Schmiergeldskandal

BGH vor Grundsatzurteil zu "schwarzen Kassen" bei Siemens

26.08.2008
Der Bundesgerichtshof (BGH) verkündet am kommenden Freitag (29.8.) sein erstes Urteil zu Siemens-Schmiergeldzahlungen - und es könnte daraus eine zentrale Entscheidung zum Thema "schwarze Kassen" werden.

Nach einer kontroversen Verhandlung am vergangenen Mittwoch in Karlsruhe ist es durchaus denkbar, dass der BGH die strafrechtlichen Daumenschrauben bei der Untreue etwas anzieht. Wie die Entscheidung auch ausfallen mag: Der BGH dürfte eine höchstrichterliche Grundlage für die juristische Aufarbeitung des gesamten Korruptionsskandals um den Münchner Elektrokonzern schaffen.

Denn an schwarzen Kassen mangelt es im Fall Siemens nicht: Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen mehr als 300 Beschuldigte, es geht um 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen. Im ersten Münchner Prozess hat das dortige Landgericht einen früheren Manager der Festnetzsparte bereits zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt - wegen Untreue, weil er fast 50 Millionen Euro in schwarze Kassen geschleust hat.

Diese Marschrichtung könnte der BGH nun bestätigen. Der in Karlsruhe verhandelte Fall stammt zwar nicht aus dem Ende 2006 aufgeflogenen Komplex, doch die Grundzüge sind vergleichbar. Andreas K., Finanzvorstand der Kraftwerkssparte, soll schwarze Kassen angelegt und daraus im Jahr 2000 sechs Millionen Euro für zwei Manager des italienischen Elektrokonzerns Enel abgezweigt haben - für deren kooperative Haltung bei zwei dicken Gas-Turbinen-Aufträgen mit einem Volumen von 338 Millionen Euro. Das Landgericht Darmstadt verurteilte ihn wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr und Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Auch ein Helfer erhielt eine Bewährungsstrafe.

Zukunftsweisend wird dabei sein, was der zweite BGH-Strafsenat zum Thema Untreue sagt. Dort plagt die Juristen nämlich das Problem, dass Schmiergelder - wenn man sie rein ökonomisch betrachtet - ja durchaus nützlich sein können. Weil der Untreue-Paragraph 266 Strafgesetzbuch aber voraussetzt, dass dem Opfer der Untreue - hier also der Siemens AG - am Ende ein Schaden entsteht, argumentierten die Verteidiger vor dem BGH: Die sechs Millionen Euro Bestechungsgeld an die Enel-Manager spülten Siemens nicht nur einen Gewinn von gut 100 Millionen Euro in die Kasse, sondern öffneten dem Konzern zudem den Zutritt zum italienischen Markt. Das Geld sei also bestens angelegt gewesen, selbst angesichts der juristischen Risiken: "Ich sehe in diesem Zusammenhang keinen objektiven Schaden", sagte Rechtsanwalt Gunter Widmaier.

Der Widerspruch von der Richterbank kam prompt. Könnte man nicht bereits das bloße Führen der schwarzen Kasse als Untreue einstufen, fragte die Senatsvorsitzende Ruth Rissing-van Saan mit der bei Verhandlungen üblichen Zurückhaltung. Ihre Senatskollegen assistierten: Könnte nicht schon das Beiseiteschaffen und Verwalten von Siemens-Geldern, auf die das Unternehmen selbst keinen Zugriff mehr hat, eine "Vermögensgefährdung" sein - womit man bei der Untreue wäre?

Genau dies hatte derselbe BGH-Strafsenat im Prozess gegen den Ex-Bundesinnenminister Manfred Kanther und dessen schwarze Kassen entschieden. Obwohl der Politiker die Gelder zum Besten der CDU verwenden wollte - oder dafür, was er für das Beste hielt -, stufte der BGH das Führen der schwarzen Kassen als Untreue ein: Die Verfügung über das Geld war den offiziellen Gremien entzogen, deshalb sei die "nur noch im Belieben der Täter stehende Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlusts" eingetreten.

Diese Rechtsprechung könnte der BGH nun auf die Unternehmensebene übertragen. Auf Widmaiers Einwand, der Angeklagte Andreas K. habe das Geld doch ausschließlich zur Mehrung des Profits eingesetzt, wies Rissing-van Saan auf die eigenen Verhaltensregeln ("Compliance") des Konzerns hin. Der Siemens-Zentralvorstand habe doch selbst beschlossen, dass der Einsatz von Schmiergeldern zur Auftrags-Akquise ausgeschlossen sein solle. (dpa/tc)