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Thema des Tages

Bei Compaq geht´s drunter und drüber

18.06.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der texanische Computerriese Compaq Computer befindet sich augenscheinlich in einer schweren Krise. Gestern hatte der Konzern eine tiefgreifende Umstrukturierung bekanntgegeben und eine drastische Gewinnwarnung ausgesprochen (CW Infonet berichtete). Statt des erwarteten Profits rechnet Compaq für das laufende Quartal mit einem Minus von 260 Millionen Dollar oder 15 Cent pro Aktie. Das offizielle Quartalsergebnis wird allerdings erst am 28. Juli veröffentlicht.

Die neue Struktur von Compaq (drei Hauptbereiche: Enterprise Solutions and Services, Personal Computer und Consumer) wird seitens der Analysten kritisch beurteilt. Roger Kay von der International Data Corp. (IDC) meint: "Ich sehe im derzeitigen Management nur hilfloses Rudern mit den Armen, was angeblich alles neu sein soll." Ob sich wirklich etwas verändere, sei angesichts der vorliegenden Informationen kaum einzuschätzen.

Bruce Stephen, PC-Analyst bei IDC, sieht Compaq angeschlagen: "Sie haben jetzt echte Probleme, ihr Image hat mächtig gelitten. Vor allem unter Firmenkunden haben Hersteller mit einem besseren Markennamen - etwa Dell oder Hewlett-Packard - begonnen, aus der Compaq-Krise Kapital zu schlagen." David Wu von ABM Amro ergänzt: "Ich glaube nicht, daß die Restrukturierung gründlich geplant war. Sie haben ein Problem, das sie lösen müssen: Zu hohe Kosten, zu niedrige Umsätze."

Das Grundübel scheint die noch immer nicht verdaute Übernahme von Digital Equipment im Februar 1998 zu sein. Beobachter sind der Ansicht, daß Compaq dort Fett angesetzt habe, wo ein PC-Hersteller angesichts enormen Preisdrucks und niedriger Margen schlank sein müsse. "Es gibt noch immer viel überflüssigen Ballast aus der Digital-Übernahme", beobachtet auch Kurt King von NationsBanc Montgomery Securities. "Sie werden noch etliche Mitarbeiter auf die Straße setzen müssen." Ende 1997 hatte Compaq 32 565 Angestellte, ein Jahr später waren es auf einen Schlag 70 665. Damals hatte der Hersteller angekündigt, er wolle bis Ende 1998 rund 17 400 Stellen abbauen. Gemäß einer Veröffentlichung bei der US-Börsenaufsicht SEC wurden allerdings bis Ende des ersten Quartals 1999 erst 14 200 Mitarbeiter entlassen.

Auch im Europageschäft herrscht Unruhe. Wie heute bekannt wurde, mußte der bisherige Senior Vice-President und General Manager der EMEA-Region (Europa, Mittlerer Osten und Afrika), Andreas Barth, nach fast zwölf Jahren bei Compaq seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger ist Werner Köpf, zuvor Vice-President und Managing Director der General Business Group in Europa. Laut offizieller Compaq-Lesart war der Abgang schon länger geplant. Barth verkündete in einer Pressemitteilung: "Ich habe im vergangenen Jahr angekündigt, daß ich in den Ruhestand trete, wenn ich die Digital-Übernahme für abgeschlossen halte. Ich denke, jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um die Führung an Werner Köpf abzugeben". Und Interims-CEO Benjamin Rosen bedankt sich artig: "Wir alle bei Compaq danken Andreas für seinen tollen Einsatz in Europa. Ihm haben wir unsere starke Position in Europa zu verdanken, auf die wir künftig aufbauen können." In Wirklichkeit dürften

andere Motive hinter Barths Rücktritt stecken. Das "Wall Street Journal" jedenfalls berichtet, Barth sei schlicht sauer gewesen, weil man ihn bei der Restrukturierung übergangen habe.