DV-Benutzer haben es zunehmend schwerer, beim Crash den Schuldigen zu nennen:

Beweisnot bei Hard- und Softwaremacken

11.02.1983

Eine nicht betriebsbereite DV-Anlage, unausgereifte Programme oder aber auch nicht umsetzbare Organisationskonzepte sind Beispiele für Vorkommnisse bei DV- Verträgen, die von den Anbietern bisher im wesentlichen ohne Rückgriff auf Vertragsbestimmungen geregelt wurden. Derartiges "Problem- Shooting" im rechtsfreien Raum ist nur solange relativ tretfsicher, wie sich die Interessen von Anbieter und Anwender decken. Unter den Bedingungen des verschärften Wettbewerbs und der anhaltenden wirtschaftlichen Rezession wird vor allem im Mikrocomputerbereich deutlich, daß die Verträge einer schärferen Abgrenzung und genauerer Definition bedürfen.

Achten die Käufer von DV- Equipment auf das Kleingedruckte - speziell bei der Gewährleistung -, werden sie so manche Überraschung erleben. Einige kritische Punkte aus einer buchfüllenden Problempalette sollen hier knapp aufgezeigt werden. So unterschiedlich Hard- und Software technisch und von der Fehlerhäufigkeit her zu sehen sind, rechtlich lösen alle Mängel dieselben Gewährleistungsmängel aus.

Stellt sich gleich nach Übergabe eines Rechners heraus, daß die gelieferte Anlage nicht funktionsfähig ist und die vorhandenen Mängel in absehbarer Zeit auch nicht zu beseitigen sind, kann der Käufer "wandeln": Der Kaufvertrag wird also rückgängig gemacht. Der Verkaufter erhält seine Anlage und der Käufer den Kaufpreis (soweit bereits bezahlt) zurück.

Bei größeren Anlagen kommt ein solches Desaster nur selten vor. In jedem Fall zeigt es zunächst an, daß beide Seiten eine rechtzeitige Funktionsprüfung versäumt oder zumindest nicht sorgfältig ausgeführt haben. Aber selbst eine "erfolgreiche" Funktionsprüfung hindert in Ausnahmefällen nicht, daß das System aus unvorhersehbaren Gründen plötzlich doch abstürzt. Besonders leicht kann es etwa bei Personal Computern oder Textautomaten zur Wandlung kommen, da hier selbst größere Firmen mit der Aufgabenstellung aus der Kundenpraxis noch nicht recht zu Rande kommen und gelegentlich bei Demonstrationsveranstaltungen noch nicht einmal Vertragsmuster vorweisen können.

Eingriff in bestehende Verträge

Wer einen Kaufvertrag wandelt hat gegen den Vertragspartner keinerlei weitere Ansprüche mehr kann vor allem keinen Schadenersatz verlangen. Dabei ist egal, wie hoch der tatsächlich erlittene Schaden sein mag. Hier liegt eine Gefahr der Wandlung, die oft nicht ausreichend bedacht wird.

Ist die Betriebsbereitschaft der Hardware nur eingeschränkt oder die Fehlerrate bei Durchlauf ein es Programmes tolerabel (was von den individuell unterschiedlich zu beurteilenden Gegebenheiten bei dem jeweiligen Kunden abhängt), wird der Käufer den zu bezahlenden Kaufpreis mindern.

Hier bleiben der Verkäufer zur Lieferung und Übereignung und der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet. Allerdings reduziert sich der Kaufpreis in dem Verhältnis, der zwischen dem vereinbarten und dem tatsächlichen Wert der Leistung besteht. Der Käufer muß hier nachweisen, daß und in welchem Umfange Betriebsbereitschaft eingeschränkt ist. Einen relativ verläßlichen Maßstab bildet der in Prozenten errechnete Unterschied zwischen der Zahl der vertraglich zu erwartenden und der tatsächlich erreichten Betriebsstundenzahl. Diese Aufstellung ist von solchen Positionen zu berei nigen, die der Anbieter nicht zu vertreten hat.

Wandlung und Minderung greifen unterschiedlich tief in bestehende Verträge ein. Der Verkäufer muß sich hier einverstanden erkalten, kann bei Weigerung aber auf Abgabe einer entsprechenden Erklärung verklagt werden.

Um diese Risiken auszuschließen, schränken Anbieter oft die Gewährleistung für Sachleistungen auf Nachbesserung ein. Auf den ersten Blick erscheint diese Einschränkung für den Kunden nicht besonders nachteilig, hat er doch ebenfalls ein vorrangiges Interesse an einem funktionierenden System und nicht daran, aus dem Vertrag auszusteigen.

Wenn die Nachbesserung fehlschlägt

Aber was geschieht, wenn die Nachbesserung nicht gelingt? Dies wird der Kunde dann kaum achselzuckend hinnehmen wollen oder auch nur können. In den Vertrag gehören deshalb für den Fall, daß die Nachbesserung fehlschlägt, Bestimmungen über die Lieferung von Ausweichanlagen oder etwa Ersatzprogrammen.

Noch strengere Anforderungen gelten auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung, wenn der Anbieter vorformulierte Vertragsmuster, also Allgemeine Geschäftsbedingungen, verwendet (in der EDV- Praxis durchgängig üblich). Nach ° 11 Nr. 10 b des Gesetzes zur Regelung des Rechtes der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB- Gesetz), das hier zur Anwendung gelangt, ist eine die Gewährleistung auf bloße Nachbesserung einschränkende Bestimmung dann unwirksam und durch die gesetzlichen Bestimmungen zu ersetzen, wenn der Kunde nicht wenigstens bei Fehlschlagen der Nachbesserung nachträglich wiederum (alternativ) Wandlung (Rückgängigmachung des Vertrages) oder Minderung (herabsetzende Vergütung) verlangen kann. Dieses Wahlrecht kann folglich vertraglich nur aufgeschoben, nicht aber ausgeschlossen werden. Einschränkende Gewährleistungsbestimmungen sind folglich auch dann unwirksam, wenn nur Minderung eingeräumt wird, da hiermit das Wahlrecht des Kunden aufgehoben würde.

Leistungsmerkmale unter der Lupe

Weiter verschärft sich die Gewährleistungshaftung des Verkäufers, wenn er dem Käufer zusichert, eine bestimmte Eigenschaft läge vor (etwa: Geschwindigkeit eines Drukkers, Erweiterbarkeit von Speichern, Kompatibilität). Hier muß der Verkäufer auch für unwesentliche Abweichungen (etwa geringere Ausfallraten) von einstehen.

Kunden werden deshalb bei men kritischen Leistungsmerkmalen Zusicherungen verlangen (und bei wettbewerbsfähigen Anbietern auch erhalten), da ihnen dann auch chadenersatzansprüche zustehen:

Hat der Käufer im Rahmer des Vertragsschlusses eine solche Zusicherung bekommen, kann er luch dann, wenn er mindert, Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen.

Ersetzbar sind auch Folgeschäden (etwa aus entgangener Weiterveräußerung, Reparaturaufwendungen Verdienstausfall), es sei denn, die Zusicherung sollte vor solchen Schäden gerade nicht schützen oder die erweiterte Haftung wurde vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf allerdings verk äuferseits der Schadenersatzanspruch auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn dem Kunden Wandlung und Minderung bei Fehlschlagen der Nachbesserung erhalten bleizen (° 11 Nr. 11 AGB- Gesetz).

Schadenersatz kann neben Wandlung und Minderung auch dalnn verlangt werden, wenn dem Käufer ein Fehler arglistig verschwiegen wurde ° 463 BGB). Der Verkäufer haftet

aber so, als hätte er eine Zusictlerung abgegeben, daß der verschwiegene Fehler nicht vorliege.

Funktionsprüfung unerläßlich

In den allermeisten Fällen kauft ein Kunde CPUs, Speichereinheiten, Disketten oder Programmpakete nach "Katalog", nicht aber ein ganz bestimmtes Exemplar. Bei diesem "Gattungskauf" kann der Verkätfer ein beliebiges Exemplar des veraglich spezifizierten Typs auswählen. Weist die Leistung dann erhebliche Mängel auf, kann der Käuler neben Wandlung oder Minderung auch "Nachlieferung", also kostenlos Ersatz liefern (° 480 Abs. BGB), nicht aber Schadenersatz (etwa aus der Zeitverzögerung bis zur Nachlieferung) verlangen.

Wurde hier eine bestimmte Eigenschaft zugesichert, entsteht auch hier zusätzlich ein Schadenersatzanspruch des Käufers. Doch ist folgende Feinheit zu beachten: Ein Ausschlußverbot besteht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur für den Schadenersatzanspruch, nicht aber für den Nachlieferungsanspruch. Wurde dieser Nachlieferungsanspruch zulässig ausgeschlossen, steht.der Käufer im Ergebnis so, als hätte er einen ganz bestimmten Gegenstand gekauft (Stückkauf), nicht aber einen nur der Gattung nach bestimmten.

Der Erfüllungsanspruch erlischt dann mit Lieferung (nach Funktionsprüfung, die unbedingt zwischengeschaltet sein muß). Wurde also Nachlieferung ausgeschlossen, hat der Käufer keinen Anspruch auf Lieferung einer anderen, fehlerfreien Anlage, auch wenn Fehlerfreiheit ausdrücklich zugesichert wurde. Wer sich nicht ganz auf die Funktionsprüfung verlassen will, sollte deshalb prüfen, ob der Nachlieferungsanspruch gegen eine angehobene Vergütung in den Vertrag einbezogen verden kann.

Handelskaufleute müssen besonders strenge Rügepflichten beachten. Voraussetzung ist, daß sowohl Anbieter wie auch Anwender im juristischen Sinne als Kaufleute zu betrachten sind. Der Anwender muß dann unverzüglich nach Ablieferung und Funktionsprüfung oder nach Auftreten der Mängel ihm erkennbare Mängel dem Verkäufer anzeigen. ßei Handelskauf wird es so dem Anwender (im Rahmen von dessen ordnungsgemäßem Geschäftsgang) eine unverzügliche Funktionsprüfung zur Pflicht gemacht. Hält er sie nicht ein, verliert er sein Mängelrügerecht. Ungefährlich ist diese Rügepflicht fur den Kunden aber selbst bei sorgfältig durchgeführter Funktionsprüfung nicht: Auch später auftretende erkennbare Mängel müssen unverzüglich (das heißt "ohne schuldhaftes Zögern", ° 121 BGB) angezeigt werden.

Kaufleute tun also gut daran, die einschlägigen Regelungen des Handelsgesetzbuches (°° 377, 38 HGB) abzubedingen, zumal diese auch eine anders gelagerte Interessensituation regeln sollen - die schnelle Prüfung in ihrer Mangelhaftigkeit leiellt beurteilbarer Handelsware, kaum aber die diffizile Prüfung, ob etwa die Fehlerursache im Hardware- oder im Softwarebereich liegt.

Auch wenn der gewarnte Käufer alle bisher aufgezeigten Klippen umsegelt, kann er dennoch mit allen Gewährleistungsrechten auf Grund laufen, wenn er die strikte Gewährleistungsfrist von sechs Monaten (° 477) nicht beachtet. Diese Frist gilt in gleicher Weise für Wandlung, Minderung wie auch für Nachlieferungs ansprüche, Nachbesserungsansprüche, Ansprüche auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung und sonstiger Ansprüche.

Der Kunde kann jedoch Zahlung des Restkaufpreises verweigern oder mit Gegenansprüchen aufrechnen, wenn er den Mangel vor Verjährungseintritt angezeigt hat (°° 478, 479 BGB). Diese Anzeige ist nur bei arglistigem Verschweigen des Mangels entbehrlich (°° 478 Abs. 2, 479 Abs. II BGB). Die Gewährleistungsfrist darf in Allgemeinen Gesewhäftsbedingungen nicht verkürzt (° 11 Nr. 10 f AGB- Gesetz), wohl aber verlängert werden.

Für Mietverträge gelten besondere Bedingungen: In dem Ausmaß, in dem die Mietsache in ihrer Gebrauchsfähigkeit eingeschränlrt ist reduziert sich der regelmäßig zu zahlende Mietzins bis zur völligen Befreiung von der Zahlung (° 53 ; Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Minderung setzt nicht das Einverständnis des Anbieters voraus (anders bei Kauf).

Der Mieter kann hier auch dann "Schadenersatz neben der Minderung" verlangen, wenn keine zugesicherte Eigenschaft vorliegt, womit auch alle Mängelfolgeschäden erfaßt werden. Diese Regelung ist von besonderer Bedeutung, da hauptsächlich Mietverträge abgeschtossen werden, andererseits jedoch auf Haftungsbegrenzungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu achten ist.

Kann die Mietsache, gleich ob eine ganze Anlage oder nur ein Softwarepaket, nicht genützt werden, hat derMieter weiter das Recht zur fristlosen Kündigung (° 542 BGB).

Bei Werkverträgen schuldet der Anbieter als Unternehmer ein bestimmtes Werk, nicht nur die Lieferung und Übergabe eines Gegeilstandes oder bestimmter Dienste. Fehlt eine zugesicherte Eigenschaft des Werkes oder liegt ein MangeI vor, kann der Besteller Erfüllung beziehungsweise Beseitigung verlangen und diese nach Ablauf einer gesetzten Frist ablehnen, um dann den Vertrag zu wandeln oder die Vergütung zu mindern (°° 631 m, 633 f BGB) oder alternativ bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz verlangen.

Probleme bei Fehlernachweis

Muß der Anwender hier bei dem Verschuldensnachweis mit Problemen rechnen, wählt er besser den Weg, nach Fristablauf den Mangel selbst zu beseitigen (hier empfiehlt sich eine Dokumentation durch Zeugen, etwa Angestellte) und die erforderlichen Aufwendungen ersetzt (eventuell Vorschuß) zu verlangen (° 633 Abs. 3 BGB).

Dies schließt einen Schadenersatzanspruch aus verzögerter Nachbesserung nicht aus. Allerdings darf der Anwender im Falle geplanter Eigennachbesserung nicht auch die Leistungsablehnung androhen, da diese den Verzug beseitigen würde.

Ein Beispiel: Haben 32 Mängelrügen in eineinhalb Jahren zu keinem dauerhaften Nachbesserungserfolg geführt, kann der Anwender vom Vertrag zurücktreten (so das Landgericht Siegen). Er hätte bei Eintritt des Verzuges auch selbst nachbessern und die Aufwendungen und den Verzugsschaden ohne Nachweis eines Verschuldens des Anbieters erstattet verlangen konnen. Lehnte er jedoch für den Fall des Verzugseintrittes zugleich die weitere Leistung des Unternehmers ab, hätte er auch die Vergütung mindern oder bei nachweisbarem Verschulden des Unternehmers Schadenersatz verlangen können.

Die Gewährleistungsfrist läuft auch hier in sechs Monaten nach Abnahme (Funktionsprüfung) ab.

Gewährleistungsrechte bei Kauf

Rücktritt (Wandlung: Gegenseitige Rückgewähr, kein Schadenersatzanspruch).

Vergütungsminderung (daneben ebenfalls kein Schadenersatzanspruch). Nachbesserung (wenn besonders vereinbart). Bei Feblschlaten der Nachbesserung dürfen Rücktritt und Minderung nicht von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen sein. Bei zugesicherter Eigenschaft strengere Haftung des Anbieters, auch aul Schadenersatz.

Miete:

Minderung der Mietzinszahlung, Schadenersatz (auch neben Minderung und für alle Folgeschäden).

Fristlose Kündigung (bei fehlen der Nutzbarkeit der Mietsache).

Werkverträg:

Erfüllungsanspruch (bei Verzug kann Besteller Mängel selbst beseitigen und Kostenersatz verlangen).

Nachbesserungsanspruch, bei Fehlschlagen der Nachbesserung. Wandlung oder Minderung der Vergütung:

Schadenersatz bei nachweisbarem Verschulden des Unternehmers.

Verjährung:

Grundsätzlich sechs Monate ab Übergabe beziehungsweise Abnahme (Ausnahme: Mietzinsreduzierung), in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht verkürzbar.