Die FC Bayern Sport-Werbe GmbH - ein typischer Mittelständler

Bei Fußball und Software: Flexibilität bringt Vorteil

01.11.1996

Der riesige rot-blau gestreifte Fußabtreter mit den bayerischen Rauten ist eine Sonderanfertigung. Sonst aber läßt sich fast alles käuflich erwerben, was in dem schmucklosen Industriegebäude die Farben des beliebtesten deutschen Ballspielvereins trägt. Vom Federmäppchen über das Parfum bis hin zur Weihnachtsversion des Maskottchens "Bazi" ist für so ziemlich jeden Geschmack etwas dabei.

Das Warenlager bedeutet eine Fundgrube für jeden Fan des "deutschen Rekordmeisters". Zuhauf liegen sie dort herum: die Originaltrikots des Dreistreifen-Herstellers, die Uhren mit dem Konterfei der Spielerstars, die knuddeligen Plüschtierchen und all der Schnickschnack, der die individuelle Liebe zum Verein in ein öffentliches Statement verwandelt.

Mit dieser säkularisierten Version des Devotionalienhandels nahm der FC Bayern München e.V. oder genauer: seine Merchandising-Tochter Sport-Werbe GmbH, in der vergangenen Saison rund 24 Millionen Mark ein. Heuer sind es voraussichtlich knapp 50 Millionen.

Auf dem begrenzten Raum des Bayern-Hauptquartiers an der Säbener Straße lassen sich die angebotenen und nachgefragten Produktmengen mittlerweile nicht mehr lagern und verpacken. Rund 700 verschiedene Artikel hat die Sport-Werbe GmbH ständig im Zugriff - darunter Lizenzprodukte, für die der kommerzielle Zweig des FC Bayern lediglich ein Vertriebskanal unter vielen ist, aber auch Gegenstände, die im Auftrag des Vereins gefertigt wurden.

Im Herbst vergangenen Jahres, rund ein Jahr nach seiner Gründung, zog das Merchandising-Unternehmen in den Gewerbebau am Rande des Münchner Vororts Oberhaching. Wie Rolf Riemhofer, Leiter Finanz- und Rechnungswesen, erläutert, wäre das Weihnachtsgeschäft sonst nicht zu bewältigen gewesen - vor allem nicht die raumgreifende Verpackungsarbeit. Etwa 80 Mitarbeiter beschäftigt die Sport-Werbe GmbH zur Hoch-Zeit um die Jahreswende rund ein Fünftel davon ist ausschließlich damit beschäftigt, die Warenbestellungen lieferfertig zu machen.

Ihren jeweiligen Aufgaben entsprechend, betreiben Verein und GmbH unterschiedliche IT-Umgebungen. Gemeinsam nutzen sie jedoch einen an der Säbener Straße installierten Unix-Host des FC-Bayern-Sponsors Hewlett-Packard. Der ebenfalls von HP stammende Server in Oberhaching ist per ISDN-Standleitung mit dem Host verbunden.

Der FC Bayern München e.V muß vor allem die knapp 50000 Mitglieder und die Eintrittskarten für Bundesliga-, Pokal- und Privatspiele verwalten beziehungsweise verteilen. Die Sport-Werbe GmbH hingegen widmet sich ausschließlich der Vermarktung von Fan-Artikeln. Als die strategische Anwendung des Unternehmens bezeichnet Riemhofer denn auch das Vertriebssystem, das Auftragserfassung, Kundenverwaltung und Artikeldisposition umfaßt.

Seit Anfang dieses Jahres setzt die Sport-Werbe GmbH für diese Funktionen und für die obligatorischen Buchhaltungsvorgänge das Softwareprodukt "Navision" des dänischen Anbieters PC&C Development A/S ein, dessen deutsche Vertriebszentrale in Hamburg zu Hause ist.

Bevor sie auf Navision umstiegen, hatten die Bayern-Merchandiser eine Vertriebsanwendung eingesetzt, die auf der Grundlage der Datenbank-Programmiersprache "Progress" im eigenen Haus entwickelt worden war. Laut Riemhofer war dieses System auf die Dauer aber zu "umständlich".

Daß die Standardlösung für die wichtigsten Applikationsbereiche aus dem Hause Navision kam, hatte unterschiedliche Ursachen. Die beiden Hauptgründe waren, daß der Hardwarehersteller Hewlett-Packard eine Empfehlung für die dänische Software ausgesprochen hatte und der FC-Bayern-Ausrüster Adidas als Referenzkunde dienen konnte.

Daneben weiß Riemhofer aber auch um die Vorteile der Software: Aufgrund der objektorientierten Struktur der Anwendungen lassen sich alle Buchungen als Vorgänge speichern, also nicht nur als Zahlen. Auf diese Weise ist das System in der Lage, die gesammelten Informationen in vielfacher und flexibler Weise auszuwerten. Beispielsweise kann es alle Warenbewegungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums anzeigen.

Im Gegensatz zu Mitbewerbern wie R/3 von SAP ist die Navision-Software, so der Finanz- und DV-Chef, relativ leicht parametrisierbar. Bevor das System in Betrieb genommen werde, müsse nur an einer Handvoll Schrauben gedreht werden. Deshalb seien für diese Arbeit auch keine externen Mitarbeiter notwendig, obschon die eigentliche DV-Abteilung der Sport-Werbe GmbH aus nicht mehr als drei Leuten bestehe.

Zudem bescheinigt Riemhofer dem System, daß es flexibel und einfach zu handhaben sei. Ganz ohne Customizing ging die Einführung jedoch nicht ab: Beispielsweise kannte die Software anfangs nur eine Form der Zahlung. Die Sport-Werbe GmbH akzeptiert aber sowohl Vorauskasse als auch die Bezahlung per Nachnahme. Wie Riemhofer erläutert, gab es wegen der objektbasierten Struktur der Applikationen allerdings wenig wirkliche Programmierarbeit zu leisten. Auch künftige Änderungen, beispielsweise an den Liefermodalitäten, würden sich deshalb mit vergleichsweise geringem Aufwand abbilden lassen.

Allerdings warnt der Finanz- und Software-Experte davor, von dieser änderungsfreudigen Struktur mehr Gebrauch zu machen als unbedingt notwendig. Denn bei jedem Release-Wechsel müßten die Änderungen nachgetragen werden. Zusätzliche Funktionen werden bei der Sport-Werbe GmbH folglich nicht integriert, sondern quasi außen anklebt. Während der Einführungsphase der Standardsoftware nutzen die Mitarbeiter des Vertriebsunternehmens eine DOS-Version der Navision-Software. Allerdings hat sich Riemhofer bereits das Windows-95-basierte Nachfolgeprodukt mit der Bezeichnung "Financial" auf seinen Laptop geladen, um dessen zusätzlichen Nutzen zu erproben.

Positiv vermerkte der Finanz- und IT-Chef, daß die Zugriffsberechtigungs-Verwaltung weniger kompliziert sei als bei der Vorgängersoftware. Während sie dort für jedes Fenster separat vergeben werde, gliedere sie sich hier hierarchisch. Zudem ermögliche die neue Produktversion den direkten Datenaustausch mit den "Winword"- und "Excel"-Anwendungen der End-User. In Kürze soll das aktuelle Navision-Produkt auf den zwei Dutzend PC-Terminals der FC Bayern Sport-Werbe GmbH getestet werden.

Viel Speicherplatz auf der Reservebank

Einige Wermutstropfen werden die Anwender aber auch mit der neuen Softwareversion schlucken müssen. Nach Riemhofers Erfahrungen gehen die Navision-Produkte ziemlich verschwenderisch mit den Speicherressourcen um. Die Sport-Werbe GmbH habe es sich zum Ziel gesetzt, alle Informationen drei Jahre lang aufzuheben. Da die Navision-Software die Daten permanent im System vorhalte, sei absehbar, daß das System schnell an die Grenzen des ursprünglich vorhandenen Speicherplatzes von 8 GB stoßen werde. Schon heute sei etwa die Hälfte dieser Kapazität belegt.

Die ressourcenintensive Arbeitsweise der Software äußere sich beispielsweise darin, daß sie bei jeder Datensicherung eine Kopie der jeweiligen Datenbank erstelle, anstatt die Einträge zu überschreiben. Positiv daran ist, daß die Anwender während des Sicherungsvorgangs weiterarbeiten können. Allerdings ist sehr viel freier Speicherplatz notwendig, um einen Systemabsturz zu vermeiden. Ein externes Sicherungsmedium läßt sich nicht direkt ansprechen.

Größeren Durchsatz, also wiederum mehr Speicherplatz, benötigt die Sport-Werbe GmbH auch, wenn sie ihren Mitarbeitern das Däumchendrehen ersparen will. Navision sperrt nämlich bei jeder Buchung nicht nur den jeweiligen Record, sondern die gesamte Datenbank. Tagsüber werden deshalb heute nur die Daten erfaßt die eigentlichen Buchungsvorgänge finden nachts statt.

Aber Hilfe naht: In Kürze wird die Speicherkapazität auf insgesamt 22 GB aufgestockt. Allerdings wird nur die Hälfte davon für die Datenbank zur Verfügung stehen, während die andere Hälfte zur Datenspiegelung genutzt wird.

Sobald die FC-Bayern-Tochter mit Financial aus dem Gröbsten heraus ist, steigt voraussichtlich auch die Mutter auf die Standardsoftware um. Bislang gab es da ein unüberwindliches Hindernis: Navision akzeptiert nur Datumseingaben zwischen dem 1. Januar 1950 und dem 31. Dezember 2050, weshalb sich das System nicht für die Mitgliederverwaltung eigne. Im neuen Financial-Produkt ist dieses Problem jedoch gelöst.

Unternehmensprofil

Die FC Bayern Sport-Werbe GmbH ist quasi das ausführende Organ des Marketingkundigen Bayern-Managers Uli Hoeneß. Sie fungiert gleichzeitig als Groß- und Einzelhandelsunternehmen. Das heißt: Sie beliefert sowohl Fans als auch Wiederverkäufer wie die Kaufhof-Kette und die Fachgeschäfte der Zusammenschlüsse "Intersport" und "Sport-2000". Ein Dienstleistungsvertrag mit der Quelle AG, Fürth, hat weniger die Generierung zusätzlichen Umsatzes als vielmehr die Entlastung des Warenlagers zum Ziel. Quelle beliefert die Kunden, deren Bestellmengen die Raumkapazität des mittelständischen Unternehmens sprengen würden.