Studenten lernen an realen Problemen

Berater von morgen im Praxiseinsatz

10.08.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Viele Firmen zweifeln, ob sie Bachelor-Absolventen mit 22 Jahren auf Kunden loslassen können. Hochschullehrer Ansgar Richter hat dennoch gute Erfahrungen damit gemacht, dass Studenten an realen Beratungsprojekten lernen.

COMPUTERWOCHE.de: Sie lehren an der EBS, Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden, Strategie und Organisation. Wie bereiten Sie die Studenten auf ihre späteren Aufgaben als Führungskräfte vor?

Ansgar Richter, EBS: "Wir bieten ein spezielles Studienformat an, eine so genannte Consulting Field Study. Dabei lernen Studenten echte Probleme aus ausgewählten Firmen kennen und suchen nach Lösungen."
Ansgar Richter, EBS: "Wir bieten ein spezielles Studienformat an, eine so genannte Consulting Field Study. Dabei lernen Studenten echte Probleme aus ausgewählten Firmen kennen und suchen nach Lösungen."
Foto: Privat

Ansgar Richter: Wir haben eine Vielzahl an Instrumenten: ein individuelles Coaching-Programm, die Arbeit in Kleingruppen oder studentische Ressorts sind nur einige Stichworte. Im Master-Studium bieten wir ein spezielles Studienformat an, eine so genannte Consulting Field Study. Dabei lernen die Studenten anhand konkreter Aufgaben echte Probleme aus ausgewählten Firmen kennen und suchen gemeinsam nach einer Lösung. Während des gesamten Projekts stehen ihnen Betreuer zur Seite.

Wenden sich Firmen an Ihre Hochschule, deren Vertrieb oder Marketing nicht rund läuft und für die Ihre Studenten Lösungen erarbeiten sollen?

Richter: Die Firmen kommen tatsächlich auf uns zu, schildern ihre Probleme und möchten mit uns zusammenarbeiten. Nicht jedes Thema eignet sich, manche Aufgaben sind zu komplex, um sie in einem Semester zu lösen, für andere Projekte müssten die Studenten viel Zeit im Unternehmen verbringen. Doch finden sich immer passende Aufgaben. Mit einigen kleineren und mittelständischen Firmen arbeiten wir seit vielen Jahren eng zusammen. Mittlerweile erhalten wir viel mehr Anfragen als wir bewältigen können.

Wie gut sind die Ergebnisse der studentischen Lösungsansätze?

Richter: Der Ansporn bei den Studenten ist natürlich viel größer als bei theoretischen Studienprojekten. Meistens arbeiten sie in Teams von zehn bis 13 Teilnehmern. Sie erfahren hier besonders hautnah, was es heißt, sich als Team zu organisieren, Aufgaben aufzuteilen und für jedes Teammitglied die passende Aufgabe zu finden. Das ist nicht immer ganz einfach. Doch die Ergebnisse am Schluss sind häufig sehr gut.

Womit haben die studentischen Berater die größten Schwierigkeiten?

Richter: Oft konzentrieren sie sich sehr stark auf die Fakten, bereiten sie analytisch auf und präsentieren sie in gut strukturierten Vorträgen. Wenn es darum geht, Handlungsempfehlungen abzuleiten, trauen sich viele nicht. Genau das interessiert die Firmen. Auch wenn die Informationsbasis lückenhaft ist und Schätzungen notwendig werden, zögern viele Studenten. An Wahrscheinlichkeiten und Prognosen trauen sie sich oft noch nicht heran.

Was erwarten Unternehmen von Absolventen?

Richter: Das Beherrschen von Technologie wird vorausgesetzt, dazu zählen Apps genauso wie internetbasierte Anwendungen und Social Media. Allerdings merken wir auch, dass sich gerade kleinere Firmen nur schwer an die neuen Studienabschlüsse gewöhnen. Wenn sich ein Bachelor-Absolvent mit 21 oder 22 Jahren bei ihnen bewirbt, sind sie unsicher, was sie ihm zutrauen und wann sie ihn zum Kunden schicken können. Größere Beratungsunternehmen kommen inzwischen gut klar. Sie haben eigene Programme entwickelt, um die neuen Mitarbeiter in ihre Organisationsstrukturen zu integrieren.

Mittlerweile hat sich das konsekutive Studium mit den Abschlüssen Bachelor und Master etabliert. Mit welchem Abschluss verlassen die meisten Absolventen Ihre Hochschule?

Erst Bachelor und Master? Oder zwischendrin in's Berufsleben und dann wieder an die Uni? Die Generation Y hat heute viele Möglichkeiten.
Erst Bachelor und Master? Oder zwischendrin in's Berufsleben und dann wieder an die Uni? Die Generation Y hat heute viele Möglichkeiten.
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Richter: In den ersten Jahren nach der Studienreform 2005 haben 80 Prozent an den Bachelor gleich einen Master angehängt und sind erst dann ins Arbeitsleben gestartet. Im Jahr 2013 sieht es ganz anders aus. Viele sammeln nach dem Bachelor erst einmal Berufserfahrung und gehen dann zurück an die Hochschule. Auch die Mobilität hat zugenommen. Bei uns bewerben sich viel mehr externe Bachelorabsolventen für das Master-Studium, gleichzeitig nutzen viele unserer Absolventen die Chance, noch eine andere Hochschule kennenzulernen. Der Austausch zwischen Hochschule und Praxis kommt auf jeden Fall den Absolventen und ihren Arbeitgebern zu Gute.

Ansgar Richter lehrt an der privaten Hochschule EBS, Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden, Strategie und Organisationsberatung. Der studierte Philosoph wechselte nach dem Magisterabschluss an die London School of Economics. Dort erwarb er einen Master in Industrial Relations and Personnel Management sowie einen PhD in Management; habilitiert wurde Richter an der EBS in Oestrich-Winkel. Zwischen den akademischen Abschlüssen sammelte Richter Berufserfahrung als Unternehmensberater bei McKinsey in Frankfurt am Main.

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