Benq befreit Siemens von Handy-Sorgen

07.06.2005
Münchner zahlen mindestens 300 Millionen Euro, um ihre defizitäre Handy-Sparte an Benq loszuwerden.

Siemens hat endlich eine Lösung für seine kränkelnde Handy-Sparte gefunden: Der taiwanische Elektronikkonzern Benq, hierzulande hauptsächlich als Hersteller von Flachbildschirmen, Digitalkameras und Beamern bekannt, übernimmt das gesamte Siemens-Mobiltelefongeschäft mit mehr als 6000 Mitarbeitern weltweit. Hauptsitz des Mobilfunkgeschäfts der Benq Mobile Devices (MD) wird München. Die Übernahme soll im Laufe des vierten Quartals des Siemens-Geschäftsjahres 2005 abgeschlossen sein. Mit der Akquisition steigt Benq eigenen Angaben zufolge zum weltweit viertgrößten Handy-Anbieter auf.

Während der Siemens-Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld den Deal nebulös als eine "Partnerschaft, mit der wir eine nachhaltige Perspektive für unser Mobiltelefongeschäft gefunden haben" preist, spricht Benq-Chairman und CEO K.Y. Lee Klartext: "Durch die Akquisition des Mobiltelefongeschäfts von Siemens sind wir unserem Ziel, zu den größten Anbietern im Markt aufzuschließen, ein erhebliches Stück näher gekommen." Bis zuletzt hat Siemens immer von der Suche nach einem Partner für eine Mehrheitsbeteiligung und nicht von einer Komplettübernahme geredet.

Benq spielte im Handy-Geschäft mit einem Weltmarktanteil von rund einem Prozent bislang eher eine untergeordnete Rolle und war hauptsächlich in Asien aktiv. Allerdings überraschten die Taiwaner beispielsweise im Frühjahr 2005 auf der Branchenmesse 3GSM Worldcongress in Cannes mit einem Handy-Portfolio, das den Vergleich mit den etablierten Markt-Playern nicht zu scheuen braucht. Siemens dagegen fiel laut Gartner nach einem weiteren Absatzrückgang im ersten Quartal 2005 mit einem Marktanteil von 5,5 Prozent auf Rang sechs hinter Sony Ericsson zurück. Zudem hatte der Konzern mit Problemen in der öffentlichen Wahrnehmung zu kämpfen: So kratzte ein Softwarefehler im Sommer letzten Jahres am Qualitäts-Image, und die Produkte galten bei jugendlichen Käufern nicht als hip.

Finanzielle Details der Übernahme veröffentlichten beide Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht. Siemens teilte lediglich mit, dass man im Zuge der Akquistion neue Benq-Aktien in Höhe von 50 Millionen Euro zeichnen werde. Laut Benq haben sich die Münchner zudem vertraglich dazu verpflichtet, den Integrationsprozess mit 250 Millionen Euro zu begleiten. Insgesamt, so verlautete aus Börsenkreisen, dürfte der Verkauf das Siemens-Ergebnis mit 350 Millionen Euro belasten.

Ob und wie viel Benq überhaupt für die defizitäre Siemens-Handy-Sparte bezahlt, ist dagegen nicht bekannt.

Siemens-Vorstand Kleinfeld zufolge übernimmt Benq von Siemens sämtliche Entwicklungs- und Produktionsstandorte - darunter Kamp-Lintfort in Deutschland - , zentrale Funktionen sowie Marketing und Vertrieb. "Für uns war die Weiterführung des Standortes Kamp-Lintfort ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für einen Käufer", so der Vorstand. Ferner erhält Benq im Zuge der Transaktion das Recht, die Marken- und Namensrechte der Siemens Handy-Sparte fünf Jahre lang zu nutzen.

Branchenkenner bezweifeln allerdings, ob für Benq bei der Übernahme des Handy-Geschäfts wirklich eine Weiterführung der Siemens-Produktionsstandorte im Vordergrund steht, oder nicht primär das Vertriebsnetz, etwa in Europa, von Interesse ist, da hier Benq bislang nicht aktiv war. Die Taiwaner verfügen über eigene Produktionsstätten in Malaysia, Mexiko, China und Taiwan. So spricht denn auch Benq-CEO Lee lediglich davon, dass "wir mit der Transaktion exzellente Mitarbeiter, etablierte Verkaufskanäle und eine hochkarätige Kundenbasis bekommen". (hi)