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Thema des Tages

Bei Hewlett-Packard kehrt ein neuer Besen

04.10.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Carleton "Carly" Fiorina, seit Mitte Juli President und CEO (Chief Executive Officer) bei Hewlett-Packard (HP), wirbelt den Konzern kräftig durcheinander. In einer Konferenz mit Analysten gab sie weitreichende Umstrukturierungsmaßnahmen bekannt, denen zufolge HP künftig mit jeweils nur noch einer Computing- und Drucker-Division auskommen will. Bisher existierten getrennte Einheiten für Low-end- und High-end-Rechner beziehungsweise für Laser- und Tintenstrahldrucker. Fiorina teilte ferner mit, das Umsatzwachstum für das vierte Quartal 1999 werde geringer ausfallen als erwartet, da die Einnahmen in den USA unbefriedigend seien und es Versorgungsengpässe aufgrund des Erdbebens in Taiwan gebe. Um dem nordamerikanischen Umsatz auf die Sprünge zu helfen, will das Unternehmen eine erfolgsorientiertere Bezahlung für die Vertriebsmitarbeiter einführen.

Am vergangenen Freitag sprach die neue HP-Chefin zum ersten Mal ausführlich mit Wallstreet-Analysten über das Traditionsunternehmen aus dem Silicon Valley. Für das Quartal, das am 29. Oktober zu Ende geht, erwartet sie eine Umsatzsteigerung, die eher am unteren Ende der prognostizierten Skala von zehn bis 13 Prozent liegt. Verantwortlich dafür seien die geringen Server-Verkaufszahlen in den USA. Während sich die Umsätze in Europa und Asien gut entwickelten, stagniere das Geschäft in Nordamerika. "Unsere US-Vertriebsorganisation bringt nach wie vor schwache Leistungen. Das ist nichts neues, es ist seit langem ein Problem," kommentierte Fiorina. Um das Geschäft im Heimatland anzukurbeln, will sie die Besoldung der Vertriebsmitarbeiter nun stärker an die Verkaufsleistung koppeln. Wer zu geringe Umsätze bringt, soll entlassen werden. 250 Mitarbeiter sind bereits gefeuert oder mit anderen Aufgaben innerhalb des Unternehmens betraut worden. Des weiteren machte

Fiorina Zulieferprobleme, die durch das Erdbeben in Taiwan entstanden sind, für die schleppende Geschäftsentwicklung verantwortlich.

Die HP-Chefin will auch an oberster Stelle neue Strukturen schaffen. Statt vier getrennter Einheiten soll es nun ein "duales System" geben. Die PC-Einheit und die Enterprise-Server-Gruppe werden zu einer Computer-Division verschmolzen, deren Leiter der bisherige PC-Chef Duane Zitzner wird. Die Drucker-Division, in der die Bereiche Laser- und Tintenstrahl-Drucker gebündelt werden, wird Carolyn Ticknor leiten, die bislang Chefin des Bereichs Laser-Drucker war. Des weiteren soll Ann Livermore, die zuvor die Einheit High-end-Computersysteme unter sich hatte, nunmehr die 100 größten Geschäftskunden von HP und die E-Services-Initiative betreuen, die bereits Partnerschaften mit 35 verschiedenen Firmen geschlossen hat. Der ehemalige Leiter des Bereichs Tintenstrahl-Drucker, Antonio Perez, wird ab sofort Chef der Einheit Digital Imaging für digitale Fotografie und Scanner-Technologie, Kundenservice, Internet-Vertrieb sowie das Produkt-Branding.

Einige Analysten befürchten strategische Verwirrungen für HP, wenn die teueren Unix-Systeme mit den billigen Verbraucher-PCs in einer Abteilung hergestellt werden. Um diesbezügliche Marketing-Probleme zu vermeiden, konzentriert sich beispielsweise Wettbewerber Sun Microsystems allein auf den Verkauf der Unix-Rechner und überläßt das PC-Geschäft anderen. Fiorina begründete die Kombination beider Bereiche jedoch damit, daß man mit dieser Strategie eine breitere Palette von Kunden erreichen würde. Zum Thema Unix meinte sie, HP engagiere sich sehr auf diesem Gebiet. "Wir werden das Feld nicht Sun überlassen," so die HP-Chefin wörtlich. Die Maßnahmen im Bereich Vertrieb sieht Richard Chu, Analyst bei der S.G. Cown Securities Inc. aus Boston, positiv: "Das Hauptproblem bei HP war immer der Vertrieb in den USA. Bis jetzt hat das Unternehmen stets gezögert, sich vom leistungsschwachen Personal zu trennen." Die Börse reagierte positiv

auf diese Nachrichten: Die HP-Aktie notierte am Freitag bei 87,375 Dollar - um 3,375 Dollar höher als am Vortag.