Oracle vs Usedsoft

BGH umgeht Entscheidung zu Gebrauchtsoftware

22.07.2013
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben das Urteil gegen Usedsoft aufgehoben und den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen. Im Streit zwischen Oracle und dem Händler gebrauchter Software ist nun wieder das Oberlandesgericht (OLG) München am Zug.
Foto: liveostockimages, Fotolia.com

Der Streit, ob aus dem Internet heruntergeladene Software weiterverkauft werden darf, geht weiter. Alle, die gehofft hatten, der Bundesgerichtshof (BGH) werde in seiner Verhandlung am 17. Juli endlich Klarheit schaffen, wurden enttäuscht. Die obersten deutschen Richter verwiesen den Fall zurück ans Oberlandesgericht (OLG) München (Az. I ZR 129/08).

Dort standen sich die beiden Gegner, der Softwarekonzern Oracle und der Secondhand-Händler Usedsoft, schon einmal gegenüber. Seit Anfang 2006 streiten die Kontrahenten um die Rechtmäßigkeit des Handels mit Gebrauchtsoftware. Konkret geht es um gebrauchte Oracle-Softwarelizenzen, die Usedsoft weiterveräußern wollte. Da jedoch kein physischer Datenträger vorlag, sollten die Käufer die entsprechende Software aus dem Internet herunterladen. Der Softwarehersteller sah darin eine Rechtsverletzung. Usedsoft argumentierte dagegen, dass es keine Rolle spielen könne, auf welche Weise eine Software in Umlauf gebracht werde - ob auf CD/DVD oder per Download.

Der Fall zog sich durch die Instanzen und landete schließlich vor dem BGH. Dort sahen sich die Richter allerdings nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, und reichten einige grundsätzliche Fragen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter. Der entschied im Juli 2012, dass sich ein Softwarehersteller dem Weiterverkauf von Online-Software nicht grundsätzlich widersetzen könne, und verwies den Fall zurück an den BGH.

OLG München soll prüfen

Auch wenn die Weisungen des EuGH bindend für deutsche Gerichte sind, wollte der BGH noch keine Entscheidung treffen. Das OLG München müsse jetzt klären, ob Usedsoft die Vorgaben des EuGH ordnungsgemäß erfülle, sagte Richter Joachim Bornkamm zur Begründung. Damit ist das Urteil gegen Usedsoft nun erst einmal aufgehoben. Die Münchner Richter, die vor einigen Jahren pro Oracle entschieden hatten und auch eine Revision vor dem BGH erst gar nicht zulassen wollten, müssen den Fall nun neu aufrollen - allerdings stets unter dem Blickwinkel der EuGH-Entscheidung.

So recht scheinen sich die obersten deutschen Richter mit der Entscheidung ihrer europäischen Kollegen allerdings nicht anfreunden zu können. Die Usedsoft-Kunden griffen durch das Herunterladen der Computerprogramme in das ausschließlich dem Rechteinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der Software ein, beharrte der BGH in seiner offiziellen Mitteilung zur jüngsten Verhandlung. Da Usedsoft seine Kunden dazu veranlasse, könne der Händler auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Allerdings, so räumt der BGH ein, könnten sich die Usedsoft Kunden auf eine Regelung berufen, wonach die Vervielfältigung eines Computerprogramms keine Zustimmung des Rechteinhabers - in diesem Fall Oracle - erfordert, wenn diese Vervielfältigung zur bestimmungsgemäßen Benutzung der Software notwendig sei. In der Wortwahl an dieser Stelle schwingen jedoch ganz offensichtlich deutliche Zweifel der BGH-Richter mit: In der entsprechenden Passage heißt es "möglicherweise" und "solange nichts anderes vereinbart ist".

Nun sollen also die Richter am OLG München eine Entscheidung treffen. Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts sei schließlich nach der Entscheidung des EuGH von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig, begründeten die BGH-Richter ihr Ausweichen. Dazu zähle beispielsweise, dass der Urheberrechtsinhaber dem Erstkäufer das Recht eingeräumt habe, seine Kopie ohne zeitliche Einschränkung zu nutzen. Zudem könne sich der Käufer eines gebrauchten Programms nur dann auf eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts berufen, wenn der Verkäufer seine eigene Kopie unbrauchbar gemacht habe. Das OLG München habe zu prüfen, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt seien, lautet die Hausaufgabe an die untergeordnete Instanz.

Insider zeigten sich wenig überrascht von der Tatsache, dass sich der BGH um ein Urteil gedrückt habe. Der vorsitzende Richter Bornkamm sei bekannt für seine konservative Auslegung des Urheberrechts. Es wäre eine Überraschung gewesen, wenn dieser eine Liberalisierung des Softwaremarktes im Sinne der EuGH-Interpretation durchgewunken hätte, verlautete aus dem Umfeld des Verfahrens.

Gebrauchtsoftwarehändler sehen sich bestätigt

kommentierte Heiko Jonny Maniero, Projektgruppenleiter beim Gebrauchtsoftwareverband EUREAS European IT-Recommerce Association e.V.
kommentierte Heiko Jonny Maniero, Projektgruppenleiter beim Gebrauchtsoftwareverband EUREAS European IT-Recommerce Association e.V.
Foto: EUREAS European IT-Recommerce Association e.V.

"Wir bedauern sehr, dass der BGH kein Urteil gesprochen hat", kommentierte Heiko Jonny Maniero, Projektgruppenleiter beim Gebrauchtsoftwareverband EUREAS European IT-Recommerce Association e.V. die jüngste Verhandlung in Karlsruhe. "Wir hätten uns gewünscht, dass der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes konsequent in der deutschen Rechtsprechung umgesetzt hätte. Diese Aufgabe fällt nun dem OLG München zu."

Obwohl sich der BGH zu keinem abschließenden Spruch durchringen konnte, sehen sich die Gebrauchthändler in ihrem Geschäftsmodell bestätigt. "Mit dem UsedSoft-Urteil vom 17. März 2013 hat das BGH wesentliche Grundentscheidungen des EuGH-Urteils vom 3. Juli 2012 bestätigt, beziehungsweise an das Oberlandesgericht München zur finalen Entscheidung durchgewunken", stellt der Münchner Händler U-S-C fest. "Damit ist der Handel mit gebrauchter Software und gebrauchter Download Software ganz klar erlaubt."

Auch bei Susensoftware zeigte man sich erleichtert. Der vorsitzende Richter Bornkamm des BGH in Karlsruhe habe zwar bei der Verhandlung klar zum Ausdruck gebracht, dass das EuGH-Urteil nicht seinen Erwartungen entsprach: "Das EuGH hat sich über die dogmatischen Grenzen des Urhebergesetztes hinweg gesetzt", berichtete der Händler in einer Mitteilung. Entsprechend schien der klagende Software-Hersteller Oracle den Antrag gestellt zu haben, dass EuGH Urteil nicht zu akzeptieren und eine erneute Vorlage zu fordern. Der Senat habe jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorgaben des EuGH befolgt würden.

Axel Susen, Geschäftsführer von Susensoftware.
Axel Susen, Geschäftsführer von Susensoftware.
Foto: Susensoftware

"Auch wenn es dem Senat sichtbar schwer gefallen ist, so bin ich doch froh, dass die Richter die Vorlagen des EuGH akzeptieren und übernehmen", erzählte Axel Susen, Geschäftsführer von Susensoftware, von seinen Eindrücken. "Nachdem der Senat fast ein Jahr für die "Übersetzung" des EuGH Urteils in das Verfahren benötigte, hatte ich befürchtet, dass dem Softwarehersteller ein Hintertürchen angeboten würde, um den Verkauf von gebrauchter Software zu verhindern."

Usedsoft jubelt - Oracle schweigt

Usedsoft-Gründer und -Geschäftsführer Peter Schneider.
Usedsoft-Gründer und -Geschäftsführer Peter Schneider.
Foto: Usedsoft

Usedsoft wertet die Verhandlung vor dem BGH als Sieg. Der Revision sei in letzter Instanz stattgegeben, das Urteil gegen Usedsoft aufgehoben worden, heißt es in einer Mitteilung des Händlers. "Der BGH hat sich damit dem EuGH-Urteil, nach dem der Software-Gebrauchthandel grundsätzlich legal ist, in vollem Umfang angeschlossen." Aus Sicht der Usedsoft-Verantwortlichen besteht damit nun Rechtsicherheit für Kunden von Gebraucht-Software. "Die Liberalisierung des Software-Handels ist von enormer Bedeutung für die gesamte europäische Wirtschaft", sagte Usedsoft-Gründer und -Geschäftsführer Peter Schneider. Das sei ein Erfolg für alle Unternehmen in der EU, die nun rechtssicher von geringeren Software-Preisen profitieren könnten.

Dass der BGH nicht selbst entschieden und den Fall an die Vorinstanz zurückgewiesen hat, ist für Usedsoft offenbar nicht von Belang. Das OLG München müsse nun das Verfahren nach den Vorgaben des EuGH-Urteils neu verhandeln und entscheiden. Dies könne der BGH nicht selbst tun, "da er keine Tatsachenentscheidungen fällen kann", verlautete von Seiten Usedsofts. Aus Sicht des Second-Hand-Händlers hat die Entscheidung des EuGH vom vergangenen Jahr bereits Wirkung in der deutschen Rechtsprechung gezeigt. So habe das zuvor eher Gebrauchtsoftware-skeptische OLG Frankfurt auf der Grundlage des EuGH-Urteils seine Rechtsprechung radikal geändert und auch das Aufsplitten von Volumenlizenzen für rechtens erklärt.

Bedenken, die Münchner Richter könnten anders entscheiden, gibt es bei Usedsoft offenbar nicht. "Alle vom EuGH formulierten Bedingungen werden von Usedsoft von Anfang an erfüllt", stellt der Händler fest. Gleiches gelte für die vom BGH formulierten Bedingungen, die das OLG zu prüfen habe: Die Software müsse beim Inverkehrbringen verkauft, also nicht verleast oder vermietet worden sein. Zudem müsse sichergestellt werden, dass der Vorbesitzer einer Software diese vor Verkauf gelöscht habe.

Versuche von Seiten des Softwareherstellers Oracles, den Fall noch zu seinen Gunsten umzubiegen, seien gescheitert, berichtet Usedsoft. Nach Darstellung des Gebrauchtsoftwarehändlers hätten die Oracle-Anwälte versucht, das EuGH-Urteil für fehlerhaft zu erklären, was der Senat aber entschieden zurückgewiesen habe. Zudem hätten die Oracle-Vertreter versucht, den Eindruck zu erwecken, sie bekämen keinen angemessenen wirtschaftlichen Gegenwert für ihre Software. Der bisher verlangte Preis sei zu niedrig, um einen Gebrauchthandel zu rechtfertigen. Der BGH habe jedoch deutlich gemacht, dass ein Hersteller nicht über den Preis bestimmen könne, ob seine Produkte weiterverkauft werden dürfen oder nicht.

Oracle selbst wollte die jüngsten Entwicklungen nicht kommentieren. Offizielles Statement des Softwarekonzerns: "Da es sich weiterhin um ein laufendes Verfahren handelt, nimmt Oracle dazu keine Stellung." (mhr)