Benutzergruppe mit Programmen ihrese Anbieters noch unzufrieden:SEAS-User-fordern von IBM mehr SW-Qualität

04.05.1984

KNOKKE - Verfeinerte Methoden zur Qualitätsverifizierung von Software vor der Auslieferung an die Anwender hatte die Share European Association (SEAS) gefordert. Mit genereller Zustimmung auf diese Empfehlungen und ersten Lösungsansätze antwortete jetzt die IBM auf der Frühjahrstagung der Usergruppe Mitte April im belgischen Knokke, an der 410 Spezialisten aus Europa, dem Nahen Osten, Afrika und den USA teilnahmen. SEAS-Präsident Dr. Hagen Hultsch faßt die Ergebnisse der Konferenz zusammen.

Neben dem Workshop "Processing Statistical Information" und den Arbeitssitzungen der SEAS-Projekte wurden in Plenarvorträgen aktuelle Themenkreise von allgemeinem Interesse behandelt. Das Spektrum reichte von Office-Automation" über "High Performance Processing" bis zu "Control of Large International Computer Networks", sowie speziellen Fragestellungen verschiedener Anwendungsprobleme.

Dazu gehörten auch die konzeptionellen Präsentationen über zukünftige Entwicklungsrichtungen von Hard- und Softwareprodukten sowie die Antwort der IBM auf den von SEAS auf europäische Belange spezifizierten Share Software Service Task Force Report (SSSTFR) durch Lorraine Fenton, Director of VM Programming Systems bei IBM in Poughkeepsie (USA). Frau Fenton betonte den Wert des Austauschs von Erfahrungen und Anforderungsprofilen zwischen Benutzern und Herstellern, wobei den Benutzerorganisationen als Koordinierungsstelle eine wichtige Aufgabe zukommt. Der SSSTFR fordert eine höhere Softwarequalität, bessere Diagnosehilfen im Problemfalle, eine Verbesserung von Distribution und Service für Softwareprodukte sowie eine vereinfachte Kommunikationsschnittstelle zwischen Anwendern und Softwareherstellern.

SW-Fehler reduzieren

Insgesamt werden im Task Force Report in mehr als hundert Einzelempfehlungen eine Reihe von Techniken vorgeschlagen, zu denen insbesondere verfeinerte Methoden zur Qualitatsverifizierung von Software vor der Auslieferung an den Anwender gehören. Der SSSTFR geht davon aus, daß die Zahl der Softwarefehler durch diese Techniken im allgemeinen mindestens um den Faktor zehn reduziert werden kann.

Ihre Antwort bestätigte Lorraine Fenton die Zustimmung der IBM zu allen Globalempfehlungen des SSSTFR und ging im einzelnen auf die wichtigsten Empfehlungen ein. Dabei wurde die Absicht von IBM, in absehbarer Zeit nahezu fehlerfreie Programmprodukte zu liefern, besonders hervorgehoben. Ebenso sollen neue Verfahren zur Vereinfachung und Verbesserung der Unterstützung des Anwenders vor Ort im Problemfalle erarbeitet werden. Lorraine Fenton glaubt, erste Ansätze zur Zielsetzung erreicht zu haben und nannte dazu eine Reihe von Fakten:

- eine weitgehend zufriedenstellende Inbetriebnahme von MVS/XA und VM/SP Release 3,

- erhöhte Anstrengungen zur Bereitstellung von "Softwarewerkzeugen" in den Entwicklungslabors,

- die Ausbildung in Softwareengineering für gegenwärtig bereits mehr als tausend Softwareentwickler bei IBM und einer Zielzahl von mehr als 5000 in diesem Bereich aus

gebildeten Entwicklern bis Ende 1985,

- ein Angebot von interaktiven, audiovisuellen Kursen in den wichtigsten Zentren der USA (gegenwärtig New York, Minneapolis und Houston) sowie dem Hands-on-Training und der computerunterstützten, dialoggeführten Ausbildung in Europa, wobei eine ständige Erweiterung der bestehenden Einrichtungen vorgesehen ist.

Mit dem SSSTFR wollen die fünf großen Benutzerorganisationen SHARE, Guide, G.U.I.D.E., ASG und SEAS zur Verbesserung der Softwarequalität und zur Reduktion des Aufwandes für die Softwarepflege in den Rechenzentren beitragen. Die Anforderungen des SSSTFR wurden in kooperativ kritischer Weise an IBM herangetragen und dort kooperativ, im Sinne gemeinsamer Problembewältigung, aufgenommen.

Auf die vom SEAS Executive Board an das Management von IBM Europa herangetragenen Ergänzungen zum SSSTFR wird voraussichtlich während der SEAS-Jahrestagung Ende September dieses Jahres in Garmisch-Partenkirchen geantwortet werden.

Der norwegische DV-Berater Tom Gilb bewies unter dem Thema "Design by Objective" (DBO), daß die Produktion von Software den gleichen Regeln folgen muß, wie sie in anderen Ingenieurwissenschaften angewandt werden. Nach seiner Überzeugung müssen die Anforderungen an Qualität sowie Manpower und Mittelaufwand neben den funktionellen Anforderungen deutlich stärker berücksichtigt werden. Bei Befolgung dieser Regel konzentriert sich das Management auf die Definition und die Einhaltung der Zielsetzungen, während dem Ingenieur die praktische Realisierung und Implementierung zukommt.

Je größer der Computer, desto günstiger das Preis / Leistungs-Verhältnis. Diese als "Grosch's Law" bezeichnete Aussage widerlegte Professor Hans Meurer vom Rechenzentrum der Universität Mannheim in seiner Analyse über die günstige Größenklasse dialogorientierter Rechensysteme. Er wies dabei nach, daß große Rechensysteme mit einer Leistung oberhalb von zwei MIPS (Million Instruktionen pro Sekunde) ungünstigere Durchsatzcharakteristika bezüglich ihrer Kostenaspekte zeigen. In seinen Ansatz fließen allerdings eine Reihe von Annahmen zu den Verhältnisanteilen von Ein / Ausgabe und CPU-Last ein, die es möglich erscheinen lassen, daß der Modellansatz die Aussagen teilweise präjudiziert. Trotzdem stellen die Ergebnisse einen wichtigen Beitrag zu den Ökonomiekonzeptionen großer Rechensysteme dar. Bei sehr hohen Anforderungen und sehr großen Benutzerzahlen, so Meurer, könne es wirtschaftlicher sein, die Anwendungen und die Benutzergruppen auf mehrere miteinander kommunizierende kleinere Systeme zu verteilen.

Raymond Boute von der Faculty of Science aus Nijmegen ging in seinem Beitrag gegen die traditionelle sequentielle Programmerstellung vor. Er forderte die statische Beschreibung als Festlegung der funktionellen Definition und des logischen Flusses. Dies sei der einzige Weg zu Programmen, denen Fehlerfreiheit "nachgewiesen" werden könne. Boute zeigte jedoch gleichzeitig, daß die Ansätze zur Verfügbarkeit von Programmsprachen mit den von ihm geforderten Eigenschaften für praktische Implementierungsaufgaben noch nicht vorhanden sind.

Mit dem Engineering / Scientific Support System (ESSS) versucht die IBM, dem weitgestreuten Anforderungsspektrum des technisch-wissenschaftlichen Marktes gerecht zu werden. Nach Jim Cassels, Marketing Director aus White Plains, gehören zum ESSS neben den Rechnern der 308X- und 43XX-Serie ein ständig erweitertes Angebot von technisch-wissenschaftlicher Grund- und Anwendungssoftware sowie Peripheriegeräte, die sich sowohl auf grafische Datenein-/ ausgabe als auch auf die Anschließbarkeit praktisch jeden Gerätes konzentrieren. Unter diesen Geräten wird besonders die Device Attachment Control Unit (DACU) hervorgehoben, die sowohl zum Anschluß grafischer Geräte als auch zur schnellen Verbindung mit anderen Rechnern eingesetzt werden kann.

Daß die Leistung moderner Vektorrechner keineswegs trivial verfügbar

ist, zeigte Wilfried Oed von der Kernforschungsanlage Jülich in seinem Bericht "Recursive Problems for Vector Processors". Durch den Einsatz geeigneter, auf den jeweiligen Vektorrechner zugeschnittene Algorithmen lassen sich je nach Anwendung Leistungsunterschiede bis hin zur Größenordnung feststellen. Oed machte dies an einer Reihe näher untersuchter Anwendungen deutlich und empfahl eine sorgfältige architekturspezifische Analyse der eingesetzten Algorithmen und Rechnerverfahren.

Bei Dateienübertragung zählt die Sicherheit

Daß SNA in Zukunft auch für die sichere Übertragung sehr großer Datenmengen geeignet ist, zeigte Janice Roberts von IBM aus Poughkeepsie in ihrem Vortrag "Bulk Data Transfer". Besonderer Wert wurde bei der Implementierung auf die Sicherheits- und Integritätsaspekte bei der Übertragung von Dateien oder Teilen von Dateien gelegt. Für die MVS-Umgebung ist damit jetzt eine Funktion unter JES3 verfügbar, die bereits seit geraumer Zeit von den beiden SEAS-Projekten MVS und Network/TP gefordert worden war.

In einer Sitzung zum Thema "Industrial Automation" wurde vorgeschlagen, die Gründung eines neuen SEAS-Projektes "Industrial Automation" zu erwägen. Ziel des neuen Projektes soll es sein, die Mitarbeiter der großen Rechenzentren mit den speziellen Service-Anforderungen für den industriellen Entwicklungs- und Fertigungsprozeß vertraut zu machen. In diesem neuen Projekt sieht des SEAS-Management eine Schlüsselaufgabe. Neben den systemnahen Projekten soll damit ein Schritt zur anwendungsgerechten Unterstützung durch die Informationssysteme in einem zukunftsweisenden Aufgabengebiet erreicht werden.

Satelliten unterstützen EARN-BUNET-Verbindung

Im Vordergrund einer weiteren Sitzung zum Thema "University and Research Center Computing" stand die Nutzung des inzwischen bereits teilweise funktiondfähigen European Academic and Research Network (EARN). Über EARN werden viele europäische technisch-wissenschaftliche Rechenzentren verbunden mit im Ziel, die Kommunikation zwischen den Nutzern der Rechenzentren und die Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen auf internationaler Ebene zu fördern. Dabei steht die Verbindung zwischen EARN und dem US-amerikanischen BITNET ebenfalls im Brennpunkt des Interesses. Über die nationalen Knotenrechner in Dublin, London, Paris, Madrid, Stockholm, Genf, Rom und Darmstadt kann jeweils auch die Satellitenverbindung Rom-CUNY (City University of New York) als Kopplungsstrecke EARN-BITNET genutzt werden.

Von den Teilnehmern wurde vorgeschlagen, die speziellen Interessen der Universitätsrechenzentren in einem "University Project" zu behandeln.

Überlegt wird ebenfalls, ob die Bestrebungen, den UNIX-Interessenten bei SEAS die Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch zu geben, realisiert werden sollen. Möglicherweise wird UNIX genauso wie EARN im "University Project" behandelt werden.

In einem Übersichtsvortrag stellte Harry Reinstein vom IBM Scientific Center in Palo Alto, USA, die Konzeption zukünftiger Expertensysteme zusammen. Am Beispiel einfacher Entwicklungs- und Beratungssequenzen demonstrierte er, daß die Schlüsse der Systeme dynamischen Änderungen unterliegen und daß die Auskunftsstruktur während des Abfrageprozesses mehrere unabhängige Auskunftssequenzen durchlaufen muß, um dem individuellen Anforderugsprofil unterschiedlicher Anwender gerecht zu werden. Als wesentliche Architekturvoraussetzung von Expertensystemen könne die Tatsache verwendet werden, daß verschiedene Anwender zwar unterschiedliche Erfahrungen und Kenntnisse

jedoch nach dem gleichen Verarbeitungsprozeß genutzt werde. Die Vermittlung von Kenntnissen müsse beim Expertensystem gegenüber der Vermittlung von Arbeitstechniken demnach im Vordergrund stehen.

Daß die Verfügbarkeit der Personal Computer die Anforderungen an die zentrale Datenverarbeitung in der Regel keinesfalls verringert sondern allenfalls vergrößert, hat Gerry Waldbaum vom IBM-Forschungszentrum in Yorktown Heights gezeigt. Im Vordergrund steht für ihn die Notwendigkeit, den PC als Workstation in den Arbeitsprozeß mit dem Großrechner zu integrieren. Durch Bereitstellung eines beigesteuerten Servicespektrum, zu dem auch grafische Funktionen gehören, wies Waldbaum eine deutliche Produktivitätssteigerung des Anwenders nach. Für das Rechenzentrum werde es allerdings zunehmend schwerer, mit dem Innovationstempo Schritt zu halten. Er schlug deshalb vor, den Beratungsdienst für die PCs in den Unternehmen zu straffen und mit den vorhandenen Beratungsdiensten in den Rechenzentren zu integrieren. Es werde in Zukunft erforderlich sein, dynamische Migrationshilfen zwischen PC und zentralen Anlagen anzubieten, um den Anwender vor Ort in seiner Anwendung produktiv arbeiten zu lassen.

Der vorliegende Bericht gibt nur eine limitierte Auswahl des Spektrums von PIenar- und Spezialvorträgen wieder, die zur Qualität des Tagungsprogrammes beigetragen haben. Eine ausführliche Wiedergabe der Konferenzbeiträge wird innerhalb von drei Monaten in den SEAS Proceedings verfügbar sein, die von SEAS Headquarters, Toernooiveld 1, NL-6525 ED Nijmegen, HoIland, bezogen werden können.