Bechtle und Compunet suchen neue Ziele

16.07.2002
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Durch die Ende Juni angekündigte Allianz von Compunet und Bechtle werden die Karten im Systemhausmarkt neu gemischt. Die Spitzenreiter der Branche wollen durch den Schulterschluss ihre kleineren Konkurrenten in die Schranken weisen und sich künftig an größere Aufgaben wagen.
Die fünf größten Systemhäuser: Die neuen Partner führen den deutschen Markt an, in dem vergangenes Jahr insgesamt 4,9 Milliarden Euro umgesetzt worden sind.   Quelle: Computerpartner
Die fünf größten Systemhäuser: Die neuen Partner führen den deutschen Markt an, in dem vergangenes Jahr insgesamt 4,9 Milliarden Euro umgesetzt worden sind.   Quelle: Computerpartner

„Das Leben ist voller Überraschungen“, kommentierte Compunet-Chef Johannes Meier eine Partnerschaft, die vor kurzem fast noch undenkbar gewesen wäre. Mit der deutschen Tochtergesellschaft von General Electric und dem schwäbischen Unternehmen Bechtle haben sich zwei Schwergewichte gesucht und nach achtmonatigen Verhandlungen schließlich auch gefunden. Es sei sogar über eine Fusion diskutiert worden, bestätigte Meier. Geeinigt habe man sich aus verschiedenen Gründen auf eine enge Allianz.

ASP-Partnerschaft

Konkret sieht die Partnerschaft so aus, dass beide Firmen als eine Art Application-Service-Provider (ASP) füreinander auftreten. Bechtle nutzt ab dem Herbst das Konfigurations-Center von Compunet in Kerpen für Rollouts und komplexe Systeme, im kommenden Frühling greifen die Schwaben auch auf das Ersatzteil-Management des Partners zu. Compunet kann im Gegenzug die Inhalte der Artikeldatenbank von Bechtles E-Commerce-Lösung anbieten, die mehr als 21000 IT-Produkte umfasst. Das Problem sei weniger die Entwicklung eines eigenen Web-Shops gewesen, so Meier; vielmehr sei ein großer Aufwand nötig, um die komplexen Daten tagesaktuell zu pflegen.

Die Partnerschaft hat das Zeug dazu, eine sich ohnehin im Umbruch befindliche deutsche Systemhauslandschaft nachhaltig zu verändern. Mit einem Umsatz von 1,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr liegt Compunet nach einer Untersuchung der CW-Schwesterpublikation „Computerpartner“ hierzulande auf Platz eins der Systemhäuser. Bechtle belegt inzwischen den zweiten Rang mit Einnahmen von 641 Millionen Euro. Konzerne wie T-Systems werden in der Tabelle allerdings nicht berücksichtigt, da sie nur teilweise als Systemhaus auftreten. Der Gesamtumsatz des Segments belief sich 2001 auf 4,9 Milliarden Euro, gut 17 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Die besondere Wettbewerbssituation in dem Bereich wird durch eine Umfrage der „ComputerPartner“ verdeutlicht, wonach etwa 50 Prozent der einschlägigen Anbieter jeweils Compunet oder Bechtle als ihren stärksten Konkurrenten nennen.

In der Konsolidierung der Branche setzen die Anbieter wie schon im vergangenen Jahr auf die eigene Größe als Schlüssel zum Überleben: „Einzelkämpfer haben keine Chance“, beurteilt Meier den Zwang zum Schulterschluss. Angeheizt wird dieser Trend seiner Meinung nach durch die Fusion von HP und Compaq, das schlechte Marktumfeld und den zunehmenden Preisdruck auch im Servicebereich. Meier: „Die Regionalliga wird abgeschafft, man braucht heute eine kritische Größe.“

Für Gerhard Schick, Chef der Gaildorfer Bechtle AG, bietet das Modell verschiedene Vorteile für beide Unternehmen. Um die Prozesse selber aufzubauen, hätten Firmen entweder einen „deutlich zweistelligen Millionenbetrag“ investieren oder sich einige Jahre Zeit lassen müssen. Dies sei gegenwärtig jedoch nicht möglich, weshalb man sich zur Partnerschaft entschlossen habe. Eine Fusion wurde von Schick, dessen Familie 35 Prozent von Bechtle kontrolliert, letztlich abgelehnt: „Wir verkaufen nicht.“ Zudem fürchteten beide Manager „Verschmelzungsverluste“, und die „zentrale Prozesskultur“ bei Compunet ließe sich nur schwer mit der regionalen Struktur von Bechtle integrieren.

Angesichts der neuen Situation haben die Unternehmen auch ihre offizielle Sprachregelung angepasst. Bezeichneten die Vorstände bislang stets die andere Firma als bedeutenden Wettbewerber, sind nun die Überscheidungen nicht mehr so gravierend: „Wir haben eine andere Zielgruppe als Compunet“, sagte Schick. In gerade einmal zehn Prozent der Fälle würden sich die Angebote überschneiden. Brancheninsider beurteilen die Situation jedoch weniger rosig. Bereits bei den deutschen Standorten der Firmen gebe es Redundanzen, weshalb die Allianz in den jeweiligen Vertriebsmannschaften vorerst nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen dürfte.

Sollten künftig Konkurrenzsituationen zwischen den Partnern auftreten, argumentiert Schick, „gewinnt der Bessere“. Die Strategie: Compunet bedient weiterhin vorrangig Großkunden und den überregionalen Mittelstand, Bechtle setzt auf sein Netz von Niederlassungen, die eigenverantwortlich die lokalen Anwender beliefern sollen. Zurückgeschraubt haben Meier und Schick ihre Ambitionen mit dem Bündnis jedenfalls nicht: Als offizielle Feindbilder der Systemhäuser müssen ab sofort Branchenriesen wie T-Systems, SBS oder EDS herhalten.