Turnaround-Programm und neues Management sollen Misere beenden

Beta Systems: Nach Börsenlust Ergebnisfrust

13.04.2001
MÜNCHEN - Der Börsengang von 1997 war glänzend. Doch seither ist die Beta Systems Software AG von einer Krise in die nächste geschlittert. Produktpannen, glücklose US-Aktivitäten und gescheiterte Kooperationen sorgten für anhaltend rote Zahlen. Ein neuer Vorstandschef soll das angeschlagene Softwarehaus nun auf Kurs bringen. Von Beate Kneuse*

Dem neuen Beta-Lenker Karl-Joachim Veigel eilt der Ruf voraus, im Rahmen früherer Tätigkeiten im Siemens-Konzern bereits mehrfach Turnarounds erfolgreich bewältigt zu haben. Bei Beta Systems, einem altehrwürdigen Spezialisten für Rechenzentrums-Automatisierungssoftware, könnte er nun sein Meisterstück machen. Leicht wird die Aufgabe allerdings nicht werden, denn seit drei Jahren schreibt das Unternehmen rote Zahlen. Im Geschäftsjahr 2000 belief sich der Nettoverlust auf 3,2 Millionen Mark, als operatives Ergebnis fiel ein Minus von 5,3 Millionen Mark an. Beim Umsatz erzielten die Berliner 80,6 Millionen Mark, womit man deutlich unter den 89,7 Millionen Mark des Vorjahres lag. Darin enthalten waren allerdings 14,3 Millionen Mark Einnahmen zweier US-Töchter, die im Januar 2000 verkauft wurden.

So anspruchsvoll Veigels Aufgabe auch anmutet, bei null muss der 49-jährige Manager nicht anfangen. Die Berliner leiteten bereits im vergangenen Jahr, damals noch unter dem Vorsitz von Christiane Hotz-Firlus, eine umfangreiche Restrukturierung des Unternehmens ein. Wesentlicher Bestandteil war dabei eine stärkere Ausrichtung auf die beiden Geschäftsfelder Dokumenten- und Storage-Management, um zusätzlich zu den Großrechner-Aktivitäten im Bereich Data-Center-Management neue Erwerbsquellen aufzutun. Dies war auch dringend nötig, denn mit 38,8 Millionen Mark Umsatz blieb das Stammgeschäft der Berliner im zurückliegenden Jahr hinter den Erwartungen zurück.

Wie vielen anderen Softwarespezialisten machte auch Beta Systems der Jahrtausendwechsel zu schaffen. Zudem litten die Berliner unter den Anpassungen der IBM-Großrechnermodelle, die - wie so häufig - bei den Kunden zur Investitionszurückhaltung führte. Mehr als 50 Prozent macht das IBM-Geschäft bei Beta aus. Fest steht aber auch, dass der Markt in Deutschland keine große Sprünge mehr machen wird und zudem Firmen wie IBM sowie Computer Associates starken Konkurrenzdruck ausüben.

Kein Wachstum bei NeulizenzenBeim Verkauf von Neulizenzen verzeichnete Beta im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr kein Wachstum, die Absatzsteigerung aus Lizenzerweiterungen war nur mäßig. Grund zur Sorge sieht Veigel indes nicht: "Wir hätten nur dann ein Problem, wenn das Geschäft mit den Mainframes zusammenbrechen würde." Aufgrund der enormen Datenmengen, die durch das Internet bewegt würden, führen leistungsfähige Server und Großrechner "ein lustiges Leben". Deshalb soll das Data-Center-Management auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil des Business sein: "Wir werden diesen Bereich sehr pfleglich behandeln", meint der neue Chef.

Dennoch weiß auch Veigel, dass die Zeiten komfortabler Steigerungsraten im Beta-Kerngeschäft vorbei sind. Die neue Marschroute heißt deshalb: starkes Wachstum im Dokumenten-Management- und Storage-Sektor, die im abgelaufenen Geschäftsjahr 24,9 beziehungsweise 10,2 Millionen Mark zum Umsatz beisteuerten. Die Aussichten dafür sind günstig, denn beide Märkte entwickeln sich gut.

Harter Wettbewerb im DMS-BereichDoch der Wettbewerb im DMS-Segment ist hart. Namhafte Anbieter wie IBM, SER, Ixos oder Filenet rangeln im Highend-Sektor um den Kunden. Laut Oskar von Dungern, Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, hat Beta jedoch die richtigen, weil plattformübergreifenden Produkte im Portfolio: "Wir bieten eine einheitliche Lösung für die Kombination von Mainframe- und Client-Server-Welt, gepaart mit moderner Workflow- und Recherche-Funktionalität."

Gute Produkte allein aber waren im IT-Geschäft noch nie Garant für den Erfolg, denn das Image des Anbieters ist nicht minder wichtig. Doch eine bekannte Marke ist Beta in der DMS-Szene noch nicht. Dieses Manko soll die Mobilisierung der bestehenden Klientel im Großrechnerbereich wettmachen. Außerdem wollen die Berliner verstärkt Value Added Reseller und Systemintegratoren für sich gewinnen, um über indirekte Kanäle Neukunden zu finden. Erste Verträge kamen gerade auf der CeBIT zustande. Veigel räumt aber ein: "Es wird kein leichtes Spiel werden."

Storage-Management-HoffnungenHoffnungen setzt der ehemalige Siemens-Manager auch in das Geschäft mit Storage-Management-Lösungen. Mit den im vergangenen Jahr verlängerten beziehungsweise neu geschlossenen weltweiten Vertriebsabkommen mit Hitachi Data Systems und HP ist ein erster Schritt in diese Richtung getan. Zum anderen wird ein neues Kapitel in Sachen US-Engagement aufgeschlagen. Denn zuständig für das Geschäft mit Storage-Lösungen ist die im April 2000 gegründete Tantia Technologies Inc. mit Zentralen in Boulder, Colorado, und im kanadischen Calgary. Anfang vergangenen Jahres wurden ein branchenversierter CEO und ein neuer Finanzchef an Bord geholt.

Ein Erfolg in den USA würde den Berlinern gut zu Gesicht stehen. Denn alle Versuche, dort mit ihrem traditionellen Geschäft über ihre eigens dafür aus dem Boden gestampfte Beta Systems Software Inc. sowie der 1996 akquirierten Pecan Software und etlichen Vertriebspartnerschaften Fuß zu fassen, sind fehlgeschlagen. Die US-Tochter kam nie in die schwarzen Zahlen. Der Absatz der klassischen Beta-Produkte war dürftig, vor Ort entwickelte man deshalb etliche schwerverkäufliche Derivate und neue Produkte. Ende 1999 wurde ein Schlussstrich unter die fruchtlosen Bemühungen mit Großrechnersoftware gezogen, sowohl die Sales- als auch die Entwicklungstochter wurden verkauft. "Dieses Thema ist in den USA für uns endgültig beendet", betont Veigel. "Unser Fokus in dem Bereich heißt Europa."

Die geschäftlichen Weichen für ein Ende der Krise bei Beta Systems scheinen somit gestellt zu sein. Deshalb wird sich Veigel, der als Vorstandsvorsitzender die Ressorts Finanzen, Controlling und Personal verantwortet, nun vor allem um die klassischen Turnaround-Themen wie die Verschlankung von Prozessstrukturen und die Korrektur des Portfolios kümmern. Zudem gilt es, die Informationspolitik gegenüber den Finanzmärkten zu verbessern. Beta Systems hat sich wie zahlreiche Neue-Markt-Unternehmen mit seinen Prognosen zu Quartals- und Jahresergebnissen in der Vergangenheit wiederholt Fehltritte geleistet.

Damit soll nun Schluss sein. Entsprechend vorsichtig äußert sich der neue Firmenchef denn auch zum Verlauf des Geschäftsjahres 2001. Er erwarte eine Umsatzsteigerung im "niederen zweistelligen Bereich", beim Ergebnis halte er das Erreichen der "Null-Linie" für möglich. Mittelfristig strebe er eine "solide Profitabilität" an, sprich: eine Umsatzrendite von fünf bis zehn Prozent. Dies setzt jedoch voraus, dass keine weiteren unliebsamen Wertkorrekturen mehr nötig werden.

"Alles Erkennbare" wurde angegangenDerartige Einbußen erwartet der Beta-Chef für das laufende Geschäftsjahr zwar nicht mehr, weil "alles Erkennbare" angegangen worden sei. So recht zu trauen scheint er dem Ganzen aber noch nicht. "Nach zwei Monaten habe ich gerademal erste Eindrücke über den Zustand des Unternehmens gewonnen. Deshalb sind weitere Überraschungen nicht auszuschließen." Und er schiebt nach: "Das vorherige Management hat es an vielen Stellen nicht verstanden, den Volumenaufbau der Gesellschaft mit einer entsprechenden Unternehmensstruktur gezielt und konsequent zu managen. Es hat schlichtweg nicht begriffen, dass sich nach dem Börsengang die Regeln geändert haben."

*Beate Kneuse ist freie Journalistin in München

Abb: Finanzielle Eckdaten

Zwar verbesserte sich das operative Ergebnis, jedoch stieg der Jahresfehlbetrag von Beta an. Quelle: Beta Systems