"Bevor wir laufen lernen, muessen wir erst gehen koennen"

06.01.1995

CW: Im zweiten Quartal des kommenden Jahres wollen Sie "SQL Server 95" ausliefern. Wie wird sich dieses Produkt Ihrer Ansicht nach gegen relationale Datenbanken wie "SQL Server System 10" von Sybase und "Oracle 7" von Oracle ausnehmen?

Allchin: So wie ich das sehe, werden alle diese Datenbankprodukte schliesslich dieselben Basisfunktionen aufweisen. Das heisst: Unterstuetzung fuer umfangreiche (mehr als 100 GB grosse, Anm. d. Red.) Datenbanken, parallele Abfragemoeglichkeiten und Replikation. Das alles wird SQL Server 95 auch koennen. Unsere Replikationswerkzeuge sind bereits im Lieferumfang enthalten.

CW: Aber wie wollen Sie sich vom Mitbewerb abheben?

Allchin: Unsere Staerke besteht darin, dass wir die Daten vom Desktop einbeziehen koennen. Wie unsere Studien belegen, haben die meisten Unternehmen mehr Daten in ihren Client-Anwendungen als in ihren Altsystemen gespeichert. Die Integration laesst sich ueber ein konsistentes Objektmodell wie OLE bewerkstelligen. Zudem werden wir das beste Preis-Leistungs-Verhaeltnis zu bieten haben. Unsere Datenbank wird ausserdem sehr eng mit dem Betriebssystem integriert sein, auf dem sie laeuft - mit Windows NT also. Darueber hinaus wird sie auch leichter zu installieren sein als andere.

CW: Abgesehen von den Basisfunktionen, die Sie beschreiben - was verlangen die Anwender Ihrer Ansicht nach von einem Datenbank- Server?

Allchin: Die Leute wollen gar keine Datenbank. Sie wollen einen Informations-Server. Und den moechten sie auch als Messaging-Server nutzen koennen. Um das moeglich zu machen, muessen wir eine Anwendungsprogramm-Schnittstelle konstruieren, die es uns erlaubt, alles moegliche - angefangen von Spreadsheets bis hin zu Datenbanken - in das System hinein zu holen. Kurz und gut: Unser ODBC-Interface wird wesentlich an Umfang gewinnen und zudem besser in der Lage sein, mit unstrukturierten Daten umzugehen.

CW: Einige Leute haben die Ansicht geaeussert, Microsoft muesse unbedingt ein maechtiges Development-Tool entwickeln beziehungsweise kaufen. Anders werde es nicht moeglich sein, auf dem Client-Server-Feld mitzuspielen. Was halten Sie davon?

Allchin: Wir planen, "Visual Basic" mit mehr Power auszustatten und es besser mit OLE zu integrieren. Aber wenn Sie meine Meinung hoeren wollen: Unter dem Aspekt der Client-Server- Entwicklungsumgebung wird unser "Office"-Produkt mehr Bedeutung bekommen als Visual Basic. Wenn Sie beispielsweise in Ihrer Anwendung das in Office enthaltene Spreadsheet nutzen koennen, was sollte Sie dann dazu bewegen, Ihr eigenes Tabellenkalkulationsprogramm zu schreiben?

CW: Sybase, Oracle und Informix arbeiten an Werkzeugen, die auf dem objektorientierten Framework von Tivoli Systems basieren und zur Verwaltung verteilter Datenbanken dienen sollen. Das Ziel besteht darin, alle diese Datenbanken innerhalb einer einheitlichen Umgebung handhabbar zu machen. Im Gegensatz dazu wird Ihr mit dem Projektnamen "Starfighter" bezeichnetes Tool fuer das Management verteilter SQL-Server-95-Datenbanken nicht auf der Tivoli-Technik beruhen. Wollen Sie sich auf diese Art und Weise von den Mitbewerbern absetzen?

Allchin: Sicher wuerden wir gern an der Interoperabilitaet teilhaben. Aber bevor wir laufen lernen, muessen wir erst einmal gehen koennen. Es wird Moeglichkeiten geben, unsere Management- Umgebung mit denen der anderen Anbieter zu verbinden. In meiner Zukunftsvorstellung haben wir eine Management-Arena, von der aus sich SQL Server sowie Messaging- und Transaktionssysteme verwalten lassen.

CW: Ihre Datenbankstrategie konzentriert sich auf Ihr Betriebssystem Windows NT. Wollen Sie die Anwender in eine geschlossene Umgebung einsperren?

Allchin: Unsere Strategie besteht darin, Windows NT auf alle Hardwareplattformen zu portieren. Das bedeutet sicher so eine Art Lock-in. Aber das laeuft auf dasselbe hinaus, wie wenn ich sage: "Sie sind in DOS eingesperrt." Heute entscheiden sich die Leute fuer proprietaere Unix-Hardware, und das Ende vom Lied ist, dass sie von eben dieser Hardware abhaengig sind.

Jim Allchin ist Vice-President for Business Systems bei der Microsoft Corp. mit Sitz in Redmond, Washington.

Das Gespraech fuehrten John Gallant und Barb Cole von der CW- Schwesterpublikation "Network World".