Milliarden Dollar.

Die Zahl der Mitarbeiter wurde im abgelaufenen Geschaeftsjahr um weltweit 45 000 auf einen Personalstamm von 256 000 reduziert. 1994, so die Planungen, sollen noch einmal rund 30 000 Beschaeftigte Big Blue verlassen.

IBM-Chairman und CEO Louis Gerstner wertete das Quartalsergebnis als Erfolg. Im vergangenen Jahr habe die IBM begonnen, einen zweistufigen Plan umzusetzen. Einerseits wird die Rueckkehr in die schwarzen Zahlen angestrebt, andererseits sollen mittelfristig fuer jeden Geschaeftsbereich konkurrenzfaehige Geschaefts- und Technologiestrategien entwickelt werden. "An beiden Fronten machen wir Fortschritte", sagte Gerstner.

Wallstreet-Analysten und Industriebeobachter, die fuer das vierte Quartal nicht mit 62, sondern mit 75 Cent Gewinn pro Aktie gerechnet hatten, waren allerdings ueber IBMs Leistungen enttaeuscht. "Insgesamt ist es ein gutes Quartal", erklaerte Annex- Research-President Robert Djurdjevic, gegenueber dem "Wall Street Journal". Allerdings sei Euphorie zur Zeit nicht angebracht.

Ins gleiche Horn stiess der neue IBM-Finanzchef Jerome York. Zwar stellte er ein zumindest ausgeglichenes erstes Quartal 1994 und nach Jahren des Rueckgangs stabile Profitmargen und Umsaetze in Aussicht, allerdings raeumte er auch ein, dass noch vieles in Angriff genommen werden muesse. "Das Kriegsschiff beginnt zu wenden und den richtigen Kurs aufzunehmen, aber wir sind sicher, dass wir noch wahnsinnig viel tun muessen."

Gegenueber dem US-Blatt erklaerte York, dass seine Budgetplanungen fuer 1994 von einem insgesamt stagnierenden Umsatz ausgehen. Der PC- und Workstation-Verkauf duerfte seiner Meinung nach bereits am Ende des ersten Halbjahrs den Rueckgang im Mainframe-Umsatz wettgemacht haben.

Auf dem Weg der Genesung sieht sich die IBM Deutschland GmbH. Angesichts des um 8,7 Prozent auf 12,6 (13,8) Milliarden Mark gesunkenen Gesamtumsatzes scheint das eine gewagte Selbstdiagnose. Der Inlandsumsatz reduzierte sich um 5,3 Prozent auf neun Milliarden, und die Exporteinnahmen - Umsaetze mit auslaendischen Schwestergesellschaften - gingen um 16,3 Prozent auf 3,6 Milliarden Mark zurueck.

Verbessern konnten die Stuttgarter eigenen Angaben zufolge allerdings das Ergebnis. Trotz des Umsatzrueckgangs und hoher ausserordentlicher Aufwendungen fuer Vorruhestandsprogramme im abgelaufenen Geschaeftsjahr duerfte der Verlust geringer ausfallen als 1992; damals belief sich das Minus auf 443 Millionen Mark.