Dells Netzwerk-Chef im Interview

"Bei unserer SDN-Lösung bleibt der Anwender flexibel"

10.05.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Für viele Anwender hat Dell immer noch das Image eines Kistenschiebers - obwohl sich das Unternehmen längst zum Lösungsanbieter weiterentwickelt hat. Mit Tom Burns, Vice President und General Manager Dell Networking, diskutierte CW-Redakteur Jürgen Hill über die Rolle der Texaner im Netzwerk-Business.
Tom Burns, Vice President und General Manager Dell Networking, diskutiert über Dells Networking-Kurs.
Tom Burns, Vice President und General Manager Dell Networking, diskutiert über Dells Networking-Kurs.
Foto: Dell

CW: Sie betonen in Gesprächen, dass Dell in Sachen Software Defined Networks (SDN) einen andern Kurs als die Wettbewerber fährt. Wo liegt der Unterschied?

Tom Burns: HP hat sehr lange Openflow als die einzig wahre Lösung für SDN promotet. Ferner betonten sie, dass sie mehr Openflow-Ports als jeder andere Hersteller ausgeliefert hätten. Aber HP schwieg darüber, wie viele dieser Ports in der Praxis wirklich eingesetzt wurden. Oder nehmen Sie Cisco als ein anderes Beispiel. Dort muss der Anwender normalerweise auf neue Hardware upgraden, um auf SDN migrieren zu können. So etwas hat Dell nie gemacht. Wir bevorzugen eine Software-basierte Controlplane. Zudem benutzt Cisco einen proprietären Controller, während wir neben unserem eigenen Controller auch zahlreiche andere unterstützen. So arbeiten wir mit Anbietern von SDN-Controllern wie etwa BigSwitch oder NEC zusammen, wobei wir die Lösungen auf Interoperabilität prüfen und eine Art Referenzarchitektur erstellen. Unter dem Strich ist der Anwender mit unserer SDN-Lösung sehr flexibel und hat mehr Freiheiten in Sachen Hard- und Software.

CW: Wer nutzt heute eigentlich bereits SDN oder ist darauf vorbereitet?

Burns: Aus Diskussionen mit Anwendern habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Universitäten in Sachen SDN sehr weit vorne sind. Viele haben bereits SDN-Projekte aufgesetzt und beschäftigen sich mit der Transformation des klassischen Netzes in eine SDN-Umgebung. In anderen Branchen, wie etwa dem Bank- oder Gesundheitswesen - geht es etwas langsamer voran. Wegen den Auswirkungen auf Applikationen müssen beispielsweise auch Compliance-Fragen geklärt werden. Viele Kunden erwägen, die Netzwerkvirtualisierung oder Automation zunächst mit konventionelleren Methoden zu verwirklichen. Mit unseren Lösungen lässt sich das realisieren, ohne sich den Weg für die Migration zu OpenFlow-basierten SDN-Lösungen auf derselben Hardware zu verbauen.

CW: Ja, wäre es dann aber nicht die Pflicht aller Hersteller, eine Art Hybrid-Modell zu entwickeln, um die Koexistenz zwischen alter und künftiger Netzwelt sicherzustellen?

Konzept der Future Ready IT

Burns: Natürlich, diese Thematik adressieren wir mit unserem Konzept der Future Ready IT. Dabei analysieren wir bei unseren Kunden die vorhandene IT ebenso wie die künftige. Dabei betrachten wir auch die jetzigen und IP-basierende Apps - ein Teil davon wird sicherlich auf einer traditionellen IT-Infrastruktur laufen, während Big Data und Analytics ganz andere Anforderungen stellen. Und dann finden Sie in Unternehmen noch die vielen anderen Applikationen, die noch immer auf Mainframes laufen und dabei traditionelle Storage-Systeme verwenden. Unsere Aufgabe ist es nun, dem Anwender dabei zu helfen, dass er beide Welten fahren kann, bis er bereit ist, auf SDN zu migrieren. Wir bieten den Anwendern also verschiedene Optionen und sagen ihnen im Gegensatz zu andern Herstellern nicht, dass dieser oder jener Weg der einzig richtige ist. Wir sind davon überzeugt, dass es nicht nur einen Weg gibt, sondern mehrere.

CW: Adressiert Dell als Netzwerk-Hersteller eher den Campus-Bereich oder das Rechenzentrum?

Dell Networking will sowohl Enterprise-Kunden als auch KMUs ansprechen,
Dell Networking will sowohl Enterprise-Kunden als auch KMUs ansprechen,
Foto: Telekom

Burns: Wir adressieren beides, und unsere Verkaufszahlen liegen dabei etwa 50 zu 50. Exakte Zahlen kommunizieren wir jedoch nicht. Beide Bereiche sind für uns strategisch wichtig, so dass wir dort weiter investieren. Wir haben neue Produkte für KMUs angekündigt und vor zwei Jahren unser Campus-Portfolio grundlegend erneuert. Lediglich im WAN-Segment engagieren wir uns nicht. Hier setzten wir auf die Zusammenarbeit mit Partnern.

Im WAN engagieren wir uns nicht

CW: Warum diese Zurückhaltung im WAN-Segment?

Burns: Wir glauben, dass Router zunehmend an Bedeutung verlieren. Ihre Funktionalität wird dann durch Software abgebildet. Deshalb haben wir beschlossen, in diesem Bereich nicht zu investieren. Hinzu kommt, dass dieser Bereich von einem Hersteller dominiert wird, der damit sehr viel Geld verdient. Deshalb wäre dort ein Engagement schwierig. Betrachten wir die Layer 4 bis 7, wo es um Themen wie Load Balancing geht - hier setzen wir auf Third-Party-Produkte und arbeiten mit Firmen wie Riverbed, F5 oder Silver Peak zusammen. Dabei agieren wir nicht einfach als OEM, sondern testen die Produkte, vertreiben sie und bieten dem Anwender auch den First Level Support. Blicken wir in die Zukunft und fragen uns einmal, was im Zeitalter von SDX - also beim Software Defined Everything - passieren wird: Funktionen wie Load Balancing, WAN-Optimierung und so weiter werden virtualisiert werden. Die Herausforderung für alle Netzwerkhersteller im Bereich der Layer 4 - 7 besteht nun darin, dass sich der Markt und die Technologie sehr schnell verändern und sie agieren müssen. Und dies, obwohl sich über die Adaptionsrate diskutieren lässt. Dennoch bin ich mir sicher, dass wir eine Disruption erleben werden.

CW: Sie sprachen viel darüber, welche Wahlmöglichkeiten der Anwender mit SDN-Equipment von Dell hat. Einen Vorteil von SDN, nämlich Netzfunktionen als App sprachen Sie nicht an. Planen Sie ebenfalls eine Art App-Store wie ihre Wettbewerber?

Burns: Das fragen sie mich etwas zu früh. Sie werden bei Dell sicherlich keinen App-Store finden, wie ihn HP realisiert hat. Das hätte die Konsequenz, dass wir qualifizieren müssten, wer der richtige Partner für den Anwender bei einer bestimmten Fragestellung ist. Mir schwebt da eher ein Modell vor, das auf Flexibilität und Interoperabilität mit mehreren Partnern setzt und mit offenen Standards entsprechende Wahlmöglichkeiten anbietet. Wir arbeiten daran. Betrachten Sie den Kern unserer Netzwerkstrategie und schauen sie, welche Optionen wir mit Third-Party-Software eröffnen. Das ist viel Software für Layer 2 und 3. Auf Layer 4 bis 7, also etwa beim Monitoring, setzen wir auf Opensource-Tools. Dazu haben wir gemeinsam mit Microsoft und Broadcom einen Satz APIs entwickelt, damit die Anwendungen auf den höheren Layern ohne Änderungen auf das Netz zugreifen können - egal, ob sich der Chip oder die Netzhardware geändert hat. In spätestens 12 Monaten werden wir die Androidification von Software und Netzwerk erleben. Und Dell wird auch Apps schreiben, aber gleichzeitig auf die Opensource Community setzen. Um dabei zu gewährleisten, dass das Zusammenspiel zwischen Hardware und App reibungslos funktioniert, setzen wir auf ein Software Abstraction Interface.