Entscheidung der Senatsverwaltung wird gerichtlich angefochten

Berlin: Streit über den Kauf einer Ämter-Datenbank

15.10.1999
MÜNCHEN (jha) - In den Bezirksämtern der Bundeshauptstadt Berlin ist ein Streit über eine Gewerbedatenbank-Software entbrannt. Auslöser war eine bereits 1997 entschiedene Ausschreibung, die von dem nicht berücksichtigten Anbieter juristisch angefochten wird.

Seit zwei Jahren schwelt bereits ein Streit, in den die zwei Anbieter GS Computerservice und Micos GmbH, verschiedene Bezirksämter, die Senatsverwaltung Berlin und mittlerweile auch der Bund der Steuerzahler involviert sind. Letzterer hatte in seinem diesjährigen Schwarzbuch die Anschaffung einer Software für die Gewerbedatenbank durch die Senatsverwaltung Berlin moniert, weil statt diesem Produkt auch ein wesentlich billigeres zur Verfügung gestanden hätte. Die ausgewählte Lösung, so der Bund der Steuerzahler, ohne Produkt und Anbieter zu nennen, sei im Test nicht einwandfrei gelaufen, habe mehrere K.o.-Kriterien nicht erfüllt, sei auf rund 100 damals noch in den Bezirksämtern genutzten 486er PCs nicht einsetzbar gewesen und koste im Betrieb mit 30000 Mark pro Jahr dreimal mehr als das Konkurrenzprodukt.

Bei dem gescholtenen Produkt handelt es sich um "Megewa" von der Micos GmbH in Bremen, das der Senat Berlin für rund 170000 Mark erworben hat. Der Hersteller GS Computerservice aus dem nordhessischen Eschwege zog mit seiner 52000 Mark teuren Lösung "PC-Klaus" den kürzeren. Beide Unternehmen konnten bereits Installationen in anderen öffentlichen Verwaltungen vorweisen, haben somit andernorts die Funktionsfähigkeit ihrer Angebote unter Beweis gestellt. Beide hatten zum damaligen Zeitpunkt auch ein Zertifikat vom Statistischen Bundesamt für ihre Produkte erhalten, das die Konformität der Lösungen mit dem von den öffentlichen Verwaltungen verwendeten Edifact-Standard bestätigt.

Doch genau da setzt Frank Schäfer seine Kritik am Ausschreibeverfahren an: "Micos hatte kein Zertifikat", prescht der Geschäftsleiter der GS Computerservice gegen seinen Konkurrenten Micos vor, der das Argument jedoch vehement bestreitet. Klarheit schafft das Statistische Bundesamt. Es bestätigte, daß das Produkt der Firma Micos in der Version 1.25 zwar zertifiziert worden war, im Test jedoch eine überarbeitete Variante eingesetzt wurde - formal also eine Verletzung eines K.o.-Kriteriums im Ausschreibeverfahren.

Diesem Vorwurf widersetzt sich Ralph Rappert, als Referent, Bereich Gewerberecht und Gewerbedatenbank bei der Senatsverwaltung Berlin, für die Einführung der Software zuständig. Die Zertifizierung, so Rappert, sei einer von rund 400 Abfragepunkten gewesen. "Ich muß davon ausgehen, daß die Punkte wahrheitsgemäß beantwortet werden", rechtfertigt er die Entscheidung für das Micos-Produkt. Erst im nachhinein hat sich herausgestellt, daß die Freigabe des Produkts durch das Statistische Bundesamt nicht eindeutig geregelt war. Die Micos-Software als Ganzes hatte kein Siegel der Bundesbehörde, wohl aber das darin enthaltene Edifact-Modul, das seit der letzten Zertifizierung nicht verändert worden war, argumentiert Rappert.

Mit vereinten Kräften werfen GS Computerservice, der Bund der Steuerzahler sowie das Bezirksamt Charlottenburg, das das Programm PC-Klaus geprüft hat, der Senatsverwaltung vor, ein im Test- wie auch im Feldbetrieb nicht problemlos laufendes Produkt angeschafft zu haben. Dem nicht berücksichtigten Hersteller GS Computerservice bestätigte dagegen die zuständige Stelle in Charlottenburg, ein sehr einfach zu bedienendes Programm geliefert zu haben, das den alten Datenbestand sauber übernommen habe. Zudem seien Probleme bei der Anwendung von der Hotline schnell und kompetent bearbeitet worden.

Die Gegenseite, vertreten durch den Anbieter Micos sowie die Senatsverwaltung als für die Einführung verantwortliche Instanz, bestreiten die Vorwürfe. Zwar sei, so bestätigt Ulrich Schlobinski, einer der Micos-Geschäftsführer, das Konkurrenzprodukt PC-Klaus tatsächlich eingängig zu bedienen und auch billiger, dem stünden jedoch technische Vorzüge von Megewa gegenüber, wie zum Beispiel das Objektmodell. Probleme der Software in der Test- und der Einführungsphase räumt der Manager ein: "Das waren aber keine außergewöhnlichen Dinge, sondern Schwierigkeiten, die bei jedem Projekt dieser Größenordnung auftreten." Mittlerweile laufe die Software in allen 23 Bezirksämtern, und das sogar, so der Micos-Geschäftsführer, auf 486er PCs.

Warum die Emotionen bei diesem Projekt so hochkochen, ist schwer nachvollziehbar. Unglücklich war sicher die Testkonstellation, in der jeweils drei Bezirksämter ein Produkt in Augenschein nehmen sollten, also kein Bezirksamt einen direkten Vergleich zwischen den Produkten anstellen konnte. Rappert rechtfertigt diese Vorgehensweise mit den knappen IT-Ressourcen, über die die Ämter verfügen.

Die Firma Micos durchlief diese Prozedur mit der Software Megewa vollständig, wogegen das Produkt PC-Klaus nur in dem Bezirksamt Charlottenburg auf Herz und Nieren durchleuchtet wurde - ungleiche Testvoraussetzungen also, wofür laut Rappert GS Computerservice jedoch selbst verantwortlich zeichnet, da das Unternehmen die Routine zur Übernahme des Altdatenbestands nicht rechtzeitig lieferte. Gemeinsam habe man sich darauf geeinigt, nur noch in dem Bezirk mit dem größten Datenbestand zu testen, das war Charlottenburg.

Klage abgewiesen, Berufung angekündigt

So steht Aussage gegen Aussage, und der Streit wird wohl vor Gericht entschieden. Aus der ersten rechtlichen Auseinandersetzung ging die Senatsverwaltung als Sieger hervor. Das Landgericht Berlin lehnte die Klage von GS Computerservice ab. Allerdings kündigte der Geschäftsleiter von GS Computerservice bereits eine Berufung an, in der, so seine Hoffnung, auch Sachverständige gehört werden. Das, so Schäfer, sei in der ersten Instanz nicht geschehen. Auch eine Beweisaufnahme habe nicht stattgefunden.