Java-Primus liefert wieder bessere Quartalszahlen

Bea Systems wandert auf schmalem Grat

22.11.2002
MÜNCHEN (as/sp) - Nach dem Umsatzschwund der vergangenen Quartale konnte Bea Systems die Einnahmen im dritten Quartal zwar wieder steigern. Doch die starke Abhängigkeit von Partnern sowie die wachsende Konkurrenz seitens IBM, Sun und Oracle machen der Java-Schmiede zu schaffen.

Bea Systems galt lange Zeit als Shooting-Star der IT-Branche. Durch geschickte Produktzukäufe - rund 25 Firmen hat das Unternehmen bis dato geschluckt - mauserte sich die 1995 von den ehemaligen Sun-Managern Bill Coleman und Alfred Chuang sowie Edward Scott (vormals Pyramid Technologies) gegründete Company binnen kurzer Zeit zu einem der führenden Anbieter transaktionsorientierter Middleware.

Ein wichtiger Schritt auf der Erfolgsleiter war vor allem die Übernahme des Transaktionsmonitors "Tuxedo". Der endgültige Durchbruch gelang 1998 mit dem Kauf des Java-basierenden Applikations-Servers "Tengah" von Weblogic, der sich schon bald zu einer der führenden Laufzeit- und Integrationsumgebungen für Web-Anwendungen etablierte und Bea enorme Umsatzsprünge bescherte. Neben den Referenzen im Tuxedo-Umfeld kam dem Unternehmen dabei zugute, dass Rivalen wie IBM, Sun und Oracle bei ihren Zukäufen wenig Glück bewiesen und erst erheblich später leistungsfähige Applikations-Server auf Basis der Java 2 Enterprise Edition (J2EE) anbieten konnten.

Mittlerweile ist allerdings fraglich geworden, ob der Softwareanbieter das vor Jahren von Firmenmitbegründer Coleman erklärte Ziel, Bea zu einer Milliarden-Dollar-Company zu machen, erreichen wird. In den vergangenen vier Quartalen hat das Unternehmen schwindende Einnahmen ausgewiesen. Erst im dritten Quartal (Ende: 31. Oktober 2002) ist der Umsatz gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres wieder um sechs Prozent gestiegen - von 219,6 Millionen auf 234 Millionen Dollar.

Abgesehen davon, dass der Markt für Applikations-Server - zumindest was die preisgünstigen Basisversionen betrifft - bald gesättigt sein dürfte, macht Bea der wachsende Konkurrenzdruck zu schaffen. Angesichts eines von IDC erwarteten Marktvolumens von 4, 4 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2006 liefern sich die Anbieter von J2EE-Servern einen erbitterten Preis- und Verdrängungskampf.

IBM holt auf

Neben Sun mit seiner "ONE"-Plattform und Oracle mit dem "9i Application Server" ist vor allem IBM zum ernsthaften Konkurrenten geworden. Mit einem Marktanteil von 34 Prozent hat es der Konzern inzwischen geschafft, Bea einzuholen, was Analysten in erster Linie damit begründen, dass Big Blue den Verkauf des Applikations-Servers "Websphere" im Wesentlichen über Dienstleistungen sowie über sein umfangreiches Hard- und Middleware-Portfolio vorantreiben kann, während Bea die Umsätze als plattformunabhängiger Anbieter ausschließlich aus dem Lizenzgeschäft mit Weblogic generiert.

Bei Bea spielt man diesen Vorteil indes herunter. IBM habe die Software immer nur für seine Hardware optimiert, behauptet Rick Jackson, Vice President Product Marketing, gegenüber der COMPUTERWOCHE. "Die Welt ist aber sehr heterogen und keine reine IBM-Welt mehr." Abgesehen davon sei Bea dem Erzrivalen technisch überlegen: "IBM hinkt uns in puncto Performance, Funktionen und Skalierbarkeit 18 bis 20 Monate hinterher."

Gefahr droht der J2EE-Zunft unterdessen von Microsoft. Der Softwareriese will mit dem .NET-Framework nicht nur eine technische Alternative zu Java bieten, sondern zum ersten Quartal 2003 auch die dazu passende Infrastruktur für die Anwendungsentwicklung und -integration in Gestalt des .NET-Servers mitliefern. Damit adressieren die Redmonder einen Trend, den das Java-Lager lange verschlafen hatte: die steigende Nachfrage nach Lösungen, die neben den Vorzügen eines Applikations-Servers auch die Anwendungs- und Prozessintegration mit Standardsoftware - Stichwort: Enterprise Application Integration (EAI) - sowie die Softwareentwicklung in einer integrierten, zentral verwalteten "Plattform" abdecken.

Relativ später Einstieg in EAI

Bea hat auf solche Anforderungen relativ spät reagiert und sich lange Zeit nur mit der technischen Verfeinerung und Neuverpackung von Weblogic beschäftigt. Der strategische Schwenk fand offiziell erst Ende 2001 mit der EAI-Lösung "Weblogic Integration" und dem "Weblogic Portal" statt. Ihnen folgten mit "Weblogic Workshop", eine grafische Entwicklungsumgebung für Java-basierende Web-Services, sowie "Liquid Data", ein auf der Abfragesprache "Xquery" basierendes Tool zur Datenintegration. Die angestrebte einheitliche Plattform für alle Bea-Komponenten ist jedoch noch nicht erreicht, wenn auch mit Weblogic 7.0 ein einheitliches Sicherheits-Framework die Produkte zusammenführt. Laut Byron Sebastian, Vice President und General Manager für Weblogic Workshop und Portal, werden auch noch mindestens zwei Jahre vergehen, bis alle Produkte vollständig aufeinander abgestimmt sind. "Allerdings können unsere Kunden schon heute viele der neuen Features nutzen", so der Produkt-Manager.

Trotz des Wandels von einem Anbieter von J2EE-Servern zu einem Integrations-Allrounder bleibt Bea ein reiner Technologielieferant, der im erheblichen Maße von Vertriebs-, OEM- und Servicepartnerschaften leben muss. Umso problematischer ist es daher, wenn die großen Softwarehersteller versuchen, den Application-Server-Markt zusehends nach ihren Vorstellungen zu formen. Sie kombinieren J2EE-Server mit Middleware (Betriebsystem, Datenbank, EAI-Lösungen, Entwicklungswerkzeuge), Hardware und/oder Dienstleistungen -, Optionen, die Bea mangels entsprechender Produkte und Abhängigkeiten im Vertrieb nicht bieten kann.

Vor allem der wichtige Bea-Partner Sun will mehr auf eigenen Wegen wandeln. Wurde Weblogic bisher oft als Aufsatz zu seiner Hardware und dem Unix-Betriebsystem "Solaris" vermarktet, will Sun nun seine eigenen Applikations-, Directory- und Messaging-Server mit "Solaris 8" bündeln und bewerben. Dieser Schritt sei laut Firmenchef Scott McNealy richtig, da Applikations-Server und Portale auf Dauer nicht als eigene Marktsegmente bestehen könnten, sondern zunehmend als Teil des Betriebssystems anzusehen seien.

Die Richtungsänderung bei Sun scheint Bea indes wenig zu beunruhigen. "Sun verdankt uns einen großen Teil seiner verkauften Hardware und Solaris-Installationen", so Bea-Manager Jackson. "Daher werden die Sun-Vertriebler ihren Kunden auch in Zukunft zu unseren Lösungen raten." Er zweifle ohnehin an Suns Erfolg im Softwaregeschäft, der bisher in der Tat eher mäßig war: "Die Geschichte wird sich wiederholen", ist Jackson überzeugt.

Nach Ansicht seines Kollegen Sebastian interessieren sich die Firmen zudem mehr für den Deployment- und Integrationsaufwand und nicht für die geringen Anschaffungskosten, die Sun verheißt. Ähnlich sieht es Jost Hoppermann, Analyst bei der Giga Information Group: "Bei Infrastruktursoftware geht der Trend zu Application Platforms, die nicht nur günstiger in der Anschaffung sind, sondern die Kosten im laufenden Betrieb senken, weil die einzelnen Komponenten besser zusammenarbeiten."

Völlig gelassen scheint Bea dem Treiben allerdings nicht zuzusehen. Ein Zeichen dafür ist die kürzlich beschlossene verstärkte Kooperation mit HP, die neben dem Bundling einer Testversion von Weblogic mit "HP-UX 11i" auch die Unterstützung aller weiteren Betriebssysteme des Partners vorsieht. Nach Ansicht von Hoppermann kann das Unternehmen durch Deals dieser Art kompensieren, dass es keine Hardware anbietet wie etwa IBM oder Sun. Damit sei es bei unternehmensweiten Geschäftsabschlüssen besser positioniert. "In Sachen Partnerschaften hat Bea kräftig aufgeholt", so der Analyst.

Auch mit Intel arbeitet Bea zusammen, um die im Januar erworbene Java Virtual Machine "Jrockit" für 32-Bit-Windows-2000 und Red Hat Linux zu optimieren. Zwar laufen heute rund 65 Prozent der Weblogic-Installationen unter Solaris. Offenbar will Bea bei der Auswahl von Betriebssystem und Hardware künftig aber auch Alternativen zu Solaris/Sparc empfehlen können.

Im Dienstleistungsgeschäft, auf das - Wartungs- und Update-Einahmen miteingerechnet - mittlerweile rund 40 Prozent der Gesamtumsätze entfallen, sucht Bea ebenfalls die Nähe zu HP. Gleichzeitig hofft man, von der Übernahme von Price-Waterhouse-Coopers durch IBM profitieren zu können. Laut Jackson hat dieser Deal Systemintegratoren und Bea-Partner wie Accenture, EDS oder KPMG verunsichert und noch näher "zu uns getrieben".

Die Frage bleibt offen, wie Bea die Gratwanderung zwischen Konkurrenz und Abhängigkeit von Partnern meistern wird. Der Hersteller betont zwar, dass seine Kunden neben den Weblogic-Lizenzen vor allem die neuen Produkte hinzukaufen. So soll Weblogic Portal bereits bei 650 Anwendern im Einsatz sein. Da Bea die Umsätze nicht nach Produkten ausweist, ist momentan jedoch schwer zu sagen, ob sich die neue Plattformstrategie auszahlt.

Beim Vertrieb will Bea die bisherige Richtung unterdessen beibehalten: "Unser Geschäftsmodell basiert darauf, möglichst viele Lizenzen des J2EE-Servers zu verkaufen", so Jackson. Eine sinnvolle Strategie, meint Analyst Hoppermann: "Bea braucht sich nicht als allumfassender Anbieter zu positionieren. Mit ihrem Know-how und einem weiteren Ausbau von Partnerschaften ist die Company gut aufgestellt."

Zudem sei die finanzielle Situation stabil. Bea habe die operativen Ausgaben gegenüber dem Vorjahr stark gesenkt und dabei vor allem die Sales- und Marketing-Kosten reduziert. Auf diese Weise seien in den ersten drei Quartalen dieses Jahres rund 160 Millionen Dollar eingespart worden. Hinzu komme, dass das Umlaufvermögen in den vergangenen Quartalen auf inzwischen fast 1,4 Milliarden Dollar gestiegen sei. "Damit ist Bea in einer hervorragenden Ausgangsposition - nicht nur für künftige Investitionen in Forschung und Entwicklung, sondern auch im Hinblick auf mögliche Übernahmen."