Ende eines Online-Abenteuers

Bertelsmann räumt seinen E-Commerce-Bereich auf

07.12.2001
MÜNCHEN (CW) - Der Medienkonzern Bertelsmann hat sich von seinem E-Commerce-Protagonisten Andreas Schmidt getrennt. Gleichzeitig wird die Bertelsmann E-Commerce Group (BECG) wieder zurück ins Glied beordert. Vor dem Börsengang regiert die Kostendisziplin.

Mit dem Niedergang des Internet-Business sind auch die Geschäftsgrundlagen der BECG als eigenständiger Unit sowie der Job ihres Chefs Schmidt weggefallen. Zwar habe der elektronische Handel immer noch einen hohen Stellenwert im Medienkonzern, hieß es sogleich in Gütersloh, für eine eigenständige Stabsabteilung ist jedoch kein Platz mehr. Als Folge wird die BECG Ende des Jahres mit der Direktvertriebssparte Bemusic in der Direct Group von Vorstandsmitglied Klaus Eierhoff zusammengefasst. Dazu gehören unter anderem noch der Online-Buchladen Barnesandnoble.com sowie die Tauschbörse Napster.

Mit der Reintegration der E-Commerce-Abteilung ergeht es den E-Bertelsmännern wie ihren Online-Kollegen in anderen Unternehmen auch. Was zur Boomphase des Web noch als "strategische Säule" gehandelt wurde, ist nun lediglich ein weiterer direkter Vertriebskanal und rangiert in der Konzernhierarchie neben den 1950 gegründeten Buchclubs. Wegen des schwindenden Einflusses habe Schmidt das Unternehmen daher "auf eigenen Wunsch" verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu widmen, behauptet Bertelsmann-Sprecher Rocco Thiede.

Laut einem Bericht des "Spiegels" verlief der Abgang von Schmidt aber ganz und gar nicht freiwillig. Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff habe bereits vor Wochen von der Führungsebene des Konzerns striktes Kostenbewusstsein gefordert. Wenig später sei Schmidt in New York in einer Stretchlimousine gesichtet worden. Dies sei der Punkt gewesen, der für Middelhoff das Fass zum Überlaufen gebracht und die Entlassung herbeigeführt habe, hieß es in der Presse. Angesichts der hohen Verluste, die durch den elektronischen Handel in den vergangenen Jahren bei den Güterslohern aufgelaufen sind, dürfte Schmidts Position im Unternehmen jedoch ohnehin nicht mehr allzu stark gewesen sein.

Im Hintergrund der Gütersloher Aktivitäten steht immer noch der geplante Börsengang des Konzerns. Daher muss Vorstandschef Middelhoff versuchen, die Profitabilität des Unternehmens auch in den Randsegmenten zu gewährleisten. Im vergangenen Geschäftsjahr summierten sich die Konzernverluste im Internet-Bereich laut "Handelsblatt" auf knapp 890 Millionen Euro.

Hohe Verluste im WebAllein in Napster investierte Bertelsmann Berichten zufolge insgesamt rund 86 Millionen Dollar - ohne dass sich auf der Website inzwischen viel getan hätte. Wann der Dienst seinen dann kostenpflichtigen Dienst wieder aufnehmen soll, steht noch in den Sternen. Ob ihn dann noch jemand will, auch. (ajf)