Für die ungestörte Verwertung von Programmen:

Besondere Verträge mit Programmierern

19.08.1988

Arbeitgeber wie Arbeitnehmer im Software-Sektor sollten mehr auf die Gestaltung der Arbeits- beziehungsweise Dienst- oder Werksverträge achten. Worauf es dabei ankommt, vermittelt der folgende Beitrag von Rechtsanwalt Dieter Nauroth aus der Kanzlei Dr. Graf v. Westphalen & Partner, Köln.

In der Praxis sind bei der Gestaltung dieser Verträge, obwohl sie denselben Stellenwert besitzen wie die Kundenverträge, noch erhebliche Defizite zu verzeichnen. Häufig stellt sich erst im Konfliktfall eine Sensibilisierung für die erheblichen Probleme ein, die durch nicht sorgfältig genug überdachte und formulierte Verträge heraufbeschworen werden können. Versäumtes nachzuholen ist dann allerdings häufig nicht mehr möglich.

Die erste und wichtigste Leitlinie für die Gestaltung von Verträgen mit dieser Personengruppe ergibt sich aus den Regelungen des Urheberrechts. Ob ein Programm urheberrechtlichen Schutz genießt, kann zwar regelmäßig erst mit Sicherheit gesagt werden, wenn zu dieser Frage auf Grundlage der Kriterien, die der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 9. 5. 1985 im Rechtsstreit das Gutachten eines Gerichtssachverständigen eingeholt wurde.

Gleichwohl kann auf eine Beachtung der urheberrechtlichen Regelungen nicht verzichtet werden. Denn Verträge, bei denen dies - was häufig der Fall ist - nicht beachtet wurde, führen im Konfliktfall zu erheblichen Problemen der Vertragsauslegung. Stets ist im Einzelfall nämlich zu entscheiden, wie die Parteien urheberrechtliche Fragestellungen nach ihrem Willen geregelt hätten, wenn daran gedacht worden wäre.

Im übrigen muß ungeachtet der unsicheren Abgrenzungskriterien gemäß der Inkassoprogramm-Entscheidung davon ausgegangen werden, daß im gerichtlichen Verfahren ohne weiteres die Urheberrechtsfähigkeit eines Programms festgestellt wird. Denn erfahrungsgemäß geben - soweit es auf eine Urheberrechtsfähigkeit ankommt - Gerichte die entsprechende Fragestellung ("Übersteigen des Durchschnittskönnens") unmittelbar an den Gerichtssachverständigen weiter und übernehmen das von dem Sachverständigen gefundene Ergebnis - wenn das Gutachten in sich schlüssig ist - unmittelbar in die gerichtliche Entscheidung.

Im Vordergrund jeder vertraglichen Regelung, zum Beispiel mit Programmierern, steht die Sicherung von Nutzungs- und Verwertungsrechten. Denn nach dem wohl wichtigsten Grundsatz des Urheberrechts entstehen Urheberrechte stets in der Person desjenigen, der das urheberrechtlich geschützte Programm selbst geschaffen hat (Paragraph 11 UrhG). Dies gilt unabhängig davon, ob der Urheber das Werk völlig frei und selbständig, gleichsam für sich selbst oder im Rahmen einer Vertragsbeziehung erstellt hat.

Übertragung der

Nutzungsrechte notwendig

Voraussetzung für eine Verwertung des Programms durch den Auftraggeber ist deshalb stets die Übertragung, der dem Urheber zustehenden Nutzungsrechte. Werden insofern Fehler gemacht und bleiben Rechtsübertragungen unvollständig, so bietet dies erheblichen Konfliktstoff, der im Extremfall dazu führen kann, daß dem Auftraggeber eine Nutzung des Programms ganz unmöglich wird (vergleiche dazu etwa LAG München vom 16. 5. 1986). Auch können dem Programmierer aus Paragraph 97 UrhG explizite Unterlassungsansprüche gegenüber dem Unternehmer zustehen (vergleiche OLG Frankfurt vom 6. 11. 1984).

Neben der Einräumung von Nutzungsrechten sind auch Schutzaspekte zu beachten zur Sicherung der Verwertung und im Hinblick auf einen Schutz vor Mißbrauch der Software.

Wenn Programmierer sich selbständig machen

Als typisch kann folgende Problemsituation betrachtet werden: Ein Softwarehaus läßt aufgrund eigener konzeptioneller und inhaltlicher Vorgaben von Angestellten beziehungsweise frei mitarbeitenden Programmierern ein Anwendungsprogramm erstellen. Nachdem das Programm fertiggestellt ist, verlassen die maßgebenden Programmierer das Softwarehaus und machen sich selbständig. Nach sehr kurzer Zeit wird ein Programm für dieselbe Anwendung auf den Markt gebracht, das von der Konzeption her mit dem Programm weitgehend identisch ist, welches für das Softwarehaus erstellt wurde; an einigen Stellen weist es jedoch wesentliche Verbesserungen auf und ist im Preis konkurrenzlos günstig.

Fehlen in dieser Situation vorausschauende vertragliche Regelungen, so ist der wirtschaftliche Erfolg der Entwicklung des Softwarehauses virulent gefährdet. Das Softwarehaus hat dann nämlich zur Erlangung eines rechtlichen Schutzes den Nachweis zu führen, daß es sich bei dem Konkurrenzprogramm um eine Kopie oder eine Bearbeitung des eigenen ñ urheberrechtlich geschützten - Programmes handelt oder daß eine identische Nachahmung beziehungsweise die Verwertung von Betriebsgeheimnissen vorliegt. Daß der Nachweis solcher Dinge erhebliche Schwierigkeiten und großen Aufwand mit sich bringt, liegt auf der Hand.

Regeln über die Geheimhaltungspflichten

Zu berücksichtigen sind deshalb in vertraglichen Vereinbarungen mit Programmierern Regeln über Geheimhaltungspflichten und Konkurrenzschutz (vergleiche hierzu OLG Karlsruhe vom 26. 10. 1983) sowie gegebenenfalls Vereinbarungen über Vertragsstrafen zur Sicherung dieser Vereinbarungen.

Die vertraglichen Regelungen müssen begleitet werden von Maßnahmen der Arbeitsorganisation und Arbeitsaufteilung. Nur eine dezidierte Zugangskontrolle und Regelung der Benutzerrechte kann in der Praxis für den Unternehmer einen hinreichenden Schutz bieten. So wird ein zweigleisiger Schutz gewährleistet in Form einer tatsächlichen Verhinderung unerwünschter Nutzung und - für die in der Praxis nicht ausschließbaren Fälle des Mißbrauchs - einer rechtlichen Sanktionierung.

Kündigungsausschluß nur für kurzen Zeitraum

So wie in allen Bereichen, in denen längere projektbezogene Arbeiten ausgeführt werden, kann auch im Bereich der Softwareerstellung ein Mitarbeiterwechsel einschneidende Folgen haben. Dies hängt damit zusammen, daß die Vorkenntnisse des im Projekt beschäftigten und gegebenenfalls ausscheidenden Mitarbeiters aufgrund einer längeren Projekttätigkeit unter Umständen derart umfangreich sind, daß für einen Nachfolger eine Einarbeitung nur mit entsprechendem zeitlichen Aufwand möglich ist. Es kann sich zwar aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für den Programmierer das Verbot ergeben, das Vertragsverhältnis zur Unzeit zu kündigen. Allerdings sind die Voraussetzungen für einen Kündigungsausschluß aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben recht hoch; ein Kündigungsausschluß beschränkt sich stets nur auf einen kurzen Zeitraum.

Unter Umständen kann es sich deshalb empfehlen, bei projektbezogenen Programmierarbeiten eine Kündigung vor Abschluß des Projektes und Einführung der Software beziehungsweise bis zum Ende einer gewissen Einführungsphase auszuschließen. Vor Vereinbarung eines derartigen Kündigungsvertrages ist allerdings stets der Sicherheitsaspekt mit zu beachten, der relevant werden kann, wenn ein Programmierer kündigen will, jedoch vertraglich daran gehindert ist. Eine Abwägung dieser widerstreitenden Gesichtspunkte ist in jedem Einzelfall vorzunehmen.

Eine in der Praxis häufig auftretende Frage bezieht sich darauf, ob dem Programmierer eine besondere Vergütung zusteht, wenn sein Vertragspartner einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Programm zieht. Von besonderer Aktualität ist diese Frage dann, wenn die Erstellung des Programms nicht zu der vertraglichen Haupttätigkeit, sondern zu den Nebenaufgaben des Programmierers zählt.

Die Forderung nach einer besonderen Vergütung wird meist unmittelbar auf Vorschriften des Urheberrechts, insbesondere auf die Regelung in Paragraph 36 UrhG gestützt. Hierbei ist in der Praxis zu beobachten, daß mit Rücksicht auf eine ungestörte Nutzung und Vermarktung von Programmen dem Vergütungsverlangen häufig nachgegeben wird.

Auch im Verhältnis zu frei arbeitenden Programmierern sind Fälle, in denen sich eine Vergütungserhöhung aus Paragraph 36 UrhG ergeben kann, sehr selten.

Teleprogrammierung

scheint besonders attraktiv

Moderne Techniken der Datenübertragung und die ständige Erweiterung von Netzen und Systemen ermöglichen heute besondere Organisationsformen der Arbeit von Programmierern.

Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Einsparungsmöglichkeiten erscheint die sogenannte Teleprogrammierung, die Programmierung in Heimarbeit, besonders attraktiv. Da sich aus dem Heimarbeitsgesetz eine Vielzahl von einschränkenden Vorschriften ergeben können, ist für den Unternehmer bei der Vertragsgestaltung zu beachten, ob Heimarbeit im Sinne dieses Gesetzes vorliegt und ob dies gewünscht ist. Gegebenenfalls lassen sich durch geringe Umgestaltungen insofern Komplikationen vermeiden.

Aus organisatorischen Gründen führen angestellte Mitarbeiter von EDV-Unternehmen vielfach Arbeiten unmittelbar beim Kunden durch. Dies gilt für die Entwicklung von Software, für die Installation von Hard- und Software sowie die Einführung und Schulung von vollständigen Systemen. Hierbei kann die Arbeit einen erheblichen Umfang annehmen und - je nach Konstellation - als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingestuft werden.

Auch wenn dies auf den ersten Blick abwegig erscheint, so ist doch in der Praxis zu verzeichnen, daß intensive Nachforschungen von der Arbeitsverwaltung in diese Richtung angestellt werden.

Die hierbei zur Anwendung gebrachten Merkmale und Abgrenzungskriterien einer Arbeitnehmerüberlassung sind komplex und können nur aufgrund einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall zur Bejahung oder Verneinung von Arbeitnehmerüberlassungen führen.

Vorsicht bei "Leiharbeitgebern"

Es sind die empfindlichen Folgen einer Einstufung als Arbeitnehmerüberlassung, die eine sorgfältige Prüfung in tatsächlicher beziehungsweise rechtlicher Gestaltung von umfangreichen Arbeiten angestellter Programmierer bei Kunden unerläßlich erscheinen läßt: Fehlt dem "Leiharbeitgeber" in einem solchen Falle die erforderliche behördliche Erlaubnis, so sind zunächst in zivilrechtlicher Hinsicht sämtliche abgeschlossene Verträge nichtig. Dies gilt sowohl für die Arbeitsverträge zwischen den EDV-Unternehmen und seinen - verliehenen - Mitarbeitern, als auch für die mit dem Kunden geschlossenen Verträge.

Zudem kann die Arbeitsverwaltung Bußgelder bis zu 50 000 Mark und auch darüber hinaus verhängen. Bei Beteiligung ausländischer Arbeitnehmer sind sogar strafrechtliche Sanktionen zu befürchten.

Die vorstehenden Beispiele zeigen, daß eine Vielzahl von rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten bei der Gestaltung von Vertragsverhältnissen mit Programmierern zu beachten sind, um die ungestörte Verwertung von Programmen sicherzustellen - eine Tatsache, die in der Praxis erheblich mehr Beachtung verdient.