Bei unerwarteten Personalengpässen springen die Kollegen ein

02.08.1985

Vorhersehbare personelle Engpässe wie Urlaub oder Seminarbesuche sind für die DV-Verantwortlichen inzwischen kein Problem mehr. Dagegen werden unerwartete Ausfälle nach wie vor hauptsächlich durch die Mehrheit der Kollegen aufgefangen. Darüber hinaus versuchen die DV-Leiter, mit Hilfe von Fremdpersonal oder Beratern die Situation in den Griff zu bekommen. Gegebenenfalls ist es auch nötig, Prioritäten neu zu setzen und anfallende Arbeit umzuterminieren. Ein guter Schutz vor diesen unangenehmen Folgen ist der rechtzeitige Einbau einer "Pufferzeit" in den Terminplan. Letztendlich heißt es aber fast immer, das eigene Personal muß bei Engpässen verstärkt arbeiten. In diesem Fall zahlt sich ein gutes Verhältnis zwischen DV und Fachabteilung aus.

Ludwig Kottmann, Org./ DU-Leiter Allibert GmbH , Frankfurt

Bei auftretenden Spitzenbelastungen müssen individuelle Entscheidungen getroffen werden. Ein generelles Konzept für die Bewältigung dieses Problems gibt es nicht. Falls die Planung bei uns ein langfristiges Projekt vorsieht, bei dem wir mit Engpässen rechnen, dann decken wir vorübergehend den Bedarf durch externe Spezialisten ab. Wenn es sich jedoch um kurzfristige Entscheidungen handelt, oder die wichtigen Leute in Urlaub sind, dann kann man diese Problempakete nicht in die Hände von Außenstehenden geben.

Stehen große Projekte an, daß aus unserer Sicht immer mit einem Stau in der Schlußphase gerechnet werden. Arbeitet man nun mit einem Softwarehaus zusammen, dann ist in der Regel der Stau oder die einkalkulierte Reserve schnell verbraucht. Das liegt zum Teil daran, daß von seiten der Softwarehäuser immer wieder die Leute abgezogen, oder daß die Prioritäten von Programmänderungen nicht wahrgenommen werden.

Großprojekte sind grundsätzlich eine Team-Angelegenheit, die an der Fachabteilung keineswegs vorbeigehen. Bezüglich der Personalauslastung sind wir bemüht, eventuellen Mehrbedarf entweder durch Streckung der Termine oder - wenn die Arbeitsleitung klar abgrenzbar ist - durch die Hinzunahme von außenstehenden Programmierern zu lösen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, ob eine klar formulierte Problemstellung vorliegt, nach der gesagt werden kann: Es ist ein Arbeitsvolumen von etwa sechs Mannwochen zu erwarten. Hierbei ist es verhältnismäßig einfach, jemanden aus dem freien Markt mit guten Referenzen zu bekommen. Zeigt sich, daß dieser Spezialist gut ist, dann werden auch andere Projekte noch dazugenommen. In der Praxis sieht es aber oft ganz anders aus: Da wird immer wieder jemand kurzfristig benötigt; derjenige hat auch tatsächlich Zeit einzuspringen, aber in Absprache mit der Fachabteilung hatte man nicht genügend Zeit, alles detailliert abzusprechen. Resultat: Es kann sich der berühmte "große Fehler" einschleichen, und aus einem anfänglichen Ein-Mann-Monatsprojekt wird plötzlich ein Drei-Mann-Monatsprojekt .

Ein gravierender Fehler ist, daß entweder von vornherein ein Kostenfaktor nicht mit der Fachabteilung abgesprochen wurde, oder aber, daß das Resultat einer abzuschließenden Arbeit nicht im einzelnen festgelegt wurde. Ferner ist mit den Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeiter zu rechnen. Da es aber hierzu im Laufe der Zeit genügend Erfahrung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des einzelnen gibt, kann ziemlich genau kalkuliert werden. In jedem Falle ist es sicher, etwa ein Drittel an Zeitaufwand noch dazuzugeben, um wirklich in der vorgegebenen Zeit ein Projekt realisieren zu können.

Das allgemeine Problem der Überlastung im DV-Bereich läßt sich aber nicht dadurch in den Griff bekommen, daß intern aufgestockt wird. Erfahrungsgemäß nehmen Projekte immer nur einen abgegrenzten Zeitraum in Anspruch, so daß ein gewisses Potential an Arbeitskräften brachläge, wenn einmal keine Projekte anstehen.

Ragnar Nilsson, Leiter Zentralbereich DV und Organisation, Gerresheimer Glas AG, Düsseldorf

Der Abbau der Personalkakpazitäten in großen und mittleren Unternehmen hat Einfluß auch auf die Org./ DV-Bereiche ausgeübt. Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre sind unter Controlling-Gesichtspunkten die Kostenstrukturen der Unternehmen durchleuchtet worden. Die Ergebnisse dieser Kostenbeurteilungen sind in der Regel einschneidende Personalreduzierungen, die sich auf das Know-how, die Kapazitäten und damit auf den Leistungsumfang der internen Dienstleistungen der Org./DV-Bereiche auswirken.

Der verbleibende Rest der Personalkapazität ist zu einem sehr hohen Prozentsatz ausschließlich mit Maintenance-Problemen der laufenden - in der Regel alten - individuellen Anwendersysteme beschäftigt. Darüber hinaus hat die Reduzierung sowie die daraus oftmals resultierende Fluktuation im Org./DV-Personalbereich wesentlich Know-how-Schwierigkeiten zur Folge. Insbesondere die Kapazitätsverschiebung in Richtung Maintenance läßt der verbleibenden Manpower im Org./DV-Bereich wenig Freiraum für neue Organisations- und Rationalisierungsprojekte in den Unternehmen. Das hat zur Folge, daß die eingeplanten und in der Realisierungsphase befindlichen Projekte eine starke Terminverschiebung und damit einen großen Unzufriedenheitsgrad bei den Anwendern erfahren müssen.

Wenn dieser Entwicklung in den Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen nicht rechtzeitig entgegengewirkt wird, kann eine organisatorische Verselbständigung der Fachbereiche durch Einsatz von Mikrocomputer-Insellösungen als organisatorisches Hilfsmittel die Folge sein. Zur Bewältigung der Personalengpässe, insbesondere bei Spitzenbelastungen, sind deshalb entscheidende Maßnahmen zum Ausgleich, bei gleichzeitiger Erreichung eines hohen Grades an Org./DV-Dienstleistung, vorzunehmen.

Die strategische Ausrichtung zur Realisierung. der Org . /DV-Dienstleistungen muß mittels Einsatz standardisierter Fremdsoftware erfolgen. Es muß zur Vorgehensweise " buy not make " übergegangen werden, so daß die Individualprogrammierung vom Grundsatz her der Vergangenheit angehört. Der noch verbleibende Rest an Individual-Programmieraktivitäten sollte teilweise mit eigenen Leuten aber zum größten Teil durch Vergabe an externe Programmierdienstleistungen bewältigt werden.

Damit ist durch Vergabe der DV-Dienstleistungen an externe Programmier- und Organisationsdienstleister eine effiziente Unterstützung der eigenen Projektrarbeiten zur terminetreuen und inhaltlich effizienten Projektrealisierung eingeleitet. Darüber hinaus deckt der heutige Markt der Standardsoftware branchenunabhängig zirka 70 Prozent aber klassisch-betriebswirtschaftlichen Anforderungen ab.

Durch Ausrichtung des eigenen Personals vom Programmierer zum DV-Organisator wird intern die notwendige Kapazität zur Erarbeitung entsprechender Rationalisierungskonzepte für das Gesamtunternehmen freigesetzt. Der Realisierungsgrad dieser Projekte kann durch die oben beschriebene Philosophie " buh not mache " erhöht werden.

Die Projektteams haben bei ihrer Planung neben den eigenen Projektteam-Mitgliedern und den entsprechenden Fachabteilungen verstärkt externe Berater und Dienstleister zur Projektrealisierung terminlich einzubeziehen. In der Praxis wird derzeit bei intensiver Planung mit einem Planungsoverhead von rund 30 Prozent bezogen auf die Gesamtkapazität, gerechnet. Je nach Priorität der Projekte ist ein Ausgleich von Kapazitätsengpässen und damit verbunden Terminverschiebungen von Projekten durch Einsatz externer Dienstleistungen möglich. Damit läßt sich abschließend feststellen, daß Personalengpässe bei Spitzenbelastungen der Org./DV-Bereiche planbare Größen sind. die durch entsprechende Maßnahmen rechtzeitg zur Erreichung eines hohen Org./DV-Dienstleistungsgrades zum Einsatz kommen müssen.

Dr. Hans Wittmer, DV-Leiter, Spinnerei und Weberei Hof AG, Hof/Saale

In unserem Unternehmen führten zwei Probleme von Anfang an zu starkem personellen Druck. Zum einen hielten viele unserer Bewerber die geographische Randlage des Hauses für unattraktiv, zum anderen strebten wir eine möglichst kostengünstige DV-Leistung an. Daher mußte konsequent auf eine bedienungsarme Rechenzentrumsorganisation hingearbeitet werden. Die Verlagerung der gesamten Dateneingabe und aller nicht zu umfangreichen Aufgaben in die Fachabteilungen reduzieren die Rechenzentrumstätigkeiten trotz eines umfangreichen Netzwerkes praktisch auf die Datesicherung und die Überwachung der Betriebsmittel . Unterstützend kommen bedienungsfreundliche Programme und Rechnersysteme hinzu.

Ist damit die tägliche DV-Arbeit gegen personelle Engpässe so gut wie unempfindlich, so gilt das keineswegs für die Programmentwicklung und -wartung. In den klassischen Anwendungen des Rechnungswesens und der Lohnabrechnung umgehen wir Personalprobleme durch den Einsatz von Standardsoftware und sichern uns beispielsweise gegen die Überraschungen der Gesetzgebung durch Wartungsverträge ab.

Bei der Eigenentwicklung mußten wir von Anfang an auf Personal von Sofwarehäusern zurückgreifen, um die Programme in vertretbarer Zeit zum Laufen zu bringen. Dabei wurden die fremden Programmierer wie eigene eingesetzt und sind im hier angesprochenen Zusammenhang auch ab solche zu betrachten. Wichtig erscheint uns, daß jede Programmentwicklung im direkten Kontakt, in gemeinsamer Arbeit in Endbenutzern erfolgt, so daß einerseits das Verständnis für die Arbeit der DV gegeben ist andererseits die Endbenutzung der Programme schrittweise erfolgt und damit der zeitliche Rahmen von den Endbenutzern mitgestaltet wird.

Personelle Engpässe können durch erhöhte Anforderungen oder unvorhergesehene Ausfälle entstehen. Vorhersehbare Situationen wie Urlaub (bei uns langfristig geplant und am Betriebsurlaub orientiert) werden von vornherein in die zeitlichen Abschätzungen, die auch nicht zu geringe Sicherheitsreserven für die alltäglichen Störungen enthalten. Bei jedem unvorhergesehenen Engpaß muß allerdings die DV-Leitung - gegebenfalls im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung - Prioritäten festlegen.

Die Kapazitäten der die Programmierung können angesichts der integrierten Programmsysteme auf Datenbankbasis keinesfalls kurzfristig durch neu einzuarbeitendes Personal erhöht werden. Es bleibt also nur die Konsequenz, wichtigen Wartungsarbeiten wie Fehlerbeseitigung, Anpassung an neue Gegebenheiten Vorrang zu geben. Alle anderen anstehenden Aufträge müssen je nach Wichtigkeit unterminiert werden. Dabei wird das verfügbare eingearbeitete Personal (eigen und fremd) entsprechend mehr belastet, das heißt, soweit dies die Leistungsfähigkeit zuläßt. Die angesprochene Zusammenarbeit mit der Fachabteilung wird dieser als letztlich Leidtragenden die Situation hoffentlich erleichtern. Erst bei längefristigen Engpässen werden wir eine personelle Aufstockung erwägen, wobei wir dann eher zu eigenem Personal tendieren - auch wenn das Auswahlverfahren länger dauert vor uns sehen.