Berufsbilder in der Org.DV unterliegen einem raschen Wandel

18.07.1986

Die zunehmenden technischen Möglichkeiten der DV haben in der Vergangenheit zu völlig neuen Berufsbildern geführt und machen deshalb eine Umstrukturierung der herkömmlichen DV-Berufe erforderlich. Den "klassischen" Programmierer gibt es beispielsweise bei der Allgemeinen Kreditversicherung in Mainz kaum noch. Org./DV-Leiter Ingo Reiss verlangt im Gegensatz zu früher von seinen Systemplanern statt Softwareerfahrung umfassende Kenntnisse in der Projektdurchführung - von der Konzeption bis zur Implementierung. PC-Berater, Datenbank-Manager und TP-Koordinator - dies alles sind neue Aufgabenbereiche, die auch in der Org./DV-Abteilung der Verlagsgesellschaft Madsack zunehmend Verbreitung finden. Der Personalcomputer führt zu Änderungen von bestehenden Systemstrukturen und Organisationsformen. Hierbei ist nach Ansicht von Personalleiter Herbert Flecken allerdings die Kooperation aller Beteiligten gefordert.

Rabinder Nayar

Leiter der Abteilung CAD/CAE-Verfahren, Kraftwerk Union AG, Offenbach

Wir haben im Jahre 1979 mit Computer Aided Design (CAD) und Computer Aided Engineering (CAE) im Anlagenbau begonnen, nachdem wir die ersten Erfahrungen im Bereich der Elektro- und Leittechnik Mitte der siebziger Jahre gesammelt hatten. Der Einstieg in diese neuen Techniken brachte verschiedene strukturelle Veränderungen mit sich. Die Zeichner, die bisher manuell gearbeitet hatten, wurden in den Umgang mit Tools (Werkzeuge) für das elektronische Reißbrett eingewiesen und werden jetzt CAD-Operator genannt. Die Grundschulung hierfür nahm etwa zwei Wochen in Anspruch.

Darüber hinaus ist als neue Funktion der CAD-Programmierer/-Verfahrensentwickler hinzugekommen, der die Software für grafische Aufgaben entwickelt. Primär beschreibt der sogenannte CAE-Verfahrensentwickler die Ablaufanalyse, erstellt die Pflichtenhefte und führt die Kosten-Nutzen-Analyse durch, bevor der Programmierer die Anwendungssoftware für die Grafikprogramme erstellt. Neu hinzugekommen ist des weiteren die Funktion des Systemmanagers, der das Betriebssystem und die grafische Grundsoftware betreut. Dieser Mitarbeiter wird außer Haus beim Hersteller ausgebildet und arbeitet direkt in der CAD/CAE-Abteilung. Die CAD-Schulung gehört zur Weiterbildung der KWU-Mitarbeiter und wird von einer speziell hierfür eingesetzten Organisationseinheit durchgeführt.

Für die nächsten Jahre erwarte ich, daß sich weitere 300 bis 400 Kollegen in unserem Unternehmen mit diesen neuen Arbeitsmitteln auseinandersetzen werden. Auch ist abzusehen, daß der Beruf des CAD/CAE-Verfahrensentwicklers zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Eine besondere Rolle wird im Anlagenbau die koordinierte Einplanung von Komponenten in den Gebäuden mit der CAE-Technik erlangen. Bisher haben die Anlagenplaner zu diesem Zweck aufwendige Plastikmodelle im Maßstab 1 zu 25 erstellt. In einigen Jahren wird es die Möglichkeit geben, Anlagen (Kraftwerke) dreidimensional auf dem Bildschirm darzustellen. Dadurch könnte man bereits am Rechner kollisionsfreie Planungen durchführen. In Teilbereichen gibt es heute schon solche 3D-Modelle, die jedoch noch nicht wirtschaftlich genug sind.

Ingo Reiss

Leiter Organisation und DV, Allgemeine Kreditversicherung, Mainz

In wenigen Abteilungen unsers Hauses haben sich die Aufgabeninhalte so stark verändert wie in der Org./DV. Ein starkes Unternehmenswachstum, steigende Wichtigkeit der Informationsverarbeitung für unsere Produkte und zunehmende technische Möglichkeiten machen eine Umstrukturierung der Aufgaben nötig.

Das Berufsbild des Organisators verändet sich zweifach. Einerseits erkennen wir eine Rückbesinnung auf klassische Organisationstugenden: Arbeitsplatzanalysen; Abläufe hinterfragen, vereinfachen und verbessern; einen vorherrschenden Taylorismus durch ganzheitliche Arbeitsabläufe zu überwinden; von der wirtschaftlichen Problemlösung ausgehen statt einer Orientierung am technisch Machbaren. Andererseits ist eine moderne Organisationsarbeit heute nicht ohne die Einbeziehung neuer Möglichkeiten der Bürokommunikation denkbar, dort wo dies wirtschaftlich sinnvoll ist. So setzen wir zum Beispiel die in eine DV-Vorgangsbearbeitung eingebetteten Möglichkeiten von Telex, Teletex, Textverarbeitung und elektronischer Hauspost ein. Daher erwarten wir von unseren Organisatoren eine sehr gute Kenntnis der DV-Verfahren. Die technischen Möglichkeiten verstehen, einbringen und auf die konkreten Unternehmensbedürfnisse hin bewerten, ist eine wesentliche Anforderung an heutige Organisatoren.

Das Berufsbild des Systemplaners hat sich mit dem Einsatz eines fortschrittlichen DB/DC-Systems nebst unterstützenden Werkzeugen sehr drastisch verändert. Den klassischen Programmierer gibt es bei uns kaum noch. Statt (Software-) technologischer Spezialkenntnisse sind umfassende Kenntnisse der Projektdurchführung von der Konzeption bis zur Implementierung einschließlich des Projektmanagements sowie eine hohe Durchdringung des bearbeitenden Fachgebietes gefragt. Wir bauen gerade bei dem hohen Integrationsgrad unserer DV-Anwendungen immer mehr auf Generalisten, die jedoch die Fähigkeit zur Umsetzung ins Detail und zum ingenieurmäßigen Vorgehen mitbringen. Neben einem Hochschulstudium setzen wir auch die Fähigkeit voraus, mit den Benutzern in ihrer Sprache zu sprechen.

Völlig neue Berufsbilder sind bei uns entstanden oder im Entstehen begriffen. Beispielsweise verlangt eine komplexe Datenbank mit integriertem Data Dictionary die Funktion eines Datenadministrators. Zudem antworten wir mit der Funktion des Anwendungsberaters auf den steigenden Erklärungs- und Einführungsbedarf, der durch neue Medien und neue Möglichkeiten der Informationsverarbeitung entsteht (Stichwort: Externe Wirtschaftsdatenbanken).

Schließlich ist die Sekretariatsfunktion innerhalb der Org./DV weiter zu fassen. Neben Aufgaben in Administration, Abwicklung und Dokumentation kommen immer stärker Aufgaben der Projektdurchführung und des Experimentierens beim Einsatz neuer Techniken hinzu. Moderne Org./DV-Sekretariate können als Multiplikator wirken, wenn sie Schulungsaufgaben und die Vorreiter- und Vorbildrolle übernehmen. Diese Aufgabenerweiterung verlangt neben einer DV-Basis und Begeisterungsfähigkeit vor allen Dingen Offenheit gegenüber neuen Vorgehensweisen.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der sehr rasche Wandel der Berufsbilder innerhalb der Org. und DV uns weiterhin privilegiert, ständige Weiterbildung, Aufgabenerfüllung und Herausforderung im Beruf zu finden.

Herbert Flecken

Personalleiter, Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co., Hannover

Welcher DV-Mitarbeiter kennt nicht den Up- und Download, die Host-PC-Kommunikation, den 16-Bit-Prozessor, die Advanced-Technology, die Emulationen und Adapter - all die Funktionen, die den Personalcomputer in die bestehende informationstechnische Organisationsstruktur der Unternehmen einbinden und die Bearbeitungsweise von Geschäftsvorgängen am einzelnen Arbeitsplatz unterstützen.

Hier ist die Kooperation aller Beteiligten, des Anwenders und der herkömmlichen DV gefordert. Der PC-Berater in der Org./DV-Abteilung: Ein neues Berufsbild? Der Datenbank-Manager, der den Host-Zugriff vom PC aus ermöglicht und den Anwender in der Fachabteilung unterstützt, die neuen Möglichkeiten des direkten Zugriffs zu verwirklichen. Der Arbeitsvorbereiter der die Massendatenübermittlung vom Upload entgegennimmt, um sie der entsprechenden Anwendung auf dem Großsystem zur Verfügung zu stellen. Der TP-Koordinator der den PC innerhalb eines Netzwerkes (LAN) unabhängig von den vorhandenen Terminals zur Datenaufbereitung dezentral vorbereitet. Der PC-Berater, der Betreuer der "Homeworker" von morgen?

Netzwerke verbinden die PC und leiten eine Entwicklung der objektorientierten gesamtheitlichen Bearbeitung von Geschäftsvorgängen am einzelnen Arbeitsplatz ein. Der Personalcomputer führt zu Änderungen von bestehenden Systemstrukturen und Organisationsformen. Dieses zu begleiten in Kooperation mit allen Beteiligten im Unternehmen ist Aufgabe der Org./DV-Mitarbeiter. Die DV hat neben den Kundenwünschen auch steigende Qualitätsanforderungen an die Informationsverarbeitung, die sich klein aber fein zur Fachebene hinentwickelt.

Beispiel hierfür ist die eingesetzte Standardsoftware, die tunlichst auch Standardsoftware bleiben soll. Diese würde durch unternehmensindividuell entwickelte Zusatzbausteine nur wartungsaufwendig und schwierig zu handhaben sein. Unternehmensindividuell sollte auf der Fachebene gearbeitet werden. Der Personalcomputer leistet hierfür einen entscheidenden Beitrag. Er hat die Veränderungen der Qualifikationen im DV-Bereich bereits eingeläutet.