Bearingpoint Europa will die Trennung

29.11.2007
Europäische Manager des Beratungshauses wollen dem Negativsog aus schwachen Gesellschaftsergebnissen und Kursverfall entkommen. Sie stehen bereit, die hiesige Dependance zu übernehmen.

Seit Anfang des Jahres schwelt das Thema Teilverkauf im Beratungshaus Bearingpoint. Damals hatte CEO Harry You auf einer Analystenkonferenz erstmals Pläne vorgestellt, den Geschäftsbereich Emea (Europa, Naher Osten, Afrika) im Rahmen eines Management-Buyouts an das europäische Management zu verkaufen. Mit diesem Schritt hofft das an der US-Börse geführte Unternehmen, die Bilanz zu stärken und Finanzanalysten glücklich zu machen, weil ein Verkauf zunächst einmal Geld in die Kassen spülen würde. Kunden hätten mehr Vertrauen zu einem Beratungshaus, das mehrheitlich im Besitz seiner Mitarbeiter sei, hieß es damals.

Bearingpoint in Kürze

Bearingpoint ist aus dem IT-Beratungsgeschäft der weltweiten Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft KPMG hervorgegangen. KPMG Consulting war ursprünglich als Partnerorganisation aufgestellt, die Ländervertretungen arbeiten daher als unabhängige Gesellschaften. Keimzelle des heutigen Unternehmens ist die US-amerikanische Consulting-Einheit, die 2001 an die Börse ging und sich danach intensiv darum bemühte, die KPMG-Landesgesellschaften zu übernehmen. Das gelang unter anderem in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Finnland. In Großbritannien dagegen scheiterte die Akquisition, dort schlüpfte KPMG Consulting bei Atos Origin unter. Immerhin konnte Bearingpoint die Andersen-Consulting-Niederlassungen in Skandinavien, Spanien, Frankreich und der Schweiz übernehmen.

Die weltweite Organisation umfasst heute insgesamt sechs Business Units. Dies sind die geografischen Einheiten in Europa, Südamerika und Asien sowie die vertikalen, nur auf den US-amerikanischen Markt ausgerichteten Business Units Public, Finance sowie Commercial. Im vergangenen Jahr nahm Bearingpoint weltweit mit etwa 17 000 Mitarbeitern rund 3,4 Milliarden Dollar ein.

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Europa-Chef prescht vor

Die Pläne und die Argumente fallen im europäischen Management auf fruchtbaren Boden. "Eine Notierung an der Börse macht es für eine Consulting-Firma nicht unbedingt einfach", sagte Peter Mockler, Europa- und Deutschland-Chef von Bearingpoint, im Gespräch mit der computerwoche. "Eine Kombination aus klassischer Partnerschaft und Konzernstrukturen, die man ab einer bestimmten Größe benötigt, ist aus meiner Sicht für die Branche deutlich besser geeignet."

Den österreichischen und Schweizer Landesverband weiß Mockler hinter sich, denn auch deren oberster Lenker spricht sich für die Verselbständigung der europäischen Unit aus. "Das wäre eine sehr gute Option, und ich wünsche mir, dass das Management-Buyout gelingt", betonte Marcel Nickler, Vice President und Leiter von Bearingpoint in Österreich und der Schweiz, der zudem das europaweite Geschäft mit Finanzdienstleistern verantwortet.

Die Last der Börse

Den Druck der Börse spürt Bearingpoint nicht nur durch Aktionäre. Insbesondere der administrative Overhead durch die Börsennotierung ist dem Management ein Dorn im Auge. Mit den Berichtsregeln kommt das Unternehmen auch nach sechs Jahren Börsennotierung nicht zurecht. Regelmäßig verfehlt es die Fristen zur Veröffentlichung der Quartals- und Jahresbilanzen.

Mit einer Loslösung von der börsennotierten Muttergesellschaft könnte sich der europäische Teil des aufwändigen Reportings für die Börse entledigen. "Am gemeinsamen Markennamen sowie an der weltweiten Kundenbetreuung und globalen Kooperation würde sich nichts ändern", skizziert Mockler das Szenario.

Fluktuation bleibt problematisch

Finanziell fühlt sich das hiesige Management gewappnet. Im europäischen Bearingpoint-Verbund ist die Region Deutschland, Österreich und Schweiz die größte Einnahmequelle. Hier fuhren rund 1300 Bearingpoint-Mitarbeiter im vergangenen Jahr etwa 240 Millionen Euro Umsatz ein. "Der europäische Geschäftsbereich weist Gewinn aus und ist zusammen mit der US-amerikanischen Business Unit Public Services die weltweit profitabelste Einheit", berichtet Mockler. Im Gegensatz dazu gibt es im weltweiten Geschäft Probleme: Das erste Vierteljahr 2007 schloss das Beratungshaus mit einem Fehlbetrag von 61,7 Millionen Dollar ab, im zweiten Quartal vermehrte sich der Nettoverlust auf 64 Millionen Dollar.

Nach wie vor bleibt die hohe Fluktuation ein Kernproblem. In Deutschland, Österreich und der Schweiz verlassen rund 18 bis 19 Prozent der Berater pro Jahr das Haus, so der Europa-Chef. "Ich erachte die Fluktuation nicht als Bearingpoint-spezifisches Problem. Der Branchendurchschnitt beläuft sich auf 17 Prozent", schildert Mockler. "Wir haben in den vergangenen 18 Monaten mehr Consultants eingestellt, als wir an den Markt verloren haben", pflichtet ihm Nickler bei.

Dennoch bedeutet eine Abspaltung für das europäische Management eine enorme Herausforderung. In Italien verfügt das Unternehmen über keine nennenswerte Niederlassung, in Russland gibt es lediglich ein Büro in Moskau. Zudem hat Bearingpoint keine gewachsenen Strukturen am wichtigen Finanzplatz London. Auch die Offshore- und Nearshore-Fortschritte sind dürftig. Wettbewerber wie Accenture, IBM und Capgemini sind diesbezüglich weit enteilt. "Wir streben keine Beratungs- und Systemintegrationsprojekte an, in denen ein Großteil der Arbeiten off- oder nearshore betrie-ben werden", klärt Mockler auf. "In Implementierungs-Vorhaben können wir dagegen bei Bedarf auf unsere Global Delivery Center zugreifen."

Zum Schluss käme das Delisting

Auch für das Mutterhaus hätte die Abspaltung weitreichende Folgen. Vor allem dann, wenn die europäische Dependance erfolgreich arbeitete und es gelänge, die Integration der weltweiten Betreuungs- und Vertriebsstrukturen wie bislang fortzuführen, wäre ein Präzedenzfall geschaffen. Weitere der bislang noch sechs Geschäftsbereiche könnten sich ebenfalls abspalten, um den Ballast der Börsenauflagen abzuwerfen. Letzten Endes käme es wohl zum Delisting des Beratungshauses und das ist nach all den schlechten Erfahrungen möglicherweise aus Bearingpoint-Sicht durchaus erstrebenswert. (jha)