Utrechter Jaarbeurs spiegelt Trend zur Integration wider:

Bei Europe Software '86 Holländer unter sich

18.04.1986

UTRECHT - "Aus dem Dornröschenschlaf erwacht" gaben sich die Niederländer während der Europe Software 86 vom 8. bis 10. April in Utrecht. Mit offiziell eingestandener Verspätung von knapp zwei Jahren im internationalen DV-Vergleich steht der niederländische Markt jetzt in voller Blüte. Eine breitangelegte Software-Leistungsschau prägte folglich auch das Bild dieser mehr niederländisch denn international ausgerichteten, größten Softwarebörse unseres Nachbarlandes.

Von Internationalität war recht wenig auf dieser Messe zu spüren. Nur ein deutscher Direktaussteller die PSI GmbH aus Berlin, fand den Weg nach Utrecht mit deutscher Standbesetzung; ausgerichtet allerdings wurde die Schau von der holländischen PSI-Tochter aus Alphen a/d Rijn. Acht weitere bundesdeutsche Unternehmen beschickten die Europe Software durch Partnerunternehmen mit ihren Produkten.

Die eher müde internationale Beteiligung auch anderer europäischer Staaten und der USA erklärt Fetze Pijlman, der verantwortliche Ausstellungsmanager, mit einer Besonderheit des niederländischen Marktes: "Es ist sehr leicht, für international vertriebene Produkte einen niederländischen Repräsentanten zu finden." So sei der amerikanische Gemeinschaftsstand von früher 20 auf jetzt sieben Direktaussteller geschrumpft, ohne daß sich die Zahl der angebotenen Produkte nennenswert verändert habe.

Als Renner der Saison entpuppen sich neben Standardsoftwareprodukten Lösungen für die Büroautomation und Integration. Stark im Kommen ist daneben aber nach Aussage eines Mitarbeiters des Ausbildungsinstituts Novi aus Maarssen Software für den Umweltschutz.

Obwohl in großen Unternehmen die Programme im Normalfall in Eigenentwicklung erstellt werden, ist der niederländische Markt mit Tools zur SW-Entwicklung und Produktivitätssteigerung nach holländischen Aussagen noch dünn bestückt. Zwar existieren eine Reihe von interessanten Teilwerkzeugen, umfassende Tools aber sind schwierig zu finden.

So stellte die Dependance der PSI neben den PSI-Tools erstmals in den Niederlanden auch das Produktionsplanungs- und -steuerungssystem "Piuss 0" vor - rund zwei Jahre nachdem diese Entwicklung in der Bundesrepublik auf den Markt gekommen ist.

Zu dieser Verzögerung meint der holländische PSI-Geschäftsführer Gerardus E. Kamphuis mit leicht ironischem Unterton: "Das liegt wohl an der Mentalität der Landsleute, die immer erst zwei Jahre warten, ob sich ein Produkt bewährt - und dann eine Studie in Auftrag geben."

Dennoch, nachdem der Markt lange Zeit von Softwareprodukten aus dem englischsprachigen Bereich beherrscht wurde, drängen die Holländer jetzt verstärkt mit eigenen Erzeugnissen auf den Markt, meint Cees P. Ruigrok, Direktor der holländischen Exportvereinigung DECS (Dutch Exporters of Computer Services and Products).

IBM spielt dort wie hier offensichtlich die dominierende Rolle: Bei näherem Hinsehen erst wird offenkundig, daß sich die IBM auf ihren Mammutstand 18 Untermieter in Form von spezialisierten Softwarehäusern geholt hat und selbst nur 15 bis 20 Prozent der Standfläche beansprucht.

Großen Wert legen Veranstalter und Aussteller auf den Bereich der Ausbildung. So hielt beispielsweise die Novi gut besuchte Spreadsheet-Kurzkurse ab; Messesponsor "Computable", ein Amsterdamer Verlag mit angeschlossener Seminar-Division, flankierte die Veranstaltung ebenso wie das private Ausbildungs- und Verlagshaus Samson Seminars mit Konferenzreihen. Bis auf wenige Ausnahmen war die Konferenzsprache allerdings Holländisch.

Das für die Niederlande große Interesse an diesem breitgefächerten Zusatzangebot erklären die Veranstalter mit dem starken Bedarf an Spezialisten, der bei weitem nicht durch öffentliche Ausbildungsstätten und Universitäten gedeckt werden kann.

Hier werden dem Staat Versäumnisse vorgeworfen - Selbsthilfe heißt jetzt die Devise der Industrie, zumal sich die Universitäten auch als Konkurrenz zu den Softwareherstellern begreifen und zu "Dumpingpreisen" ihre Leistungen auf dem privaten Markt anbieten.

Ein organisatorisches Novum begleitete die Jaarbeurs: Nachdem die Veranstalter davon abgekommen sind, wie im letzten Jahr auch reine Hardwarehersteller zuzulassen, ist die "Europe Software 86" in die "Management 86" eingebunden worden.

Die "Management 86" kombiniert zehn verschiedene, teils sehr kleine Messen miteinander.

Der Europe-Software-Besucher fand hier ein buntes Gemisch von Audio/ Video, Bankenberatung, Exportunterstützung, Teilzeitunternehmen und Geschenkartikelherstellern. Die Rechnung der Veranstalter scheint freilich nicht voll aufgegangen zu sein. Von am ersten Messetag gezählten insgesamt 6000 Besuchern der auch optisch getrennten ES '86 und der Management '86 lösten nur knapp 200 die etwas teurere Doppelkarte.