Demotivierende Resultate bei IBM-Mikro-Mainframe-Verbindung:

Bei mehr als drei Mikros stirbt die Leitung

30.03.1984

MÖLLN - Viele Unternehmen befassen sich derzeit mit der Anbindung von Mikros an ihre Großrechner. Mit unvorhergesehenen Problemen sieht sich Eddy Meyer-Rochow, der Organisations- und DV-Leiter des Möllner Markforschungsunternehmens Sample konfrontiert, da der File-Transfer über die IBM 3274 zusammenbricht, wenn mehr als drei Mikros angeschlossen werden. Seine Erfahrungen schildert der Sample-DV-Leiter im folgenden Beitrag.

In den letzten Monaten ist das Problem der Einbindung von Mikrocomputern in die Groß-DV in vielen Firmen akut geworden und nimmt auch in der Fachpresse immer größeren Raum ein.

In einer Reihe von Großunternehmen sind Mitarbeiter damit betraut worden, die Möglichkeiten der Einbindung dieser Rechnerzwerge in die vorhandenen Systeme zu prüfen. PC-Arbeitsgruppen werden gegründet, die sich mit der Integration auch im praktischen Versuch beschäftigen. In der Regel wird eine Testanalge installiert, mit der die Möglichkeiten und Grenzen von Mikros für die Integration ausprobiert werden.

Insbesondere auf die Rechner-Rechner-Verbindung zwischen Mikro und Host, also auf den Datenaustausch zwischen den Systemen, konzentriert sich bei diesen Arbeiten das Interesse. Dabei wird zunächst versucht, die Problematik des Datenaustausches zu lösen, die Schnittstellen zwischen Host-Daten und PC-Daten sowie die Schnittstellen zwischen Host-Verarbeitung und PC-Verarbeitung zu definieren.

Die erforderlichen Lösungen im organisatorischen Umfeld werden zunächst vernachlässigt. Hier müssen völlig neue Wege beschritten werden, da meist nicht auf vorhandenes Know-how zurückgegriffen werden kann.

Sicherlich ist aber auch ein Grund für das Zögern bei der organisatorischen Lösung darin zu sehen, daß die Auswirkungen auf die Mitarbeiter in den Fachbereichen nicht leicht einzuschätzen sind. Die Mitarbeiter in den Fachbereichen sind es aber, die im Endeffekt die neue Organisation tragen werden.

Nach Meinung des Autors stehen wir vor einer Revolution im Bürobereich mit einem nicht zu übersehenden Schulungsbedarf bei den Anwendern sowie einschneidenden organisatorischen Änderungen die jeden einzelnen betreffen.

Das Sample-Institut, ein Marktforschungsinstitut mit Sitz in Mölln in der Nähe von Hamburg, hat die Integration von Mikrorechnern technisch und organisatorisch weitgehend realisiert.

Fast alle Mitarbeiter des Institutes verfügen an ihrem Arbeitsplatz über einen Mikro. Als Host steht entweder eine IBM 4341 mit entsprechender Peripherie (unter anderem ein Laserdrucker von IBM) oder eine Norsk Data ND 100 zur Verfügung. Die Mitarbeiter arbeiten weitgehend offline, sofern die Anwendungen dies zulassen, übertragen Ihre Daten zum jeweiligen Host zur weiteren Verarbeitung, holen sich Daten vom Host zur Offline-Verarbeitung im Mikrorechner oder arbeiten online auf dem jeweiligen Host-System.

Als Mikros sind in diesem Falle Rainbow 100 von Digital Equipment eingesetzt, die zur IBM über das Koaxialkabel mit einer 3274 Steuereinheit verbunden sind. Für die Umsetzung von V.24 auf das Koaxialkabel sowie für die Protokollumsetzung wurde eine Box von Microtron eingesetzt, die in ihrer Funktionalität mit der IRMA-Karte für den IBM-PC vergleichbar ist, jedoch in bezug auf den File-Transfer Vorteile bietet

An dieser Stelle sollen noch einige grundsätzliche Anmerkungen zum Einsatz von Mikros am Arbeitsplatz gemacht werden.

Wirtschaftlich sinnvoll kann nur eine Lösung sein, bei der ein Mikro das vorhandene Terminal ersetzt.

Der Ersatz eines bestehenden Terminals durch einen Mikro führt zur Notwendigkeit, den Mikro, falls erforderlich, mit zusätzlicher Hardware auszurüsten, damit der Host ihn als Terminal akzeptiert. Zur IBM ist dies im Falle des IBM-PC der IRMA-Karte, im Falle des Rainbow die Microtron-Box.

Mit dieser zusätzlichen Einrichtung ist es dann möglich, den Mikro als Terminal zum Host einzusetzen sowie ihn für Offline-Anwendungen am Arbeitsplatz zu benutzen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation).

Im Integrationsprozeß, bei dem Daten von und zum Host übertragen werden, um die jeweiligen Resourcen zu nutzen, ist es nötig, über diese "Terminal-Verbindung" den Datenaustausch durchzuführen. Dabei muß der Host den hohen Datenstrom von oder zum Terminal verkraften können beziehungsweise der jeweilige Empfänger der Daten muß sich entsprechend seiner Aufnahmefähigkeit wehren können. In der Regel wird diese Synchronisation über ein Hardware-Handshake gesteuert.

Insbesondere der letzte Punkt führt beim Datenaustausch zwischen Host und Mikro zu Problemen, da die Host-Seite in der Regel nicht daraufhin ausgelegt wurde, daß derartige Datenströme vom Terminal kommen. In der Architektur der Rechner und der Betriebssysteme wurde eben in der Vergangenheit nicht berücksichtigt, daß einmal per Programm die Terminaleingaben kommen werden.

Im Spätherbst 1983 war im Sample-Institut die Mikro-Anbindung an die IBM nach anfänglichen Schwierigkeiten abgeschlossen. Die Terminal-Emulation zeigte vernünftige Antwortzeiten, der File-Transfer von der IBM zum Mikro war realisiert und konnte mit zufriedenstellenden Übertragungsraten (zirka 2400 Baud) durchgeführt werden. Lediglich der File-Transfer zur IBM war nicht zufriedenstellend in den Übertragungsraten (zirka 400 Baud).

Wie erklärt wurde, liegt dies an dem aufwendigen Protokoll, welches zwischen Mikro (sprich: Emulations-Box) und 3274-Steuereinheit erforderlich ist.

Jedes Zeichen, welches an der Tastatur des 3278-Bildschirmes eingegeben wird, muß zunächst über die Prüfprogramme (Mikro-Code der 3274) in der 3274 abgeprüft werden und erscheint erst dann am Bildschirm - es wird geechot -. Dadurch ist für den Menschen am Bildschirm sichergestellt, daß alle Zeichen, die er am Bildschirm nach Eingabe auf der Tastatur sieht, auch gültig sind und dem Host übermittelt werden.

Man kann sich vorstellen, daß diese permanente Prüfung der Zeichen beim File-Transfer zur IBM die Steuereinheit ganz schön beschäftigen kann.

Bei der im Sample-Institut eingesetzten Lösung mit der Microtron-Box wird für den File-Transfer zusammen mit dem Emulationsprogramm eine frei zu gestaltende Kommandodatei aufgerufen, in der - ähnlich wie bei einer Prozedur - die Tastenfolgen abgelegt werden, die nötig sind, um zum Beispiel eine Transaktion aufzurufen, eine Datei auf dem Bildschirm seitenweise durchzublättern und die nötigen Teile des Bildschirms abzuspeichern.

Beim File-Transfer zur IBM wird über die Kommandodatei die Transaktion aufgerufen - dies kann auch ein Editor sein (CMS oder ICCF etc.) - und die Daten der Datei werden dann zeichenweise in das ebenfalls in der Kommandodatei definierte Bildschirmfenster per Programm geschrieben.

Durch diese Vorgehensweise beim File-Transfer ist es möglich, jede Form der bildschirmorientierten Verarbeitung zu bedienen.

Der Unterschied liegt nur darin, daß die Eingabe in diesem Fall durch das Programm übernommen wird. Für die 3274-Steuereinheit sitzt am Bildschirm eine ultraschnelle Erfassungskraft.

Nach Installation der Systeme - 32 Mikros an der IBM - im Sample-Institut konnte dann der Versuch unternommen werden, von mehreren Mikrocomputern gleichzeitig den File-Transfer zur IBM zu starten.

Das Ergebnis, welches sich zeigte, war demotivierend: Bei dem Starten der dritten Übertragung hängten sich alle Systeme auf.

In mühevoller Detailarbeit wurde in den nachfolgenden Wochen versucht herauszufinden, wodurch dieser Effekt auftritt. Die Leitung wurde mitgeschrieben, die Übertragung wurde mit einer Zeitverzögerung versehen, doch immer wieder war der Effekt der gleiche, ohne daß die 3274-Steuereinheit dem Terminal meldete, daß sie das Terminal out-of-service setzt.

Als Ergebnis dieser Arbeiten mußte dann festgestellt werden, daß wir es mit einem Problem der IBM 3274-Steuereinheit zu tun hatten.

Nachfragen bei der IBM haben dann unsere Beobachtungen bestätigt:

Nach anfänglichem Zögern erklärte die IBM, daß dieses Problem bekannt sei. Die 3274-Steuereinheit ist derzeit nicht in der Lage, hohe Datenströme wie sie bei Grafik-Bildschirmen und beim File-Transfer auftreten, zu bewältigen. Es ist in diesem Fall nicht das Problem der Anbindung eines Fremdproduktes wie des Rainbow 100 mit der Microtron-Box, da die Probleme laut Aussage der IBM gleichermaßen mit dem IBM PC und den Grafikbildschirmen auftreten.

Nach Einschätzung der IBM wird es demnächst eine Lösung geben. Nur konnte man keine Zeitvorstellungen bekanntgeben. Auch ist noch nicht in Sicht, in welcher Weise diesem Problem entgegengetreten werden soll, und was die Sache dann kosten wird.

Eine Nachfrage bei anderen Anwendern, die sich ebenfalls mit der Anbindung von Mikros an ihre IBM befassen, ergab, daß keines der angesprochenen Unternehmen diesen Effekt bislang bemerkt hat, da alle derzeit lediglich mit einem oder maximal zwei Mikrocomputern ihre Erfahrungen sammeln. Der 3274-Überlassungseffekt beginnt jedoch erst beim dritten Gerät.