Software für Warenwirtschaft/Strecken-Management bei der Hapag-Lloyd-Fluggesellschaft

Bessere Konzentration auf Flüge und Zielgebiete möglich

03.12.1998
"Optimale Auslastung von Maschinen und Zielgebieten", diese Konsequenz des harten Konkurrenzkampfes im Ferienfluggeschäft zog ein Unternehmen, das zu den ältesten in Deutschland tätigen Anbietern zählt: die Hapag-Lloyd-Fluggesellschaft, Hannover (HLF). Mit Data-Warehousing gelang es, Organisation und Rentabilität der Flüge in den Griff zu bekommen. Dirk Clobes* und Olaf Petersenn* schildern das neue Strecken-Management.

Als 1973 das erste Hapag-Lloyd-Flugzeug die Startbahn des Flughafens Hamburg verließ, waren die Flieger mit den auffälligen Längsstreifen in den Farben Blau-Cognac noch wenig beachtete Carrier auf den Airports Europas. Das hat sich in den vergangenen 25 Jahren grundlegend geändert: Täglich fliegen Jets von Hapag-Lloyd der Typen Airbus A 310 und Boeing B 737 rund um das Mittelmeer und auf die Kanarischen Inseln sowie die Dominikanische Republik. 1997 wurden fast fünf Millionen Passagiere zu 23 Zielflughäfen befördert.

Für eine optimale Auslastung der Flüge benötigte Hapag-Lloyd Flug ein neues Management-Informationssystem (MIS). Auf der Suche nach der passenden Softwarelösung entschied sich das Unternehmen Anfang 1997 zur Zusammenarbeit mit dem Con- sultant Prologis. Konzept und Auswahl der Software trafen die beiden Partner gemeinsam: Die Entscheidung fiel zwischen elf Software-Anbietern zugunsten von SAS Institute.

Die Zielsetzungen für die Arbeitsgruppe waren klar definiert: Zunächst sollte das Informationssystem im Rahmen eines Prototypen die Anforderungen des Strecken-Managements erfüllen und so zur besseren Auslastung der Maschinen beitragen. Im Rahmen der Gesamtkonzeption war eine DV-technische Basis (Hardware und Entwicklungswerkzeug) zu schaffen, die es dem Haus ermöglicht, das System mit einem angemessenen Aufwand für andere Funktions- und Aufgabenbereiche zu nutzen.

Zunächst zum Strecken-Management: Es benötigt hochaktuelle Informationen über freie Plätze auf Flugstrecken und Maschinen. Ein Team von Strecken-Managern muß täglich zirka 600 Flüge und Dutzende von Aktionen mit komplexen Detaildaten überwachen. Wichtige, oft kritische Informationen stecken meist im Detail oder sind nur im flug- beziehungsweise systemübergreifenden Zusammenhang erkennbar. Typische Fragen, die manchmal in Sekundenschnelle beantwortet werden müssen: Welche Flüge oder Zielgebiete sind schlecht ausgelastet? Wie viele freie Plätze gibt es pro Flug? Wie haben die einzelnen Veranstalter auf welchen Flügen gebucht? Die Beantwortung solcher Fragen erfordert sowohl monatliche, wöchentliche als auch tägliche und gegebenenfalls sogar stündliche Aktualität.

Erster Schritt der Projektrealisierung war also die Auslastungsoptimierung im Strecken-Management durch eine frühzeitige, vollständige und einfache Versorgung mit allen kritischen Informationen zur aktuellen Buchungssituation. Zuvor ließen sich Auskünfte nur aus operativen Buchungssystemen oder gedruckten Listen gewinnen. Alle Fragen, die vom Standard abwichen, erforderten manuelle Analysen mit einem hohen Aufwand für die Datenerfassung und Datenpflege. Grundlage aller Datenerhebungen, Abfragen und Auswertungen waren Papier-Reports auf endlosen Listen, die zuständige Mitarbeiter durchsehen mußten, um unter anderem nicht ausgelastete Flüge per Textmarker zu kennzeichnen.

Eine optimale Auslastung der Maschinen war so nicht hundertprozentig erfüllbar ebensowenig wie der Anspruch an Komplexität und Aktualität der Informationen.

Summa summarum war das bisherige Verfahren zeitaufwendig, wenig übersichtlich und nicht sicher genug - in den vielen Papier-Reports konnte ein Flug schon mal leicht übersehen werden. Auch waren die Ergebnisse eingeleiteter Aktionen (zum Beispiel steigender Buchungseingang) nicht auf den ersten Blick zu erkennen, sondern sie erforderten den manuellen Vergleich verschiedener Listen. Fazit für das Strecken-Management: Die unzureichende Informationsversorgung und der hohe manuelle Aufwand verhinderten eine punktgenaue Konzentration auf kritische Flüge und Zielgebiete.

Viele der benötigten vertriebsorientierten Berichte und individuellen Auswertungen für das Controlling ließen sich von den Mitarbeitern ebenfalls nur mit einem enormen Aufwand am PC erarbeiten oder mußten komplett von der internen DV-Abteilung erstellt werden, der außerdem auf Basis individueller Programmierung das Standardreporting oblag; dies erforderte einen hohen Personalaufwand und konnte bei häufigen und speziellen Auswertungswünschen zu Engpässen in der DV führen. Hinzu kam, daß Analysen spontaner und neuer Fragestellungen innerhalb einer kurzen Reaktionszeit kaum möglich waren. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß der Anstoß für ein Strecken-Management-Informationssystem von den betroffenen Abteilungen Controlling, DV und natürlich vom 16köpfigen Team des Strekken-Managements selbst kam.

Die Zielvorgabe: schnelles und einfaches Erstellen und Pflege unternehmensweiter Berichte und Analysen auf der Basis eines Standard-Entwicklungswerkzeugs der DV-Abteilung und der Fachbereiche - und dies ohne aufwendige Programmierarbeiten. Weitere angestrebte Verbesserungen: Das interaktive Informations- und Analyse-System soll aktuelle und flexible Analysen mit einer zielorientierten, aussagekräftigen Ergebnisdarstellung ebenso erlauben wie Inkonsistenzen in den Daten verschiedener Anwendungen und Fachbereiche erkennen und beseitigen helfen. Es liegt auf der Hand, daß mit einer solchen MIS-Anwendung die Kosten reduziert werden.

Die Systemlösung sollte sich im Hause mit möglichst geringem Personaleinsatz verwalten lassen - der Pflegeaufwand für die DV beträgt derzeit nur noch einen halben Tag pro Woche -, in einer dynamischen Geschäftsentwicklung flexibel anzupassen sein und vor allem ohne intensive Programmierung mit der bestehenden und künftigen DV-Welt bei Hapag-Lloyd Flug verknüpfbar sein. Darüber hinaus sollte auch die Möglichkeit bestehen, das System zu einem späteren Zeitpunkt für andere Funktions- und Aufgabenbereiche einzusetzen.

Offizieller Start des Projekts war im April 1997, die Projektabnahme, also die Einführung des Prototyps im Strecken-Management erfolgte ein Jahr später. Das Projektteam bestand aus zwei Mitarbeitern der DV-Abteilung (182 Manntage), zwei Mitarbeitern vom Strecken-Management (101 Manntage), aus einem Mitarbeiter von SAS Institute (110 Manntage) und zwei Mitarbeitern von Prologis (106 Manntage). Der Arbeitsaufwand betrug insgesamt rund 500 Manntage, die Kosten für das Pilotprojekt beliefen sich auf 900 000 Mark.

Das Konzept sah von Anfang an eine Realisierung des Projekts (auch im Strecken-Management) in mehreren Stufen vor. Als erstes wurden Informationsbedarf und Datenverfügbarkeit analysiert, danach folgten Detailkonzept und Realisierungsvorgaben für Paket 1 sowie der detaillierte Projektplan. Ein Termin für den Vollausbau war nicht festgelegt, ebensowenig der eigentliche Vollausbau. Vielmehr sollte das Informationssystem schrittweise wachsen, wobei immer nur die nächsten zwei bis drei Pakete zu planen waren, um sich so möglichen Änderungen rechtzeitig und adäquat anpassen zu können.

In die Projektplanung waren die ersten drei Hierarchieebenen des Unternehmens (Geschäftsleitung, Bereichsebene und Abteilungsebene) von Anfang an in die Projektplanung einbezogen. Während der ganzen Projektlaufzeit fanden regelmäßige Arbeitsgespräche sowie einzelne Meilenstein-Meetings statt, in denen die einzelnen Ergebnisse im Team diskutiert wurden. Den Abschluß entscheidender Phasen präsentierte man auf Geschäftsleitungsebene. Das schrittweise Vorgehen des Teams erfolgte plangemäß - lediglich die Realisierung der Oberflächen und die Lösung für das Daten-Management dauerte aufgrund der Komplexität etwas länger als angenommen.

Seit Ende März 1998 befindet sich das bei allen 16 Anwendern des Strecken-Managements und einem der beiden Geschäftsführer der Hapag-Lloyd Flug installierte Paket 1 in der Testphase. Seitdem erhalten die Anwender aus dem Data-Warehouse per Mausklick grafische beziehungsweise tabellarische Auswertungen zur Buchungssituation mit einem aktiven Hinweis auf kritische Auslastungen und der Möglichkeit zu Ad-hoc-Abfragen - angefangen von der Gesamtübersicht aller Flüge mit Zielort, Buchungsstand und Auslastung über detaillierte Veranstalter-Übersichten bis hin zu speziellen Fragen zum Buchungsverlauf eines einzelnen Hapag-Lloyd-Flugs. Welche Flüge oder Zielgebiete schlecht ausgelastet sind und welche Kontingente einzelne Veranstalter besitzen - diese Fragen können die Mitarbeiter des Strecken-Managements mit Hilfe der Softwarelösung jetzt in vielen Fällen sekundenschnell und unterstützt durch anschauliche Grafiken (auch bei komplexen Daten) beantworten.

Daß Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Data-Warehouse-Struktur dem entsprechen, was die HLF von einem zeitgemäßen Werkzeug erwartet, zeigt die mittlerweile recht gute Akzeptanz bei den Anwendern. Die Softwarelösung arbeitet mit kurzen Berechnungszeiten und bietet ein Daten-Management mit schnellen Antwortzeiten - selbst bei großen Datenmengen. Hinzu kommen Benutzer- und Wartungsfreundlichkeit: Der Schulungsaufwand pro Anwender war relativ gering.

Die Vorteile des neuen Informationssystems für Hapag-Lloyd Flug lassen sich wie folgt zusammenfassen:

-Eine deutlich gesteigerte Arbeitseffizienz, weil manuelle Datenerfassung und -aufbereitung ebenso wegfallen wie die aufwendige und fehleranfällige Pflege redundanter Daten in Tabellenkalkulations- und Textprogrammen;

-Reduzierung des Papierberichtswesen, da alle Strecken- Manager ihre Informationen heute online abrufen können;

-kürzere Reaktionszeiten auch bei sehr großen Datenmengen und spontanen Fragestellungen; Anfragen sind heute innerhalb einer Stunde statt erst wie gewohnt nach mehreren Tagen beantwortbar;

-verbesserte Entscheidungsqualität, da erstmalig das aktuelle Geschäft in seinem Volumen und seiner Komplexität weitgehend analysiert und gesteuert werden kann.

Der effektive Nutzen für die Fluggesellschaft zeigt sich im Vergleich der Auslastung: Jeder der 16 Strecken-Manager verkauft einen Sitzplatz pro Tag mehr als bisher. Außerdem liegt mit dem Prototyp des Strecken-Management-Informationssystems bereits die technische und konzeptionelle Basis für die Erweiterung auf andere Funktionsbereiche vor.

PC als Basis

Die Einführung des Prototyps beziehungsweise des ersten Lösungspakets im Strecken-Management erforderte keine Festlegung auf eine bestimmte Softwareplattform - diese sollte vielmehr im Rahmen des Gesamtprojektes erarbeitet werden. Einzige Voraussetzung war der PC als Hardwarebasis. Bei Projektbeginn sah die bestehende DV-Landschaft bei Hapag-Lloyd folgendermaßen aus: eine HP9000 mit "Adabas" als Datenbank und "Natural" als Entwicklungsumgebung und eine Vax mit einer "Isam"-Datenverwaltung. Neben dem Großrechner existierten im Unternehmen zahlreiche vernetzte PCs mit Windows-Produkten. Für eine EIS-Anwendung wurden bereits die Produkte "Prism" und "Ececuview" eingesetzt.

Das von Prologis auf Basis von SAS Software entwickelte Strecken-Management-System wird aus zwei operativen Quelldatensystemen versorgt: Über das Einzelplatzbuchungs-System (EBS), das auf einer DEC VMS läuft und die Daten in RMS-Files speichert, lassen sich einzelne Sitzplätze (Einzel- und Gruppenbuchung) direkt verkaufen. Im Verkaufs- und Kontingentsystem (VKS) befinden sich alle Daten der einzelnen Reiseveranstalter, die entsprechende Kontingente bei der Hapag-Lloyd Flug kaufen.

Das Strecken-Management-System läuft auf einer IBM RS6000 Modell 7025-F50 unter AIX. Als Front-ends werden Windows NT Clients eingesetzt (15 Clients, 64 MB RAM, 3,2 GB Festplatte). Die Übernahme der Daten - zirka 5 MB pro Tag - aus den Quelldaten- systemen in das SAS-System erfolgt täglich. Die aktuelle Anzahl der Datensätze liegt bei zirka neun Millionen. Dabei hält das System 84 Tage (jeweils 84 Abflug- und Buchungstage) rollierend vor - dies entspricht ungefähr tausend Flügen. In Zukunft sollen im System die Daten von mindestens sechs Monaten abrufbar sein.

Die Firma

Die Fluglinie des Hapag-Lloyd-Konzerns mit Sitz in Hannover feiert 1998 mit ihren mehr als 1700 Mitarbeitern ihr 25jähriges Firmenjubiläum. Die Flotte der 28 Jets der Typen Airbus A 310 und Boeing B 737 bedient täglich in erster Linie die Sonnenziele rund um das Mittelmeer und auf den Kanarischen Inseln sowie die Dominikanische Republik. 1997 wurden fast fünf Millionen Passagiere zu 23 Zielen in neun Ländern geflogen und ein Umsatz von 1,25 Milliarden Mark erzielt.

Angeklickt

Ein neues Management-Informationssystem der Airline des Hapag-Lloyd-Konzerns sollte neben einer angestrebten Streckenauslastungsoptimierung eine weitere zentrale Funktion erfüllen: die Versorgung des Verkaufs, des Controllings und des Flugbetriebs mit den jeweiligen steuerungs- und entscheidungsrelevanten Fakten und Daten. In einem nächsten Schritt sollten sich dann aus den verfügbaren internen und externen Datenquellen sowie Anwendungssystemen auch Fakten und Zahlen anderer Fachbereiche problemlos zusammenführen lassen und diese - rechtzeitig, zuverlässig, online und interaktiv - sowohl der DV, den operativen Bereichen als auch dem Management zur Verfügung stehen.

*Dirk Clobes ist Systemanalytiker DV und Olaf Petersenn Koordinator Verkaufssteuerung bei der Hapag-Lloyd Flug in Hannover.