"Überschaubare CIMCAD-Messe" findet Anklang bei den Ausstellern:

Bei der Systec '88 lag die Würze in der Kürze

04.11.1988

MÜNCHEN - Die Systec, das jüngste und kleinste Kind von Gerd vom Hövel, dem "Vater des Münchner High-Tech-Messeverbunds", wird von der Industrie regelrecht gehätschelt. Endlich eine DV-Show, so heißt es, bei der das lästige Laienpublikum außen vor bleibt.

Totgetreten werden konnte man nicht auf der Systec '88, der zweiten "Fachmesse für Computerintegration im Produktionsunternehmen". Mit den gut 30 000 Interessenten, die während der vier Messetage das Ausstellungsgelände auf der Münchner Theresienhöhe

besuchten, wurde das überwiegend Hannover-erprobte Standpersonal ohne größere Anstrengungen fertig. Gäste wie Aussteller waren froh um die "Überschaubarkeit", die die Münchner Messeplaner als wesentlichen Bestandteil ihres Konzepts sehen: keine Mammutstände wie in der CeBIT-Halle 1, keine allzu weiten Wege, eine akzeptable Gliederung und - wegen des abschreckend hohen Eintrittspreises von 35 Mark (Tageskarte) - kaum Pennäler, keine Familien.

Marktforscher, die im Auftrag der Münchener Messe- und Ausstellungsgesellschaft (MMG) die Resonanz bei den Ausstellern eruierten, berichteten fast nur Positives. So seien 91 Prozent der Firmen zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Systec-Beteiligung, was laut Gerd vom Hövel in etwa so zu interpretieren ist, daß sie ihre Kunden-Zielgruppen erreicht hätten. Gut 53 Prozent haben, so die MMG, sogar die Note 1 oder 2 vergeben; bei der Pilotveranstaltung vor zwei Jahren wären nur 41 Prozent zu diesem Urteil gekommen. Damals allerdings waren auch kaum mehr als 20 000 Besucher angereist, um sich das mit 286 (heuer 517) Ständen noch sehr magere Angebot anzuschauen.

Wie es sich für eine High-Tech-Messe gehört, lobten die meisten Aussteller (90 Prozent) die "hohe fachliche Qualität der Besucher". Dementsprechend ortete die MMG im Publikum "sowohl Entscheidungsträger höchsten Ranges als auch viele an Entscheidungen mitwirkende Fachkräfte unterschiedlicher Unternehmensbereiche".

Was damit gemeint ist, verdeutlicht Michael Jacobsen-Rey, Marketingmanager Fertigungsindustrie bei Tandem in Frankfurt: Vor allem das Mittelmanagement sei gekommen, die Ebene unterhalb der für das Budget verantwortlichen "Entscheidungsträger". Andere Herstellerfirmen bestätigen die Einschätzung: Der typische Systec-Klient ist zwar kompetent und bereitet die Entscheidung vor, darf aber nichts unterschreiben. Aber das ist auch gar nicht der primäre Zweck dieser Messe, wenn man der Darstellung der Anbieter Glauben schenken darf.

Die Besucheranalyse des von der MMG beauftragten Meinungsforschungsinstituts belegt, daß die fürs Geldausgeben zuständigen Leute rar waren: 38 Prozent kamen aus Forschung, Entwicklung und Konstruktion, 12 Prozent aus der Produktion, 11 Prozent aus der Aus- und Weiterbildung, 11 Prozent aus dem Vertrieb; Mitglieder von Geschäftsleitungen erschienen mit 15 Prozent nicht sehr zahlreich. Es hätten aber mehr sein können, meinte ein IBM-Sprecher, wenn die Messe nicht schon vor dem Wochenende aufgehört hätte. Denn viele mittelständische Unternehmer - gerade aus der Zuliefererszene - könnten ihren Betrieb wochentags nicht alleine lassen.

Dennoch zeigten sich die meisten Aussteller mit der Resonanz bei der mittelständischen Fertigungsindustrie zufrieden. Jeder zweite Systec-Gänger repräsentierte laut MMG-Untersuchung einen Klein- oder Mittelbetrieb. Zu dieser Kundschaft kommen noch die 20 Prozent Vertreter von "Dienstleistungsunternehmen" hinzu, wie man Beratungsfirmen im Statistikerjargon nennt.

Überdurchschnittlich viele Mittelständler glaubt Dieter Maszczyk, Leiter Industriemarketing in Nixdorfs Stuttgarter CIM-Zentrum, am Stand seines Konzerns ausgemacht zu haben. Er schätzt deren Anteil auf 60 Prozent. Die typische Käuferschicht der Paderborner ist aber nicht jedermanns Sache; trockener Kommentar des Geschäftsführers eines nicht ganz unbekannten Workstation-Herstellers: "Mittelstand ist gut, aber unser Geld verdienen wir woanders."

Weil es für die Aussteller in der Tat ums Geldverdienen, ergo: Produktpropaganda ging, fand das zentrale Messethema "Integration" überwiegend auf dem Systec-begleitenden CIM-Kongreß des VDI statt. In den meisten Hallen hingegen dominierten noch die im Messe-Emblem bereits miteinander vernetzten DV-Inseln - wie CAD, CAM, CAQ, PPS; auch Tools wurden "solo" angepriesen. Die Sonderschau "Rechnerintegrierte Produktion" des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München zog mit ihrer Prototyp-Anlage nicht zuletzt deshalb viele Zuschauer in ihren Bann, weil CIM noch immer nur eine Idee ist, aber kein marktreifes Produkt.

Selbst in der Halle 16, in der die Großen der DV-Branche ihre allumfassenden Integrationskonzepte vorstellen sollten, fragten die Kunden nach scheinbar Banalem. Nicht einmal 20 Prozent der Interessenten, so schätzt Hewlett-Packards Verkaufsleiter Bayern, Edmund Bernardi, sei es um Integrationsfragen gegangen. Die übrigen hätten beispielsweise ihre Probleme mit CAD und Fertigungssteuerung in den Griff kriegen wollen. Nixdorfer Maszczyk hingegen beobachtete in etwa doppelt soviel Integrations-Interesse bei seinen Kunden.

Um das Thema CIM am Kochen und damit die Systec im Gespräch zu halten (freilich auch um mehr internationale Gäste anzulocken), legt Messe-Geschäftsführer Gerd vom Hövel großen Wert auf den Kongreßteil. Einen Partner hat er in der European MAP User Group (EMUG) gefunden, die in diesem Jahr zum ersten Mal in München Workshops über das Manufacturing Automation Protocol veranstaltet hat (ein ausführlicher Bericht hierüber folgt in einer späteren Ausgabe der COMPUTERWOCHE). Weitere gemeinsame Aktivitäten sind für die kommende Systec geplant.

Bei dieser dritten Münchner Computerintegrations-Messe, die im Oktober 1990 stattfinden wird, haben die Besucher einen Tag mehr Zeit, sich mit dem Produkt- und Kongreßangebot zu befassen - die Systec '90 beginnt schon am Montag. Dabei war dieses Jahr das Bonmot zu hören: "Das beste an dieser Messe ist, daß sie erst am Dienstag anfängt und schon am Freitag aufhört." Und von diesen vier Tagen, die sich so erfreulich in die reguläre Arbeitswoche einfügen, waren ohnehin nur an den beiden mittleren wirklich etwas los. Denn die Messe hatte einen äußerst schleppenden Start - ein Aussteller: "Das ist wohl ein Naturgesetz!" - und ein zähes Ende am Freitag. Die zwei Tage dazwischen waren den Anwendern, scheint's, genug.