BBW will den Bundesrat zum Kontrollorgan machen:Gscheidle: Postmonopol sachlich begründet

07.03.1980

BONN (je.) - Die Deutsche Bundespost hält sich in dem vom Bundesverfassungsgericht abgesteckten Rahmen, wenn sie sich als geborene Netzträgerin bezeichnet. So lautet einer der Kernsätze, mit denen Bundespostminister Gscheidle die Medienpolitik seines Hauses verteidigt. Zur gleichen Zeit fordert der Bundesverband Bürowirtschaft (BBW) e. V., Köln, eine Bundesratskompetenz zur Postkontrolle.

Fast auf den Tag genau drei Monate nach einer Grundsatzerklärung von Ministerpräsident Lothar Späth vor dem baden-würtembergischen Landtag sah Minister Gscheidle sich veranlaßt, "einige Richtigstellungen zu dessen Ausführungen zu übermitteln" - so eine Pressemitteilung vom 25. Februar. Späth hatte Umfang und Ausmaß der Netzträgerschaft der Post angezweifelt, sich zur Endgerätepolitik und zum Bildschirmtextsystem negativ geäußert und die Post als innovationsfeindlich hingestellt.

Zur Netzträgerschaft führt Gscheidle einen Satz aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 46, 120) ins Feld: "Der Begriff der Fernmeldeanlage wurde vom Gesetzgeber (des Fernmeldeanlagengesetzes von 1928; d. Red.) bewußt offengehalten für neue, seinerzeit noch nicht bekannte Techniken der Nachrichtenübertragung."

Zwar interpretiert auch der Postminister nicht näher, ob er damit wirklich alle neuen Techniken zur Postsache erklären will, oder was "offenhalten" heißen könnte, aber er holt sich Verstärkung bei dem technischen Argument, "daß eine kontinuierliche Einführung der Lichtwellenleitertechnik mit ihren praktisch unbegrenzten übertragungstechnischen Möglichkeiten erschwert würde" (Pressetext), wenn zusätzliche Netzträger die Integrierung unterschiedlicher Netzarten in ein Breitbandnetz behinderten.

Im Endgerätemarkt, so bekräftigt der Minister, will die Post sich grundsätzlich im Wettbwerb mit der Privatwirtschaft betätigen dürfen.

Nicht die Bundespost bestimme die Suchkriterien bei Bildschirmtext; der Suchbaum sei vielmehr das Ergebnis einer Übereinkunft des Arbeitskreises Bildschirmtext-Anwendungen, dem die Spitzenverbände der Wirtschaft, die Gewerkschaften und die Kirchen angehören. Mit diesen Hinweisen weist Gscheidle eine inhaltliche Kritik am Vorhaben Bildschirmtext zurück und teilt zudem mit, die Post richte sich in ihrer Planung auf diesen neuen Dienst ein, falls der Feldversuch Düsseldorf/Neuss und die Erprobung in Berlin einen entsprechenden Markt erkennen ließen.

Die technischen und betrieblichen Standards für den Betrieb eines Telekommunikationssystems entwickle die Bundespost zusammen mit der Industrie und stimme sie international ab; und die öffentlichen Netze hätten in Ausbau und Qualität international einen hohen Rang - diese Argumente widerlegen nach Ansicht Gscheidles das Gerede von der Post als Innovationsbremse.

Hier entdeckt der Minister auch neue Hilfstruppen. Originaltext: Bei der Aufnahme neuer Dienste hat sich die DBP gegenwärtig sogar die Kritik kleinerer und mittlerer Fernmeldefirmen zugezogen, denen die vorgesehene Einführungsfolge - gemessen an ihren Möglichkeiten - als zu schnell erscheint .

Zu den Kritikern am Postmonopol gesellt sich in diesen Tagen der Bundesverband Bürowirtschaft, eine Untergruppierung der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels. In einem Schreiben an seine Mitglieder stellt sich der Verband hinter eine Forderung des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministers Dr. Jürgen Westphal per Bundesratskontrolle zu verhindern, daß die Post auf den neuen Märkten der Telekommunikation ihr - im Status quo unbestrittenes - Fernmeldemonopol ausdehnt und ihre Sonderstellung mißbraucht. BBW-Satz: "Wer nichts zu verbergen hat, braucht Kontrolle überhaupt nicht zu fürchten."