Überblick über das Spektrum der LAN-Techniken und Möglichkeiten:

Benutzungsrechtlich noch wie DV-Anlagen behandelt

30.05.1986

"Gesichertes Wissen in Kurzfassung" zum Thema Netzwerke vermittelt der folgende Beitrag von Heinz Pfannschmidt.* Er setzt auf dem Umweg über die Historie die heutigen Netzwerkformen in Relation zueinander (auch zu Nebenstellenanlagen, PBX = Private Branche Exchange) und deckt mit einer Reihe wichtiger Informationen zu Kosten und Nutzen so wie postalischen "Randbedingungen" das Thema LAN für einen gründlichen Einstieg in die komplexe Materie ab. Kommunikationsanlagen der vierten Generation werden die Nur-LANs einmal ablösen, und zwar über Integration der PBX, sagt der Autor voraus, was natürlich auch benutzungsrechtliche Konsequenzen haben wird.

Seit Jahrzehhten werden zur innerbetrieblichen Sprachkommunikation Fernsprechnebenstellenanlagen eingesetzt, welche die Sprachsignale in analoger, neuerdings auch in digitaler Form durchschalten. Mit der wachsenden Nutzung des Telex-Dienstes kamen dienstspezifische Textnebenstellenanlagen hinzu, die eine vom Fernsprechnetz getrennte, aber ebenfalls sternförmige Verkabelung im innerbetrieblichen Bereich erforderlich machten.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Text-, Daten- und Bildverarbeitungssystemen, die den Bedarf an innerbetrieblichen Kommunikationsmöglichkeiten laufend erhöhten, entstanden im vergangenen Jahrzehnt sogenannte Local Area Networks (LANs) mit dem Ziel, ökonomische Lösungen für diesen Kommunikationsbedarf bereitzustellen. Ihre Architektur weicht von der Sternform der Leitungsnetze traditioneller Nebenstellenanlagen ab und baut auf Bus-, Baum- oder Ringstrukturen auf. Die Bandbreite des vom LAN bereitgestellten Übertragungsmediums liegt für Basisbandsysteme, die ihren Einsatzschwerpunkt zur Vernetzung von Workstations auf "Abteilungsebene" haben, im Bereich einiger 100 KBit pro Sekunde bis zu etwa 10 KBit pro Sekunde, während Infrastruktur-orientierte LANs, die die Verkabelung eines gesamten Firmengeländes ermöglichen, durch Anwendung von Frequenzmultiplex- und/oder Zeitmultiplextechnik Bitraten bis zu einigen 100 MBit pro Sekunde erreichen können. Die angeschlossenen Einrichtungen - Workstations, Datenverarbeitungsanlagen, Server für Protokollkonversion, Gateways zu öffentlichen Netzen etc. - können auf das Übertragungsmedium weitgehend individuell gesteuert zugreifen und für eine begrenzte Zeitdauer die volle Bandbreite beziehungsweise die Bandbreite eines Kanals nutzen. In diesem Sinne gehören die LANs in die Klasse der paketvermittelnden Netze.

Einerseits haben die unterschiedlichen Anforderungen an Sprach-, Text- und Datenkommunikation zur Schaffung getrennter lokaler Netze geführt, andererseits zwingen jedoch wirtschaftliche Gründe sowie der Bedarf an neuen Kommunikationsdiensten und die Anpassung an ISDN zu Überlegungen, möglichst alle Dienste in einem gemeinsamen Netz zu integrieren. In einem weiteren Entwicklungsschritt werden aber in Zukunft Fernsprechnebenstellenanlagen und LANs zu Kommunikationsanlagen der vierten Generation verschmelzen. In der noch jungen Geschichte lokaler Netze sind bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Vorschläge und Realisierungen bekanntgeworden. Alle Lösungen haben (nach IEEE und ISO) folgende grundlegende Eigenschaften gemeinsam:

- paketorientierte Datenkommunikationssysteme,

- begrenzte Ausdehnung im "Inhouse"-Bereich;

- Anschluß unabhängiger Systeme und Endgeräte;

- hohe Datenrate;

- hohe Übertragungssicherheit.

Lokale Netze dienen im wesentlichen der Bereitstellung nachfolgender Kommunikationsfunktionen, die für jede der angeschlossenen Workstations verfügbar sind:

- gemeinsame Nutzung zentraler Ressourcen, wie Kabel, Massenspeicher, Drucker, Gateways/Relais, Protokollwandler etc.;

- Nachrichten-Transfer;

- Informationsspeicherung/Ausgabe (Storage/Retrieval);

- Vermittlungs-/Routine-Funktionen.

Trotz dieser funktionalen Gemeinsamkeit unterscheiden sich die bekanntgewordenen Realisierungen lokaler Netze in der Netzstruktur, dem angewandten Zugriffsprotokoll, der Anzahl der verfügbaren Übertragungskanäle, dem Übertragungsmedium und dem Dienstangebot. Nachfolgend werden die wesentlichen Unterschiede kurz umrissen.

Die Strukturen

Bus-, Baum- und Ring-Strukturen sind die bekanntesten Formen der Vernetzung, welche in lokalen Netzen zur Anwendung kommen.

Ein Bus besteht aus einem Übertragungsmedium, beispielsweise einem Koaxialkabel, an das die Sender und Empfänger sämtlicher Stationen über passive, hochohmige Abzweigungen angeschlossen sind, so daß die Abtrennung einer Station den Bus nicht unterbricht. Auf einem bidirektionalen Bus darf zur gleichen Zeit nur jeweils eine Station ein Signal aussenden, das sich in beide Richtungen auf dem Kabel ausbreitet und von allen angeschlossenen Stationen empfangen werden kann. Besteht der Bus nur aus passiven Komponenten ohne Zwischenverstärkung, ist die erreichbare räumliche Ausdehnung bei noch vertretbarer Sendeleistung der Stationen sehr begrenzt.

Auf einem unidirektionalen Bus werden die Signale nur in eine Richtung gesendet, deshalb werden entweder zwei unabhängige Kabel benötigt oder auf dem gleichen Kabel müssen durch Frequenzmodulation beide Übertragungsrichtungen integriert werden. Zur letzteren Klasse der Breitband-LANs gehören die in der Fabrikautomatisierung (MAP) eingesetzten Syteme gemäß IEEE 802.4, welche durch Einsatz von Verstärkern in Standard-75-Ohm-CATV-Technik eine räumlich unbegrenzte Verkabelung in einer Baum-Struktur ausgehend von einer Kopfstelle ermöglichen.

Unter einem Ring versteht man ein Übertragungsmedium, das aus einer geschlossenen Kette von Punkt-zuPunkt-Verbindungen zwischen aufeinanderfolgenden Stationen besteht, die jeweils einen Sender und Empfänger enthalten. Wenn eine Station kein eigenes Signal absendet, werden die empfangenen Bits auf der Sendeseite unverändert mit einer Verzögerung von wenigen Bitdauern weitergesendet. Wenn dies von allen Stationen korrekt ausgeführt wird, verhält sich der Ring wie ein umlaufender Speicher mit einer Kapazität, die von der Gesamtverzögerung in den Stationen und den Leitungsabschnitten abhängt. Neben dem reinen Kopieren der empfangenen Bits kann eine Station diese auch zur weiteren internen Verarbeitung lesen und diese empfangene Information durch Aussenden neuer Information überschreiben. Im Prinzip können mehrere Stationen zur gleichen Zeit kopieren und schreiben, so daß zum Beispiel gleichzeitig ein Datenfluß von Station A nach Station B und umgekehrt stattfinden kann. Diese für leitungsvermittelte Dienste vorteilhafte Eigenschaft wird bei dem sogenannten "Cambridge-Ring" und dem Token-Ring-Verfahren nach IEEE 802.5 angewendet.

Ein wesentlicher Nachteil der Ringstruktur besteht in der Verletzlichkeit durch fehlerhafte Funktion einer Station oder Unterbrechung einer Leitungsverbindung. Dieser Nachteil kann durch Mäander-Strukturen und Vorkehrungen zur Überbrückung fehlerhafter Stationen oder Leitungsschnitte überwunden werden.

Zugriffsprotokoll

Da alle an ein LAN angeschlossenen Stationen Zugriff auf das gleiche Übertragungsmedium haben, müssen feste Regeln bezüglich Zugriffsberechtigung von denjenigen Stationen, die Daten absenden wollen, eingehalten werden. Dieses Problem kann entweder durch

- Kollisionsverhinderung (collision detection CD) oder

- Kollisionsverhinderung (collision prevention CP) gelöst werden.

Als am weitesten verbreitete Methode der Kollisionserkennung ist das CSMA/CD (carrier sense multiple access/collision detection) als IEEE 802.3 standardisiert worden. Das bekannteste Verfahren der Kollisionsverhinderung ist das Tokenpassing-Verfahren, welches in IEEE 802.4 (Token-Bus) standardisiert wurde. Als weiteres aussichtsreiches Verfahren ist der im sogenannten "Cambridge-Ring" angewandte Zeitschlitzmechanismus zu nennen.

Applikationsorientierte lokale Netze sind im allgemeinen Basisbandsysteme, das heißt, sie verfügen nur über einen Übertragungskanal im Gegensatz dazu erlauben infrastrukturorientierte, breitbandige LANs durch Anwendung von Multiplextechniken (FDM oder TDM) die Bereitstellung mehrerer Übertragungskanäle.

Bei dem Frequenzmultiplexverfahren (FDM) werden zum Beispiel CATV-Konfigurationen in Baum-Struktur mit einer Kopfstation benutzt, die die ankommenden Signale frequenzmäßig auf die Rückwärtskanäle umsetzt. Diese Technik entspricht bei Anwendung des Tokenpassing-bus-Zugriffsverfahrens dem IEEE-Standard 802.4. In einer anderen Methode werden mehrere 128KBit/s-Kanäle, für die jeweils das CSMA/CD-Verfahren angewendet wird, im Frequenzmultiplex übertragen. Ein zweiter Weg, mehrere Kanäle bereitzustellen, besteht in der Anwendung synchroner Zeitmultiplextechniken (TDM). Bei diesen Verfahren erzeugt ein "zentraler Taktgenerator" Zeitrahmen einer festen Länge, die sich in eine Anzahl von Kanälen unterteilt. Diese Methode ist zwar für bidirektionale Bussysteme nicht geeignet, hat aber vor allem für Ringstrukturen, an denen die Stationen bit- und rahmensynchron arbeiten, erhebliche Vorteile.

Übertragungsmedien

Geeignete Übertragungsmedien für lokale Netze sind

- verdrillte Leiterpaare, - Koaxialkabel und

- optische Lichtwellenleiterkabel.

Verdrillte Leiterpaare sind kostengünstig, weitgehend verfügbar in vorhandenen Verkabelungen und deshalb für applikationsorientierte, räumlich begrenzte lokale Netze bestens geeignet. Koaxialkabel sind derzeit das für LAN-Anwendungen am weitesten verbreitete Medium, vor allem wegen seiner im Vergleich zur optischen Verkabelung immer noch günstigeren Kosten, der relativ großen Bandbreite und der kommerziellen Verfügbarkeit einer großen Anzahl preisgünstiger Typen und Steckverbindungen, Abzweigern und Verstärkern aus der CATV-Technik.

Der Trend geht zur Anwendung optischer Übertragungstechniken wegen der geringen Dämpfung und damit hohen Reichweite, der geringen Störempfindlichkeit, der idealen galvanischen Trennung der Station und der hohen Bandbreite.

Die Anforderungen für intermittierenden Datenaustausch und einem kontinuierlichen Datenfluß für eine digitale Sprachverbindung sind grundsätzlich verschieden. Für diese erste Klasse von Diensten (Datex-P, Datex-L) können paketvermittelnde Verfahren günstig eingesetzt werden, wobei ein sicherer Transportdienst (geringe Datenfehlerrate) wichtig ist. Für Sprachverbindungen sind durchschaltevermittelnde Verfahren vorzuziehen, da paketvermittelnde Verfahren zum Beispiel für 64-KBit/s-Kanäle und die geforderten geringen Verzögerungszeiten vor allem bei Hochlast keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbringen. Darüber hinaus sind für ein Diensteintegriertes lokales Netz eine Vielzahl von 64-KBit/s-Kanälen notwendig, um den Verkehrsanforderungen der Sprachkommunikation zu genügen.

Solange keine Verbindungen zwischen einem lokalen Netz und öffentlichen Netzen (Datex-L, Datex-P, Fernsprechnetz) bestehen, sind LAN benutzerrechtlich wie DV-Anlagen zu betrachten, das heißt, Zulassungen beschränken sich auf den Nachweis der Einhaltung von allgemeinen Vorschriften (zum Beispiel VDE-Vorschriften).

Benutzungsrechtliche Einordnung

Sind Verbindungen von einem LAN über ein Gateway zu öffentlichen Netzen möglich, ergibt sich benutzerrechtlich eine völlig andere Situation, die unter anderem von der Funktionalität des Gateways abhängt. Zwei grundlegende Fälle können unterschieden werden.

a) LAN als verteiltes OSI-Endsystem: - LAN-Service entspricht OSI-Transport-Service.

- Global-OSI-Netzwork-Service endet im Gateway.

- Gateway ist Schicht-4-Release.

- OSI-Schichten 5 bis 7 sind transparent für Gateway.

b) LAN als OSI-Subnetwork:

- LAN-Service entspricht OSI-Global-Network-Service.

- Gateway ist Schicht-3-Relais.

- OSI-Schichten 4 bis 7 sind transparent für Gateway.

Für die Verbindung von LAN zu öffentlichen Datennetzen ist Lösung a) der benutzerrechtlich einfacher zu behandelnde Fall, da das Gateway die Funktion des Netzabschlusses übernimmt. Lösung b), welche die Möglichkeit eröffnet, durchschaltevermittelte Dienste (ISDN) über das LAN den angeschlossenen Endgeräten in vollem Leistungsumfang verfügbar zu machen, wird längerfristig eine größere Bedeutung erlangen; sie macht allerdings eine benutzerrechtliche Behandlung der lokalen Netze notwendig, die derer der Fernsprechnebenstellentechnik vergleichbar ist. Applikations- und infrastrukturorientierte lokale Netze sind bereits heute eine sinnvolle Ergänzung der vorhandenen Fernsprechinfrastruktur und dienen der Lösung von Übertragungsproblemen, die wegen der geforderten kurzen Verbindungsaufbauzeiten, der hohen Übertragungsgeschwindigkeit und dem Burst-Charakter der zu übertragenden Information nicht vom Fernsprechnetz gelöst werden können.

In einem weiteren Entwicklungsschritt erscheint eine Integration von durchschaltevermittelten und paketvermittelten Diensten auch im innerbetrieblichen Bereich sinnvoll, um den Global-Network-Service zum Beispiel des ISDN-Netzes nicht in Gateways enden zu lassen. Daraus ergeben sich Anforderungen an Nebenstellenanlagen der vierten Generation, die Lösungen, bestehend aus einer Vernetzung von dezentralisierten Modulen für Durchschalte- und Paketvermittlung zum Beispiel über optische LAN, sinnvoll erscheinen lassen.

*Dr.-lng. Heinz Pfannschmidt, Philips Kommunikations Industrie AG