Berners-Lee gibt Update zum Semantic Web

06.04.2006
Der WWW-Erfinder Sir Tim Berners-Lee versucht seit Jahren, seine nächste Vision eines "Semantic Web" endlich in die Tat umsetzen zu lassen.

Trotz aller Bemühungen auch des World Wide Web Consortium (W3C) will die "nächste Phase des Web" aber einfach nicht beginnen. Berners-Lee nutzte darum die MIT Information Technology Conference, um wieder einmal die Werbetrommel für das semantische Web zu rühren.

Worum geht es dabei? Grundidee hinter dem Semantic Web ist eine verbesserte gemeinsame Nutzung von Daten - auch solcher aus der "Vor-Web"-Zeit, die in Spreadsheets und Datenbanken schlummern. "Motiviert ist das Ganze durch all die Daten da draußen, die im Web stehen", erklärte Berners-Lee.

Unter anderem müssen diese Daten dazu so aufbereitet werden, dass Computer sie besser "verstehen" können. Die entsprechenden Techniken sind bereits vorhanden, zum Beispiel das Resource Description Framework (RDF). Dieses ist laut Berners Lee "für Daten das, was HTML für Dokument ist". RDF wiederum setzt auf Techniken wie XML (Extensible Markup Language), URIs (Universal Resource Identifiers) und weniger bekannte wie OWL oder SparQL auf.

Doch Anwender sind nur schwer vom Nutzen der neuen Technik zu überzeugen - laut Berners-Lee war es für die Leute aber auch schwierig, das World Wide Web zu verstehen, bevor es existierte. Außerdem gebe es noch andere Herausforderungen, etwa die Sicherheit der über das Semantic Web zugänglichen Daten. Diese seien aber überwindbar. Firmen könnten dann einen viel höheren Return on Investment aus ihren Daten ziehen, wenn sie diese selbst und gemeinsam mit vertrauenswürdigen Partnern durchforsten und verwenden könnten.

Berners-Lee schlug dann einen Zeitplan vor, über den sich Firmen schrittweise an das semantische Web heranarbeiten sollten. Bis zum Jahr 2008 sollten Unternehmen aus seiner Sicht verlangen, dass ihre Partner beginnen RDF zu nutzen, wenn es um die gemeinsame Nutzung von Daten geht, die für die Zusammenarbeit wichtig sind. Ein Jahr später könne man dann beginnen, erste Anwendungen auf Basis des Semantic Web zu entwickeln. Und 2011 könnten Anwender damit beginnen, bestimmte Altanwendungen auslaufen zu lassen und durch neue zu ersetzen, die nativ für das semantische Web gebaut worden seien.

Natürlich, scherzte er, solle jetzt kein Konferenzteilnehmer in seine Firma zurückkehren und dort den Leute, die sich dort um Legacy-Applikationen kümmerten, mit ihrer Abschaffung drohen. Viele solcher Anwendungen würden frühestens dann verschwinden, wenn auch ihre Betreuer in den Ruhestand gingen.

Als lobendes Beispiel für einen frühen Einsatz von Semantic-Web-Konzepten führte Berners-Lee das Imaging-Unternehmen Agfa an. Großes Interesse gebe es aufgrund der dort anfallenden enormen Datenmengen auch in den Branchen Life Sciences und Gesundheitswesen. Ein Erfolg in solch vertikalen Nischen könne der Schlüssel zur Verbreitung des semantischen Web werden, genauso wie ein paar Hochenergie-Partikelphysiker das World Wide Web losgetreten hätten.

Andere Sprecher widmeten sich beim MIT-Kongress Themen wie drahtlosen Netzen und Phishing-Angriffen. Einen Bericht von der Veranstaltung gibt es (in englischer Sprache) bei unseren US-Kollegen von der "Network World". (tc)