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Barbie mit Netzanschluß

14.09.1999
Visionär Negroponte hält nicht viel von Prognosen

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nicholas Negroponte, Gründer, Direktor und Guru des Media Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT), hält nicht viel von der Analysten-Zunft. Seiner Erfahrung nach kann man auf die Zahlen der Marktforscher im allgemeinen nur wenig geben: "Die Analysten liegen häufig um den Faktor zwei daneben“, erklärte er auf dem „European IT-Forum“ der International Data Corp. (IDC) in Paris. Ein Problem sei, daß häufig nur die USA, Europa und Japan in Prognosen berücksichtigt würden. Entwicklungsländer wie Indien und China mit zusammen rund zwei Milliarden Einwohnern fielen einfach unter den Tisch.

Der MIT-Direktor ist der Ansicht, daß Europa den Nachwuchs in der Technologiebranche nicht ernst genug nimmt. Auf dem alten Kontinent seien die Vorbehalte gegen die Jugend und ihre Ideen höher als in den USA. Ein neugegründetes Unternehmen hätte es rund zehnmal schwerer, in Europa zu den Durchbruch zu schaffen. Des weiteren sorgten die Telefon-Carrier mit ihren überhöhten Preisen dafür, daß sich das Internet hierzulande langsamer entwickelt.

Den beiden anderen Keynote-Sprechern des IT-Forums, Michael Dell (Dell) und Michael Capellas (Compaq), gab Negroponte schließlich noch eine wenig erfreuliche Botschaft mit auf den Weg: PCs spielten bald sowieso nur noch eine untergeordnete Rolle als Internet-Zugangsgeräte. "Spielzeuge sind der kommende Markt". Dort würden in den nächsten Jahren mehr Halbleiter eingebaut, als in allen Desktop-Rechnern. Künftig, so Negroponte, "gibt es mehr Barbies mit Internet-Anschluß, als surfende Amerikaner". Dies hätte den erfreulichen Nebeneffekt, daß sich die Puppen ihre neuen Kleider selbst bestellen könnten. Daß sich Negroponte mit diesen Prognosen ähnlich weit aus dem Fenster hängte wie die von ihm so heftig attackierten Marktforscher, störte den Visionär offenkundig wenig...