Digitalisierung ist für Bahn-Boss Grube Chefsache

Bei der deutschen Bahn rollt die Digitalisierung bereits

14.01.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Während viele Unternehmen über die Digitalisierung und deren Herausforderungen nur reden, hat die Deutsche Bahn bereits eine konkrete Digitalisierungs-Strategie. Bahn-CTO Josef Stoll geht auf die Details ein.
Das Thema Digitalisierung ist bei der Bahn Chefsache,
Das Thema Digitalisierung ist bei der Bahn Chefsache,
Foto: Thomas Herter/Deutsche Bahn AG

"Kein Verkehrsträger kann sich der Digitalisierung und dem automatisierten Fahren verschließen. Diese Entwicklung bestimmt die Zukunft auf den Märkten", beschreibt Josef Stoll, Chief Technology Office (CTO) und Head of Technical Innvation bei der Bahn, die Herausforderungen mit denen sich der Konzern konfrontiert sieht. Und das sind weniger, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, die Fernbusse oder andere Eisenbahnen. Bei der Bahn fürchtet man vielmehr die Konkurrenz durch das autonome Auto, das in einer vernetzten IoT-Welt das System Straße deutlich effizienter ausnützen könnte.

Digitalisierung ist bei der Bahn Chefsache

Vernetzt in die Zukunft
Vernetzt in die Zukunft
Foto: Volker Emersleben/Deutsche Bahn AG

Ein Herausforderung, der Stoll so begegnen will: "Durch eine stärkere Automatisierung des Systems Bahn können zum Beispiel Kapazitätszuwächse im Netz, eine bessere Zuverlässigkeit im Betrieb und Pünktlichkeit erreicht werden. Eine wesentliche technische Herausforderung dabei ist, dass beim Verkehrsträger Schiene durch die Automatisierung Fahrzeug und Infrastruktur noch enger miteinander verzahnt werden müssen." Auf dem Weg zur digitalen Bahn des 21. Jahrhundert steht Stoll nicht alleine da. Das Thema Digitalisierung ist bei der Bahn oberste Chefsache. So führt Vorstandschef Rüdiger Grube direkt das Competence Center Digitalisierung, was die Bedeutung des Themas für die Bahn unterstreicht.

Dazu hat die Bahn unter anderem folgende sechs Initiativen aufgesetzt:

  • Mobilität 4.0

  • Logistik 4.0

  • Infrastruktur 4.0

  • Produktion 4.0

  • Arbeitswelten 4.0

  • IT 4.0

Die 6 Digitalisierungsinitiativen der Deutschen Bahn.
Die 6 Digitalisierungsinitiativen der Deutschen Bahn.
Foto: G+J Corporate Editors GmbH/Deutsche Bahn AG

Unter dem Stichwort Mobilität 4.0 adressiert der Konzern Themen rund um das Reisen, wie etwa neue Methoden des Fahrkartenverkaufs. Aber auch das Thema WLAN im Zug. Hier verspricht Stoll bereits in Kürze eine deutliche Verbesserung. Ebenso ist an digitale Kundenschnittstellen und Echtzeitinformationen gedacht, aber auch an neue Mobilitätsangebote und eine verkehrsträgerübergreifende Vernetzung. Im Bereich Logistik will die Bahn weltweit um zehn Prozent wachsen und zudem mit neuen Technologien wie der automatischen Containererkennung effizienter werden. Eine Effizienzsteigerung steht auch bei der Initiative Infrastruktur 4.0 im Vordergrund.

Mit Hilfe von Big Data will man eine Steigerung der Netzauslastung von 20 bis 40 Prozent erreichen - etwa indem man zu einer besseren Wartung kommt. "So können wir künftig den Stromverbrauch einer Weiche analysieren und so feststellen, wann dort eine Störung droht", beschreibt Stoll ein Beispiel. Des Weiteren ist an ein engeres Zusammenspiel zwischen Schiene und Rad gedacht, indem etwa der Zug im Internet of Things künftig direkt mit der Weiche kommuniziert und sich diese selbst stellt.

Autonome Züge

Josef Stoll, CTO bei der Bahn: Kein Verkehrsträger kann sich der Digitalisierung entziehen.
Josef Stoll, CTO bei der Bahn: Kein Verkehrsträger kann sich der Digitalisierung entziehen.
Foto: Deutsche Bahn AG

Ein weiteres Feld ist für CTO Stoll die Produktion 4.0. Die beginnt bereits bei der aus der Luftfahrt bekannten Predictive Maintance gekoppelt mit einer Condition Based Maintance. Ein anderes großes Thema ist für den Manager zudem das Automatisierte Fahren. Analog zu den Autobauern arbeite die Bahn bereits an Konzepten des autonomen Zugs, der alleine Fahren kann. In diesem Zusammenhang ist für Stoll die Kommunikation in Echtzeit von besonderer Bedeutung, weshalb man die Entwicklungen rund den neuen Mobilfunkstandard 5G sehr aufmerksam verfolgt. Gleichzeitig will der Konzern durch eine intelligentere Steuerung der Züge 5 bis 25 Prozent Energie einsparen.

Predictive Maintance ist eines der Zukunftsthemen bei der Bahn.
Predictive Maintance ist eines der Zukunftsthemen bei der Bahn.
Foto: Kai Michael Neuhold/Deutsche Bahn AG

Angesichts dieser technischen Veränderungen verwundert es nicht weiter, dass sich die Bahn in der Initiative Arbeitswelten 4.0 auch sehr intensiv mit der Frage auseinandersetzt, wie die DB-Mitarbeiter künftig arbeiten. So liegt es etwa auf der Hand, dass sich das Berufsbild des Lokführers mit dem Automatisierten Fahren radikal verändern wird. Ebenso dürften die Tage im Stellwerk gezählt sein, wenn der Zug in der IoT-Welt mit der Weiche selbst kommuniziert. Und last but not least geht die Digitalisierung nicht spurlos an der eigenen IT vorbei. Wie viele andere Unternehmen geht auch die Bahn in die Cloud.

Von fremden Branchen lernen

Ein zentraler Faktor, um bei der Digitalisierung erfolgreich zu sein, ist für Stoll die Bereitschaft, von anderen - auch Branchenfremden - zu lernen und so neue Ideen zu entwickeln. So spricht Stoll etwa beim Automatisierten Fahren mit bahnfremden Unternehmen wie Bosch oder Continental. Und in Sachen Apps holte man sich Input von Springer, Otto und anderen. Ein anderes Beispiel, wie so aus ganz anderen Bereiche neue Lösungen entstehen, ist für Stoll eine Art Kollisionsverhütungssystem, das etwa erkennt, wenn sich eine Schafherde auf dem Gleis befindet.

Hierzu werden nicht etwa Kameras oder Radar verwendet sondern die verlegten Glasfasern zur Kommunikation. "Diese verändern, wenn sich etwas auf ihnen befindet, geringfügig die Lichtwellenlänge und das können sie messen", erklärt Stoll. Der Blick in andere Branche hilft aber auch Kosten zu sparen. Ein zum Automatisierten Fahren benötigt Kamera erhält die Bahn aus der Automobilindustrie sofort für rund 200 Euro, eine Eisenbahn-Entwicklung würde dagegen sicherlich 2000 Euro kosten und 3 Jahre dauern, nennt Stoll ein Beispiel für möglich Synergieeffekte.

Derart aufgestellt sieht Stoll die Bahn gut gerüstet für die neuen Herausforderungen, die auf sie durch die Digitalisierung der Straße zu kommen.