Nach permanenten Geschäftsführerwechseln und Umstrukturierungen

Bei der deutschen Olivetti ist viel Aufbauarbeit erforderlich

16.10.1992

MÜNCHEN - Mit der Übernahme des Geschäftsführerpostens bei der Frankfurter Olivetti GmbH hat Ex-Bull-Topmanager Werner Sülzer (46) ein schweres Amt angetreten. Das Unternehmen macht Verlust, und der Umsatz ist - gemessen an der Zahl der Kunden wie auch der Mitarbeiter - zu niedrig. Dennoch glaubt Sülzer, Olivetti schon bald in die Gewinnzone führen zu können.

Nach den ersten drei Monaten als Olivetti-Geschäftsführer befindet sich Sülzer noch in der Schonzeit. Bestandsaufnahme war zunächst einmal angesagt, und die zum Vorschein kommenden Ergebnisse brachten so manche unliebsame Überraschung: frustrierte Mitarbeiter durch die zahlreichen Umstrukturierungen in den vergangenen Jahren, rote Zahlen, die 1992 höher ausfallen werden als im letzten Geschäftsjahr - und ein krasses Mißverhältnis zwischen Kundenbestand und Umsatzausbeute. "Olivetti hat in Deutschland rund 7000 Kunden", erklärte Sülzer vor der Presse in München. "Zuerst war ich angenehm überrascht. Dann aber stellte ich fest, daß mit zehn Prozent der Kunden rund 93 Prozent des Umsatzes gemacht werden. Dies war weniger erfreulich." Auch daß der Gesamtmarktanteil Olivettis hierzulande bei nur zwei Prozent liegt, hat dem neuen Geschäftsführer sicherlich zu denken gegeben.

Nun bastelt der Vertriebs- und Marketing-Profi an strukturellen Veränderungen. Als erste Maßnahmen plant Sülzer, die Betreuung der Großkunden durch die Schaffung professioneller Teams zu optimieren und mit "Tele Sales" eine dritte Vertriebsschiene einzuführen. Darüber hinaus, so der ehemalige Bull-Manager, müsse man die traditionellen Stärken im Bankensektor besser ausnutzen. Obwohl Olivetti zu den wenigen Herstellern gehöre, die in der Lage seien, eine Bank komplett auszurüsten, sei das Unternehmen in Deutschland in diesem Bereich deutlich unterrepräsentiert. Nicht zuletzt denkt er über Personalmaßnahmen nach. Derzeit stehen rund 900 Mitarbeiter auf der Payroll.

Seine Vorhaben dürfte Sülzer auch in dem Zweijahresplan manifestiert haben, den er unlängst der Konzernleitung in Italien vorlegen mußte. Die erwartet zweifellos, daß der neue Mann die deutsche Olivetti baldmöglichst in die Gewinnzone führt. Doch die schwierige Marktsituation, vor allem aber die durch die vielen Restrukturierungen in den vergangenen Jahren entstandenen internen Probleme dürften Sülzer so manchen Stein in den Weg legen, zumal er erklärte:" Nach den permanenten Umorganisationen sollte nun Ruhe ins Unternehmen einkehren. Diese aber kann ich leider nicht garantieren." Dennoch ist der Vertriebsprofi davon überzeugt, mit Olivetti in absehbarer Zeit schwarze Zahlen zu schreiben.

Ob ihm dies tatsächlich gelingt, wird aber nicht nur von ihm allein abhängen. Die Luft in der Chefetage der deutschen Olivetti ist dünn. Seit 1981 gaben sich die Statthalter in rascher Folge die Klinke in die Hand; weder Fritz Dieckmann noch Otto Oechsner, Peter Günthard oder zuletzt Johannes Reiling hielten sich länger als dreieinhalb Jahre auf ihrem Posten. Bis auf Dieckmann hinterließ zudem jeder rote Zahlen, wobei dieser davon profitiert hatte, von Olivetti-Topmanager Francesco Tató ein frisch saniertes Unternehmen mit einer klar definierten Struktur und Firmenstrategie übernommen zu haben.

Dieckmanns Nachfolger hatten das Pech, daß die Konzernzentrale in Ivrea sich zu lange auf dem Erfolgs-PC M24 ausruhte und zukunftsträchtige Märkte im DV-Sektor schlichtweg verschlief. Dies brachte auch in Deutschland manchen Kunden dazu, sich einen neuen Lieferanten zu suchen. Darüber hinaus bescherte 1986 der Kauf der Nürnberger TA Triumph-Adler AG - seinerzeit in Händen der Volkswagen AG - dem De-Benedetti-Konzern mehr Frust als Freude. Noch heute sagen Unternehmenskenner, dieser Deal sei die absolute Katastrophe gewesen. Triumph-Adler nämlich brachte Millionenverluste ein, und - was noch schwerer wog - die Hoffnungen der Italiener trügten, zum einen von TAs gut funktionierendem Händlerkarnal profitieren zu können und zum anderen über die deutsche Verbindung mehr Zugang zu hiesigen Großprojekten zu bekommen. In Deutschland wiederum kamen sich die beiden Schwestern bei PCs und Schreibmaschinen ständig ins Gehege.

Auch die gewaltige Umstrukturierung, die Carlo De Benedetti seinem Informatikkonzern Ende 1988 verordnete und die ihn in drei Bereiche - Office (Büromaschinen), Systems and Networks (Computer) und Information Services (Dienstleistungen) - zerlegte, erwies sich für die deutsche Olivetti als wenig hilfreich. Im Gegenteil: Geschäftsführer Peter Günthard, Nachfolger von Otto Oechsner, der als Branchenfremder mit dem Büromaschinen- sowie dem DV-Sektor nie so recht klargekommen war und 1987 entnervt das Handtuch geworfen hatte - war gerade mitten in einem drastischen Sanierungsprogramm, das die Frankfurter aus der Verlustzone (Jahresfehlbetrag 1986: 30 Millionen Mark) führen sollte. Die konzernweite Neuorganisation stellte ihn nun vor die Aufgabe, den bis dahin getrennten Systemvertrieb von Olivetti und TA zusammenführen. Daraus entstand die TA Olivetti GmbH als Bestandteil des Unternehmensbereiches Systems and Networks. Als weitere neue Gesellschaft firmierte fortan die Deutsche Olivetti Büromaschinen GmbH unter dem Dach des Office-Bereiches, in der alle Büromaschinen-Aktivitäten von Olivetti sowie Triumph-Adler und der Datev-Vertrieb zusammengefaßt wurden.

Günthard, der Insidern zufolge das genaue Gegenteil des introvertierten Oechsner war, kam mit der Aufgabe, die neue TA Olivetti zu organisieren, nicht zurecht. Im Mai 1989 schied er auf "eigenen Wunsch", so die offizielle Presseinformation, als Geschäftsführer der TA Olivetti GmbH aus. Seine Position übernahm Johannes Reiling, der als Vorstandsmitglied der Triumph-Adler AG zunächst zweispurig fuhr, sich aber einige Monate später ausschließlich auf die Leitung der TA Olivetti verlegte.

Doch auch der gelernte Jurist wurde in seiner neuen Funktion nicht glücklich. Der Sprung in die schwarzen Zahlen wollte einfach nicht gelingen, wenn auch die Verluste zurückgingen. Zu allem Überfluß funkte schließlich erneut die italienische Muttergesellschaft, sprich: Carlo De Benedetti, dazwischen. Der Großindustrielle machte Ende vergangenen Jahres rückgängig, was er 1988 in Sachen Neuorganisation beschlossen hatte, nachdem er wenige Wochen zuvor angesichts der zunehmend desolaten Situation des Ivrea-Konzerns Vittorio Cassoni entmachtet und selbst wieder die operative Kontrolle übernommen hatte.

Die drei Jahre zuvor geschaffenen autonomen Unternehmensbereiche wurden in drei Direktionen zusammengefaßt: "Zentrale Operationen" mit den Abteilungen Informationstechnologie und Office, "Diversifizierte Aktivitäten", zuständig für die zugekauften Auslandstöchter wie beispielsweise Triumph-Adler, sowie "Öffentliche Verwaltung".

In Deutschland hieß dies Anfang dieses Jahres Umfirmierung in Olivetti GmbH, in der die zuvor abgesplitteten Büromaschinen-Aktivitäten wieder mit dem Computerzweig zusammengeführt wurden. Alles, was Triumph-Adler betraf, hatte mit der deutschen Olivetti künftig nichts mehr zu tun, beide Unternehmen haben nun wieder den Status von Schwestergesellschaften. Mit dem hinzugekommenen Büromaschinenbereich indes wurde Reiling Insidern zufolge nicht warm, was dazu führte, daß die neue deutsche Olivetti wieder tiefer in die roten Zahlen sank. Die Folge ist bekannt: Reiling wurde - wie Mitte der 80er Jahre Fritz Dieckmann - nach Ivrea "weggelobt".