Vorteile nicht nur für PC-Anwender

Benutzeroberflachen dämmen das DV-Chaos im Rechenzentrum ein

18.09.1992

Peter Willmann ist System-Engineer und Produkt-Manager für Software- Intergrationssysteme, bei der SEL in München.

Die DV-Abteilungen ringen ständig mit dem Chaos, das über ihnen zuszammenzubrechen droht, jede neue DV-Strategie, jede Innovation vermehrt das Durcheinanderg das sie in den Griff bekommen soll. Peter Willmann zeigt auf, daß eine einheitliche Benutzeroberfläche nicht nur PC-Anwendern die Arbeit erleichtert, sondern auch im Rechenzentren helfen kann, der Konfusion Herr zu werden.

In den meisten DV-Abteilungen hat sich die Handvoll Mitarbeiter von einst zu einer Mannschaft beachtlicher Größe ausgewachsen, ergänzt um freiberufliche Mitarbeiter. Anwendungen werden über CASE erzeugt, zu dem einen Datenbanksystem ist ein zweites hinzugekommen, man baut auf Software-Engineering und entwickelt auf-Workstations.

Anwender soll nicht an Symptomen herumdoktern

Eine solche Umgebung in. Ordnung zu halten, gleicht im Vergleich zu früher einem Alptraum. Problembereiche wie Source-Management oder Change-Control werden mit Ad-hoc-

Lösungen zumindest für einen gewissen Zeitraum beseitigt. Auf Dauer tragen diese Individuallösungen jedoch eher zur Verschärfung der chaotischen Verhältnisse bei, denen sie abhelfen sollten.

Um Ordnung zu schaffen, sollten die Anwender nicht an den Symptomen herumdoktern, sondern die Ursachen angehen. Das Problem ist nicht im Change-Management oder in den einzelnen Werkzeugen zu suchen. Es liegt vielmehr im Fehlen einer einheitlichen Oberfläche, die alle individuellen Lösungen zu einem Basissystem verbindet.

Jedes Werkzeug kann nur so gut sein wie der Benutzer, der es bedient. Allerdings sollte es so beschaffen sein, daß sich der Anwender gleich an seine Aufgaben machen kann und sich nicht erst mit Methoden oder Verfahren beziehungsweise den im Unternehmen eingesetzten Standards vertraut machen muß. Er sollte sich darauf konzentrieren können, was zu tun ist, nicht darauf, wie es zu tun ist.

Trotzdem führt die Vernachlässigung von Unternehmensstandards in genau das Chaos, das es zu vermeiden gilt. Entwicklung, Test, Qualitätssicherung, Produktion - jede hier involvierte Abteilung verwendet möglicherweise eigene Werkzeuge, Methoden und Verfahren, legt eigene Bibliotheken an. Die Frage "Wer hat was in welcher Bibliothek geändert? wird zum Problem, wenn zu ihrer Beantwortung der Entwicklungsverlauf rekonstriert werden muß. Kurz: Das Durcheinander scheint unausweichlich.

Das Chaos ist da, und der Anwender stellt fest, daß er sich nichts vorzuwerfen hat. Technische Standards wurden ebenso eingehalten wie festgelegte Arbeitsabläufe es wurden Dokumentation erstellt, erstklassige Werkzeuge angeschafft und Schulungen durchgeführt. Dennoch entstanden Insellösungen, deren Handhabung die Benutzer viel Zeit kostet.

An diesem Punkt angekommen, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ein gigantisches Trainingsprogramm zu starten, oder eine Benutzeroberfläche einzusetzen, die es ermöglicht, die Vorteile und den Produktivitätsgewinn aller Produkte gemeinsam zu nutzen, - zweifellos die sinnvollere Alternative. Einige Voraussetzungen sind dafür zu erfüllen.

Das User-Interface muß für alle Benutzer einheitlich sein: In der DV setzen verschiedene Gruppen unterschiedliche Werkzeuge ein. Zwischen diesen besteht keine Verbindung, die es den Benutzergruppen ermöglicht, als Team zu arbeiten, weil Kommunikation und Koordination fast nur von Mensch zu Mensch erfolgen. Typische Beispiele sind die Wechselbeziehung zwischen Datenbankadministrator, Entwickler und Qualitätssicherung. Arbeitet jeder unter der gleichen Oberfläche, wird mit Hilfe dieser Groupware-Kommunikation die Koordination automatisiert und Projekte laufen reibungsloser ab.

Die Benutzerschnittstelle sollte auf einem Repository basieren: Anwendungsentwickler schleppen eine Menge unnützer Informationen mit sich herum wie die Bezeichnungen für

Sources und Load Datasets, Compile- und Link-Parameter, prozedurnamen etc. Neue Mitarbeiter müssen sich erst mit diesen Standards vertraut machen. Vielfach sind die Informationen

aber nicht dokumentiert und zentral gespeichert. Das User-Interface sollte deshalb durch eine Metadatenbank unterstützt werden.

Die Oberfläche hat aktiv statt passiv zu sein: Anstatt darauf hinzuweiseng daß eine kritische Situation entsteht wenn zum Beispiel Source und Load und (Database Request Module) DFBR nicht synchron sinde sollte ein aktives User-Interface diese Schwierigkeit beheben) indem es ein neues Copy-Book automatisch in die Metadatenbank aufnimmt.

Das User-Interface sollte mit einern Tool-Manager ausgestattet sein: Die im Unternehmen vorhandenen Werkzeuge werden vielfach zuwenig eingesetzt, weil das Know-how fehlt. Daran ändern auch Kurse wenig. Die verwendeten Tools müssen beim User-Interface angemeldet sein und von dessen Manager angewendet werden können. Nicht der Entwickler sollte sich um Pre-Prozessor oder Kompilierungs-Details kümmern müssen, sondern das User-Interface. Der Entwickler teilt ihm lediglich mit, daß ein Programm neu zu generieren ist, der Rest hat automatisch abzulaufen.

User-Interface muß objektorientiert agieren

Die Schnittstelle muß einfach zu implementieren sein: Die Benutzeroberfläche sollte über eine Komponente für Changeund Konfigurations-Management verfügen, die die Anwendung begleitet, damit der Benutzer nicht zur Änderung seiner Arbeitsweise gezwungen wird.

Das User-Interface hat objektorientiert zu agieren: Es sollte dem Benutzer die Möglichkeit geben, alle Objekte zu sehen, die zu einem Projekt gehören, also Programme, DDL, JCL sowie die Dokumentation. Er sollte in der Lage sein, diesen Objekten entsprechende Aktionen wie Edit und Compile Bind zuzuordnen. Alle diese Informationen müssen äer Metadatenbank entnommen werden können.

Die Benutzeroberfläche muß Workstations aktiv unterstützen: Zwar vereinfacht der Einsatz von Workstations die Arbeit der Entwickler, doch entstehen dort bestimmte Fehler wesentlich häufiger. Bei der Entwicklung auf dem Mainframe sorgen dagegen Prozeduren für die Einhaltung gewisser Standards. So wird verhindert, daß konkurrierende Updates desselben Moduls erfolgen oder Backups und Restore-Vorgänge zu einem ungünstigen Zeitpunkt eingeleitet werden. Auf der Workstation entfallen solche Kontrollen. Trotzdem lassen sich Vorteile der kleineren Rechner nutzen, wenn das übergreifende User-Interface auch dort die Entwicklungsarbeit begleitet.

User-Interface muß Methodenlehrer sein

Die Benutzerschnittstelle sollte dem Benutzer ein Methodenlehrer sein: Das User-Interface muß eine Ablaufmethodik verwenden, die den Anwender durch seine Aufgaben führt, so daß kein Einzelschritt vergessen oder übergangen werden kann. Diese vorgeschriebenen Abläufe sind unternehmensweit zu definieren, wobei es möglich sein muß, einzelne Anwendungen von diesen Standards auszunehmen.

Da der Erfolg der gesamten Informationsverarbeitung immer mehr vom effektiven Einsatz der verfügbaren Hilfsmittel abhängt, ist eine Benutzeroberfläche, die diese Anforderungen erfüllt, der erste Schritt. Die Ansprüche an eine gemeinsame und einheitliche Oberfläche dürften weiter steigen, denn die Aufgaben in der Informationsverarbeitung werden in Zukunft noch größer und komplexen sein.