Supercomputing '93 (Teil 2)

Bei Herstellern und Besuchern macht sich Katerstimmung breit

19.03.1993

Massiv-parallele Rechner bietet schon seit Jahren Ncube an. Neben den bekannten technisch-wissenschaftlichen Anwendungen zielt Ncube mit der Portierung der Oracle-Datenbank auf den kommerziellen Markt. Dieser Markt besitzt ein erheblich groesseres Potential als der technisch-wissenschaftliche.

Horst Gietl stellte den "Ncube3"-Rechner vor, der derzeit entwickelt wird. Die Ziele der Ncube-Entwickler sind ehrgeizig: 6,5 Tflops doppelt genau im IEEE-Format, 65 TB Hauptspeicher bei 65 536 Prozessoren.

Sicherlich sind grosse Anstrengungen noetig, diese hochgesteckten Ziele zu erreichen. Neben einer eigenen Systemoberflaeche (Parallel Software Environment) werden Parallelisierungsumgebungen wie "Forge90", "Linda" und "Express" unterstuetzt.

Compiler fuer Programmiersprachen wie Fortran77, ANSI C, C++ und Ada aber auch fuer parallele Sprachen wie HPF Fortran (High Performance Fortran), ein paralleles Prolog sowie daten-paralleles C sollen auf dem Ncube3 zu verwendet sein.

Neben den Vektorsupercomputer-Herstellern gibt sich nun auch NEC parallel, einmal mit dem Versuchssystem "Cenju2", zum anderen - aehnlich Fujitsu - mit einem Vektor-Parallel-Prozessor. Daneben wurden Vektorisierungs- und Parallelisierungshilfsmittel demonstriert.

Parsytec unterstrich seine Kompetenz als Parallelrechnerhersteller durch das "Zeus"-Projekt. Vier Rechnersysteme in Koeln, Paderborn (1024 Prozessoren), Amsterdam und Athen (512 Prozessoren) sind europaweit miteinander verbunden. In Paderborn sollen im uebrigen schon einige der T805-Transputer durch die erheblich schnelleren T9000er ersetzt worden sein.

Auch SNI hat einen parallelen Partner

Mit der neuen Rechnerserie "Power Challenge" will auch Silicon Graphics in den Markt der massiv-parallelen Supercomputer eindringen. Das symmetrische System mit gemeinsamen Speicher beruht auf den neuen superskalaren Mips-RISC-Prozessoren mit dem Codenamen "TFP". Die Spitzenleistung soll 5,4 Gflops betragen.

Auch Siemens-Nixdorf hat sich einen parallelen Partner gesucht. Der "KSR-1"-Rechner von Kendall Square wird jetzt von SNIs Supercomputermannschaft vertrieben. Der Rechner zeichnet sich durch ein Virtuell-shared-memory-Konzept aus, bei dem es sich allerdings nicht um einen virtuellen Speicher handelt.

Die einzelnen lokalen Speicher der Prozessoren erscheinen dem Anwender durch die "Allcache"-Maschine wie ein einziger globaler Speicher. Das System sorgt automatisch fuer das Bereitstellen der Daten in einem speziellen Prozessor. Gegenueber anderen Parallelrechnern muss der Benutzer nicht wissen, in welchem lokalen Speicher die benoetigten Daten liegen. In Deutschland wurden unter anderem schon Rechner an das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, das Leibniz-Rechenzentrum in Muenchen und die Universitaet Mannheim verkauft. Daneben vertreibt SNI weiterhin die Vektor-Supercomputer der "S-Serie" und die "VPP"-Rechner von Fujitsu.

Schliesslich bleibt noch Thinking Machines mit dem Parallelrechner "CM 5". Ein neues Computing Paradigm sieht Thinking Machines in der Kombination und engen Zusammenarbeit von Workstations und Parallelrechnern, die die gesamte Leistungsanforderung des Anwenders abdeckten. Insbesondere durch die fallenden Preise bei

Mikroprozessoren, Speicher-Chips und kleinen Magnetplatten koennten komplexere und leistungsfaehigere Parallel- und Desktop-Rechner aufgebaut werden.

Der Brueckenschlag zwischen Superrechnern und Workstations gelingt dabei nach Thinking Machines auch durch Tools wie High-Performance-Fortran. Dieses wird auch auf den Workstation- Plattformen von IBM, Digital und Sun verfuegbar sein, womit eine einheitliche Programmiersprache ueber verschiedene Rechnerleistungsklassen bereitstuende.

Network Systems und Ultra Network Technologies offerierten Hochleistungs-Netzwerkverbindungen, die bei Workstation-Netzen immer wichtiger werden. Auch beim Visualisieren der Ergebnisse ist eine hohe Leistung gefragt. Hier kann

Uniras mit einer entsprechenden Software aufwarten.

Was Fortschritt in der DV bedeutet, zeigen auch Unternehmen wie Ampex oder Emass. Diese speichern auf ein D2-Band (19 Millimeter), das rund 100 Mark kostet, bis zu 25 GB. Das entspricht einem Turm von mehr als 160 9-Spur-Magnetbaendern. Auf die groessten Baender passen 165 GB Daten.

Viel Neues wurde in Utrecht auf der fuenften Veranstaltung dieser Art nicht geboten. In Muenchen - das zeigte sich in Holland - sollten auch Workstation-Hersteller vertreten sein, denn die Leistung so manches Clusters reicht mittlerweile in die High- Performance-Leistungsklasse hinein.

Supercomputing - das heisst heute nicht mehr nur Vektorrechner fuer mehrere Millionen Mark, sondern auch Parallelverarbeitung mit einer moderaten Zahl an Prozessoren fuer den Einsteiger.

Zu hoffen bleibt nur eine gegluecktere Veranstaltung in Muenchen, denn sonst waere Europa um ein wichtiges High-Performance-Ereignis aermer - und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Vorschlaege des Rubbia-Reports verwirklicht werden sollen.

* Uwe Harms ist freier Autor und Supercomputing-Berater in Muenchen.