Chancen von älteren Arbeitnehmern

Berufserfahrung spielt bei komplexen Aufgaben die herausragende Rolle

31.03.2000
Warum tun sich ältere Mitarbeiter so schwer, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen? Ein CW-Gespräch* mit Ullrich Günther, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Nordostniedersachsen in Lüneburg.

CW: Ältere Arbeitnehmer haben am Arbeitsmarkt schlechte Karten. Sind sie tatsächlich weniger leistungsfähig, wie immer argumentiert wird?

Günther: Generell kann man eine Veränderung in der Leistungsfähigkeit aufgrund des Alters konstatieren. So lassen bei Älteren häufig die Sinnesleistungen nach, wie die Sehschärfe oder das Hörvermögen. Bei den IT-Mitarbeitern spielen aber eher kognitive Fähigkeiten wie das intellektuelle Niveau eine wichtige Rolle. Hier muss man ganz klar sagen: Mit dem Alter nehmen das Wissen und der Erfahrungsschatz zu, was ein großer Pluspunkt ist. Eine Abnahme im intellektuellen Bereich gibt es, wenn in kurzer Zeit einfache Aufgaben zu lösen sind. Bei simplen Additionsaufgaben sind junge Leute meist besser. Wenn jedoch hochkomplexe Aufgaben zu lösen sind und Entscheidungen getroffen werden müssen, dann steht Hintergrundwissen an vorderster Stelle. Dann spielt die Berufserfahrung der Älteren eine herausragende Rolle.

CW: Welche Probleme treten auf, wenn ältere ehemalige Führungskräfte wieder in einem jungen Team auf einer niedrigen Hierarchiestufe anfangen?

Günther: Bei den Japanern geben Führungskräfte in der Regel mit 55 ihren Job auf und nehmen in einem anderen Unternehmen einen schlechter qualifizierten Job an. Möglich ist aber auch ein Beratervertrag mit ihrem bisherigen Arbeitgeber. Ähnliche Lösungen gibt es ja auch in Deutschland in Form des Senioren-Expertendiensts, wo die Tätigkeit schon fast ehrenamtlich ist. Dort werden ältere hochqualifizierte Experten mit einer deutlich niedrigeren Vergütung meist als Berater ins Ausland geschickt. Das neue Rollenverhalten ist einfacher mit neuen Kollegen. Problematisch wird es dann, wenn jemand nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit mit einem niedrigeren sozialen Status wieder neu anfangen muß.

CW: Was muss getan werden, damit die Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt klappt?

Günther: Voraussetzung ist, dass die Älteren bereit sind, sich wieder auf etwas Neues einzulassen, und die Jüngeren ebenfalls die Neugier und Toleranz aufbringen, mit Leuten aus anderen Altersgruppen zusammenzuarbeiten - ähnlich wie in einem interkulturell zusammengesetzten Team. Auch die Personalabteilungen sind dringend gefordert, sich um solche Teams zu kümmern.

CW: Warum ist es vor allem für ältere Arbeitslose so schwierig, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen?

Günther: Generell gesehen werden Arbeitslose querbeet durch alle Altersgruppen heute immer noch stigmatisiert. Dabei gehören zu einer Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse auch Phasen der Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit. Amerikanische Soziologen diskutieren darüber, ob Unternehmen in Zukunft überhaupt noch die üblichen Firmenkarrieren anbieten sollen. Sie mutmaßen, dass es immer häufiger zeitlich befristete Jobs geben wird. Man wird nur noch für drei Jahre zum Abteilungsleiter ernannt und muss dann wieder auf einen anderen Job umsteigen, vielleicht dann als einfaches Teammitglied. Diese Entwicklung lässt sich durchaus hinterfragen: Ist es noch human, wenn die erwartete hohe gesellschaftliche Flexibilität erzwungen wird? Inwieweit belastet es die Beschäftigten psychisch, wenn sie keine freie Wahl mehr haben?

*Das Gespräch führte Veronika Renkes, freie Journalistin in Bonn.