Tendenzen bei der Entwicklung von DV-Anwendungssystemen:

Bei der Software tritt die Planung in den Vordergrund

07.10.1977

INNSBRUCK - "Die Hardwarekosten werden über die Zeit drastisch sinken, die Softwarekosten dagegen weiter kräftig steigen", prognostizierte Professor Dr. Joachim Griese, Uni Dortmund, vor den Teilnehmern des Softwareforums "Industrie und Handel", das

die Siemens AG in Innsbruck veranstaltete. Deshalb sei es für jeden EDV-Leiter heute ein Muß, Entscheidungen über umfangreiche Softwareinvestitionen gegenüber der Unternehmensleitung durch "harte" Argumente zu untermauern, "aber wer kann das schon?"

Griese bemängelte vor allem, daß Entwurf, Entwicklung und Einsatz von EDV-Anwendungssystemen bisher zu stark von der Seite der Datenverarbeiter her gesehen wurden: "In Zukunft wird die Planungsphase mehr in den Vordergrund rücken - Gelegenheit für die Fachbereiche, sich zu bewähren."

Aber auch die dem eigentlichen Software-Entwicklungsprozeß nachgelagerte Phase rücke zunehmend ins Blickfeld: Der Betrieb der Anwendungssysteme. Gemeint sei damit die Wartung von Programmen, um Fehler zu erfassen und die Anwendungssoftware der sich ständig ändernden Ablauforganisation des Betriebes anzupassen. Griese: "Wenn es auch in einigen Fällen möglich ist, sich bei der Hardwarebeschaffung mit einer gewissen Salami-Taktik am Rande durchzumogeln, so ist das bei der Software nicht so leicht möglich."

Der Dortmunder Wissenschaftler verwies darauf, daß der Gesamtkomplex "Software-Entwicklung" nur durch eine Zerlegung (Dekomposition) überschaubar gemacht werden könne, "damit es endlich gelingt, die Planungsideologien in konkrete Software-Verfahren umzusetzen, die auch der Praktiker akzeptiert."

Allerdings unterliegen, wie Griese ausführte, die Software-Techniken zur Zeit einem starken Wandel, "das mache wiederum die Planung so schwierig". So könne niemand verläßliche Angaben über den Aufwand eines geplanten Anwendungssystems machen, etwa Eingangsgrößen wie "Mann-Tage" oder "Lines of Code" genau definieren: "Daran kranken alle Schätzverfahren." Bei der Gestaltung und dem Einsatz von Software-Systemen müßten deshalb verstärkt Methoden aus anderen Disziplinen verwendet werden, beispielsweise die Nutzwertanalyse oder demoskopische Verfahren.