Sonderzuwendungen vom Chef

"Betriebliche Übung" - Fallstricke für den Arbeitgeber

30.12.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Zwei Arten des Schweigens

Vor allem sei zu berücksichtigen, dass ein Schweigen auf ein verschlechterndes Angebot nicht mit dem Schweigen auf ein günstiges Angebot gleichgesetzt werden könne. Denn seit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform müsse hierbei auch der § 308 Nr. 5 BGB berücksichtigt werden. Die in den Lohnabrechnungen handschriftlich vermerkten Freiwilligkeitsvorbehalte seien als vorformulierte Arbeitsbedingungen anzusehen. Da fingierte Erklärungen in vorformulierten Vertragsbedingungen aber nach der Regelung in § 308 Nr. 5 BGB grundsätzlich rechtlich unwirksam sind, könne ein Schweigen nicht als zustimmende Willenserklärung gedeutet werden (etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart gewesen wäre, dass das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Änderungsangebot des Arbeitsgebers als eine Annahme des Angebots gelten solle).

Nach alledem könne also einem dreimaligen Schweigen kein Erklärungswert zukommen, so dass das Schweigen des Klägers letztlich nicht als Annahme, sondern vielmehr als Ablehnung zu verstehen gewesen sei. Damit erteilten die Richter des BAG einer gegenläufigen betrieblichen Übung nunmehr eine generelle Absage (BAG, Urteil vom 18.03.2009, Az.: 10 AZR 281/08).

Beendigung einer betrieblichen Übung durch eine Betriebsvereinbarung?

Einige Monate später musste das BAG in einem Urteil vom 05.08.2009 die weitere Rechtsfrage beantworten, inwieweit eine einmal begründete betriebliche Übung durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen einem Unternehmen und dem Betriebsrat beseitigt werden kann.

In dem zu entscheidenden Fall stritten die Parteien über die Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2006. Zuvor hatte der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern über zehn Jahre jeweils mit der Vergütung für November vorbehaltlos ein Weihnachtsgeld in Höhe eines gleichbleibenden Prozentsatzes aus der Bruttomonatsvergütung gezahlt. Am 21.11.2006 schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat für alle im Unternehmen tätigen Arbeitnehmer eine Betriebsvereinbarung, wonach (lediglich) für das Jahr 2006 kein Weihnachtsgeld gezahlt werden sollte. Da der Kläger für das Jahr 2006 folglich auch kein Weihnachtsgeld erhielt, reichte er hiergegen eine Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht ein. Er war der Auffassung, dass ihm für das Jahr 2006 Weihnachtsgeld zustehe, da dieser Anspruch durch die Betriebsvereinbarung nicht rechtswirksam beseitigt worden sei. Dagegen stellte sich der Arbeitgeber auf den Standpunkt, dass die Betriebsvereinbarung den Anspruch auf Weihnachtsgeld beseitigt habe, weil insoweit eine Auslegungsregel zu berücksichtigen sei, wonach bei jeder betrieblichen Übung im Zweifel ein stillschweigender Änderungsvorbehalt zugunsten einer Betriebsvereinbarung enthalten sei.