Fragen der Investitionshilfe noch unklar, aber in Fluß:

BFH bei Software-Einstufung felxibler

03.02.1984

Von Ekkehard zur Megede *

Bei der Entscheidung über den Neu- oder Weitereinsatz von Standardsoftware sind außer fachlichen Erwägungen die Finanzierungsfragen von wesentlicher Bedeutung: In diesem Zusammenhang können staatliche Unterstützungen gegeben als Investitionshilfen und/oder Subventionen eine wichtige Rolle spielen.

Solche Unterstützungen werden gewährt nach dem Investitionszulagengesetz oder auf dem Gebiet zur Förderung der Berliner Wirtschaft (Berlinförderungsgesetz) für sogenannte materielle Wirtschaftsgüter, nicht aber immaterielle. Zu den letzteren wurden in der Vergangenheit Standardprogramme gezählt (vergleiche die Entscheidung des FG Düsseldorf, COMPUTERWOCHE Nr. 49/83)

Die Dinge sind jedoch durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 03. 12. 1982, Aktenzeichen III R 132/81 in gewisser Weise etwas in Bewegung geraten. Das Gericht hat nämlich in dieser Grundsatzentscheidung folgenden Satz aufgestellt:

"Die Frage, ob sogenannte problemorientierte Standardprogramme materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter sind, beurteilt sich in erster Lage nach den zwischen dem Ersteller und dem Anwender der Programme getroffenen Vereinbarungen."

Der BFH meinte ursprünglich einmal, bezogen auf das Jahr 1971 könne er nicht abschließend entscheiden, inwieweit die sich in Standardprogrammen widerspiegelnden geistigen Leistungen, die auf dem Träger gespeichert sind, vergleichen lassen mit der Produktion und dem Verkauf von Büchern oder Schallplatten. Er sah Software prinzipiell als immaterielles Wirtschaftsgut an.

Diese Auffassung hält er nun nicht mehr so aufrecht, sondern meint, daß EDV-Programme nur dann sachgerecht eingeordnet werden können, wenn zunächst die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Ersteller und dem Anwender der Software berücksichtigt werden. Es würden unterschiedliche Verträge bei der Überlassung von Standardsoftware in der Praxis angewandt, die als Kauf-, Miet- oder auch Lizenzverträge bezeichnet werden. Die Tatsache, daß üblicherweise lediglich ein nicht ausschließliches und nicht übertragbares Nutzungsrecht an dem Programm dem Anwender übertragen wird, die Verpflichtung nach Vertragsende die überlassenen Unterlagen und Kopien zu vernichten, könnten nach Ansicht des Gerichtes dafür sprechen, daß hier ein immaterielles Wirtschaftsgut vorliegt.

Erst nach der Vertragsauslegung habe ein Gericht die allgemeine Entwicklung auf dem Softwaremarkt zu berücksichtigen. Dann aber muß auch geprüft werden, ob bei auf Datenträgern vertriebenen Standardprogrammen der Datenträger nur eine nebensächliche Bedeutung hat oder die ursprünglich geistige Leistung im wirtschaftlichen Verkehr materialisiert. Hier muß auf die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise abgestellt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung hat das Bundesfinanzministerium in einem Schreiben erklärt, daß zunächst nach wie vor problemorientierte Standardprogramme bei der Besteuerung als immaterielle Wirtschaftsgüter zu behandeln sind.

Der BFH soll hier eine eindeutige neue Entscheidung treffen.

Aufgrund dieser Stellungnahme und der bisherigen Rechtsprechung wird man zunächst davon ausgehen müssen, daß Standardprogramme angesehen werden als immaterielle Wirtschaftsgüter. Gleichwohl ist aber der Ansatz des Bundesfinanzhofes, nämlich in erster Linie abzustellen auf die Vertragsgestaltung, zu kritisieren, weil dies dem in der Branche Üblichen nicht gerecht wird. Bislang ist der Schutz von Software durch die Gesetze und die Rechtsprechung nur in Ansatzpunkten geregelt; zwar haben das Oberlandesgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 09. 02. 1983 und das Oberlandesgericht Frankfurt in mehreren Entscheidungen mittlerweile ausdrücklich erklärt, das Software unter bestimmten Voraussetzungen Urheberrechtsschutz genießen kann, die Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte sind zu erwarten.

Man kann dennoch nicht sagen, bereits jetzt bestehe in diesem Bereich eine solche Rechtsklarheit, als daß bei dem Vertrieb von Software ohne besondere Verträge der veräußernden Firma ein so weit gehendes Recht zusteht, daß sie den unbefugten Gebrauch durch Dritte ohne weiteres unterbinden kann. Die in der Branche üblichen Verträge bei der Veräußerung von Software gehen daher vollkommen zu Recht davon aus, daß in aller Regel nur ein nicht ausschließliches und nicht übertragbares Nutzungsrecht an den Programmen übertragen wird, um jedenfalls so die Weitergabe der Programme rechtlich sanktionieren zu können. Diese Besonderheiten der Branche können nicht, wie es der Bundesfinanzhof tut, gleichgesetzt werden den Erfahrungen aus dem Buch- oder Schallplattenmarkt.

Ganz abgesehen davon, daß dort klare rechtliche Verhältnisse bestehen, die unter anderem im Urheberrechtsgesetz und auch im Verlagsgesetz ihren Niederschlag gefunden haben und bestimmte übergreifende Schutzorganisationen bestehen, die über die Einhaltung der Bestimmungen wachen, kann die Entwicklung eines Softwareproduktes nicht mit dem Schreiben eines Buches oder der Herstellung einer Schallplatte verglichen werden. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Kosten der eigentlichen Entwicklung, sondern ergibt sich auch aus der Art des Einsatzes von Standardprogrammen in der heutigen Wirtschaft.

Die Verwendung von Standardsoftware erfolgt in vielen Fällen, um eigentlich andere ohne weiteres als materiell anerkannte Wirtschaftsgüter zu ersetzen; das gilt für den Bereich der Buchhaltung, der Textverarbeitung aber auch Tätigkeiten, die im Rahmen einzelner Branchen notwendig sind. Es mutet doch merkwürdig an, wenn zwar der Erwerb einer Schreibmaschine, auch einer elektronischen Speicherschreibmaschine, eines Buchungsautomaten oder auch einer Rechenmaschine, um bestimmte Kalkulationsarbeiten von Hand durchzuführen, möglicherweise als materielles Wirtschaftsgut unterstützungsfähig sein soll, währenddessen Standardsoftwareprodukte, mit denen die gleichen Arbeiten sehr viel komfortabler erledigt werden können und die die vorgeschriebenen Güter ersetzt, weil nämlich eine bereits vorhandene Anlage verwendet werden kann, anders bewertet werden.

Der BFH macht es sich auch sehr einfach, wenn er meint, allein von der Formulierung der Verträge ausgehend, feststellen zu können, ob bei dem Vertrieb von Standardsoftware ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut auf den Markt kommt. Aufgrund der nach wie vor nicht eindeutigen Rechtslage wird kein rechtlicher Berater seinem investitionsfreudigen Mandanten eine klare vertragliche Formulierung nennen können, die den allgemein geäußerten Bedingungen des BFH entspricht, damit Subventionen gezahlt werden. Die Ansicht das Finanzgerichts Berlin als Vorinstanz, auf die tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Markt bei der Überprüfung abzustellen, erscheint im Ansatz richtig.

Die Lieferung eines Standardprogrammes ist im übrigen auch untrennbar mit der Lieferung des Datenträgers verbunden. Insofern stimmt der mit der Produktion von Büchern und Schallplatten gezogene Vergleich. Weil aber zumindest jetzt in der gesamten Softwarebranche kein vergleichbarer rechtlicher Rahmen oder ein organisatorischer Zusammenschluß gegeben ist, der über den Vertrieb von mit Programmen versehenen Datenträgern wacht, können nicht ohne weiteres die gleichen rechtlichen Konsequenzen in beiden Fällen gezogen werden.

Man wird daher davon ausgehen müssen, daß jedenfalls zunächst nach wie vor Standardprogramme als nichtmaterielle Wirtschaftsgüter von der Finanzverwaltung und der Finanzrechtsprechung angesehen werden. Eine Änderung wird sich hier nur erreichen lassen, wenn es gelingt, insbesondere den Finanzgerichten die tatsächliche Lage auf dem Softwaremarkt klarer darzustellen.

* Ekkehard zur Megede ist Rechtsanwalt in Lübeck.