Banking-POS: Noch immer keine Lösung in Sicht

22.05.1987

Seit einigen Jahren wird die Gestaltung bargeldloser Zahlungsverkehrssysteme für den Handel diskutiert. Lösungen lassen wegen der Unklarheiten über die Kosten und die zu verwendende Geldkarte auf sich warten.

Seit dem 6. Mai 1987 können alle Inhaber von eurocheque-Karten in einigen Münchner Geschäften schecklos nur mit der Karte zahlen Damit wurde der Kreis der Berechtigten an einem großangelegten Pilotversuch, der seit Ende 1984 in Berlin und München läuft, stark erweitert Bisher konnten nämlich "nur" rund eine Million eurocheque-Karten-Besitzer aus Berlin und dem Raum München diesen Service nutzen. Diese Erweiterung erfüllt nun die brisante Diskussion um die Gestaltung des Banking-POS (Point-of-Sales) mit neuem Leben.

Banking-POS-Projekte werden in der Bundesrepublik erst seit Anfang der achtziger Jahre verfolgt. Zu den allerersten Ergebnissen der Versuche muß die Erkenntnis gezählt werden, daß die deutsche Bankenlandschaft über dem Banking-POS-Gedanken zerklüftet und die Bundesrepublik im Bereich des bargeldlosen oder gar beleglosen Zahlungsverkehrs fast noch als Entwicklungsland angesehen werden muß. Nicht zuletzt das Zögern in Hinblick auf die Offline- oder Online-Abwicklung der Zahlungen an der Einzelhandelskasse und die Unsicherheit um Magnetstreifenkarte und Chipkarte belegen dies.

Bargeld-Handling durch Karten ersetzen

Der zentrale Gedanke des Banking-POS ist es, den Kassiervorgang an den Kassen des Einzelhandels zu beschleunigen, indem das Bargeld-Handling durch Geldkarten ersetzt wird. Nun kann diese einfache Definition jedoch nicht so stehen gelassen werden, weil sie impliziert, daß die Banking-POS-Initiative vom Handel ausgeht. Daß dies nicht so ist, wird klar, wenn man einmal betrachtet, welche der beteiligten Gruppen denn nun eigentlich Nutzen aus dem bargeldlosen Zahlungsverkehr zieht. Der Handel erscheint da zunächst fast unbeteiligt.

Wolfgang Lambrecht von der Berliner Bank, einer der Projektleiter des Pilotversuchs München/Berlin bringt die Situation scherzhaft auf den Punkt: "Im Moment profitiert neben den Testteilnehmern natürlich die Post vom Banking-POS - durch die Leitungskosten bei der Datenübertragung zu der Autorisierungsstelle." Tatsächlich ist der zentrale Gedanke des Banking-POS eher im Anliegen der Banken zu sehen, ein Massenzahlungsmittel zur Verfügung zu stellen, das Einsparungen in der Abwicklung des konventionellen Zahlungsverkehrs mit Schecks und Bargeld bringt und als Instrument gegen die immer stärker verbreiteten Kreditkarten (Diners, Visa, American Express) wirkt.

"Der Handel ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher gegen als für die Einführung des Banking-POS", faßt Hermann Zellekens, Geschäftsführer der Rationalisierungs-Gemeinschaft des Handels (RGH), seine Sicht der Dinge zusammen. "Dabei geht der Unwille auf keinen Fall gegen moderne Zahlungssysteme, sondern vielmehr gegen die Kosten, die die Kreditwirtschaft auf den Handel abwälzen will."

Die Auseinandersetzung um die Kosten des Banking-POS hängt sich in erster Linie an der unterschiedlichen Interessenlage von Kreditwirtschaft und Handel auf. Sind die Banken zuerst an der Sicherheit und an der für sie günstigen Gestaltung des Zahlungsverkehrs interessiert, ist dem Handel hauptsächlich an der Wirtschaftlichkeit der Abläufe an der Kasse gelegen. Beide Punkte hängen unter anderem direkt von der verwendeten Geldkarte ab.

Wirtschaftlichkeit an der Kasse gefragt

Am besten geeignet für den bargeldlosen Zahlungsverkehr galt zunächst die eurocheque-Karte - mangels Alternative, die es nun mit der Chipkarte gibt. Rund 20 Millionen ec-Karten sind in der Bundesrepublik im Umlauf, und die etwa 4000 Geldausgabe-Automaten (GAA) funktionieren mit dieser Magnetstreifenkarte. Um einem Geldkarten-Wildwuchs keinen Raum zu lassen, bot sich die Nutzung der eurocheque-Karte für das Banking-POS an und wurde auch für die ersten Feldversuche genutzt.

Kauft ein Karteninhaber damit im Supermarkt ein, muß er sich jedoch wie am GAA als der rechtmäßige Besitzer der Karte durch Eingabe seiner geheimen PIN (Persönliche Identifikationsnummer) identifizieren. Dieser Vorgang setzt jedoch eine Online-Verbindung zu einer Autorisierungszentrale voraus, in der der Algorithmus gespeichert ist, mit dem die PIN als richtig ausgewiesen wird und über die zum Beispiel Sperrdateien über verlorene oder gestohlen gemeldete Kreditkarten aufgerufen werden können.

Eine korrekte und sichere Abwicklung der Zahlung würde also in diesem Fall eine Online-Verbindung von jedem Kassen-Terminal zu einer Autorisierungszentrale der Kreditinstitute erforderlich machen. Während des Pilotversuchs in Berlin und München haben die neun beteiligten Banken auch diesen Weg gewählt - und haben 1985 und 1986 die Leitungskosten für den Handel von übernommen. In diesem Jahr bis zum Ende des Versuchs im Dezember sollen die Händler nun 50 Prozent der Leitungskosten selbst tragen. Verschiedenen Angaben zufolge liegen die Kosten je Kasse bei durchschnittlich 270 bis 300 Mark im Monat, hinzu kommen Gebühren, die die Banken für den Service kassieren.

Eine Alternative, die zur Einsparung der teuren Datex-L-Gebühren beitragen würde, wäre die Installation einer Autorisierungszentrale beim Händler. Sie ist jedoch mindestens aus zwei Gründen undenkbar: Erstens müßte dann in jeder Kasse ein solches Modul installiert werden, was Mehrkosten je Kasse von 1000 bis 2000 Mark bringen würde. Zweitens würden dann zu viele sicherheitsrelevante Daten zu stark verbreitet in Supermärkten und nicht konzentriert im Bankensektor vorhanden sein. Kein Wunder also, daß sich im Handel immer mehr Befürworter für die Chipkarte finden. Bereitschaft, noch weiter auf eine wirtschaftliche Lösung zu warten, ist ohnehin vorhanden, da die Vorzüge des Banking-POS derzeit für den Handel nicht gerade bestechend sind.

Die Frage der Autorisierungszentrale hat sich bei den Banken inzwischen soweit geklärt, daß nicht eine zentrale Stelle bei der GZS in Frankfurt, sondern mehrere Autorisierungsstellen bei den verschiedenen Gruppen der Kreditwirtschaft eingerichtet werden sollen. Vorgesehen ist dann, die Daten von den Kassenterminals im Supermarkt zu einer zentralen Leitstelle zu übertragen, die eine Adressierung an die betreffenden Autorisierungszentralen in den Rechenzentren der Institute vornimmt. Während der Kunde noch an der Kasse steht, wird in Sekundenschnelle sogar bis auf sein Konto zugegriffen und "Betrag gebucht" gemeldet. Doch: Magnetstreifenkarten können nur bei teuren Online-Verbindungen ein Höchstmaß an Sicherheit bringen.

Das Nürnberger Textilhaus Wöhrl hat schon im März 1983 einen Banking-POS-Offline-Versuch mit der eurocheque-Karte gestartet. Gerhard Schmidtkonz, Leiter Organisation und Datenverarbeitung, faßt zusammen: "Wir stehen Banking-POS trotz der noch nicht absehbaren Kostensituation grundsätzlich positiv gegenüber." Offline arbeiten will Wöhrl aber dennoch nicht mehr: die Verkaufsdaten mußten immer auf

Diskette gespeichert und abends mit der Geldbombe an das Kreditinstitut transportiert werden, von wo morgens dann Disketten mit einer Liste gesperrter Karten für die Autorisierung am Kassenterminal kamen. Und gab es aufgrund einer Panne mal einen Ausfall an der Masterkasse, mußten gleich von mehreren Bankinstituten Sicherheitsbeamte anreisen, da jeder nur einen Teil des Algorithmus kannte, mit dem in dem Terminal die Identifizierung des Karteninhabers über die PIN erfolgte.

Nur ein Teil des Algorithmus ist bekannt

Im Rahmen des Berlin-Münchner-Pilotversuchs hat auch Wöhrl jetzt auf Online-Betrieb umgestellt. Die Autorisierungszentrale für den Versuch unterhält die Berliner Bank. Bei Wöhrl werden inzwischen rund 12 Prozent des Gesamtumsatzes über Banking-POS-Verkäufe realisiert. Für die Abwicklung der Zahlungstransaktion muß Wöhrl 0,2 Prozent des Umsatzes an die "ausführende Kreditwirtschaft", also an die GZS oder die Hausbanken, abführen.

Damit liegt auf der Hand, daß e s auch auf den Handelszweig selbst ankommt, ob Banking-POS rentabel ist oder nicht. Schmidtkonz gibt zu bedenken: "Bei Tankstellenumsätzen beträgt der Gewinn wegen des hohen Steuersatzes nur einen Bruchteil des Umsatzes. Wenn der Pächter nun davon noch etwas an die Banken abführen soll, wird die ohnehin schmale Spanne noch kleiner."

Bleibt die Chipkarte als Zahlungsmittel für das Banking-POS zu betrachten. Die Chipkarte erlaubt eine Identifizierung des Karteninhabers an der Supermarkt-Kasse und damit eine Offline-Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Zudem gilt die Karte sicherer als die eurocheque-Karte, weil der Speicher- und Prozessorchip in "nichtflüchtiger Schreib-Lösch-Speichertechnik" (EEPROM: Electrical Erasable and Programmable Read Only Memory gefertigt ist.

Auf der Chipkarte kann der Kreditrahmen des Kunden gespeichert werden, so daß auch wegen der . "Bonität" keine Online-Anbindung notwendig ist. Damit ist die Chipkarte zumindest sicherer als die Magnetstreifenkarte, und sie ermöglicht auch die vom Handel favorisierte Offline-Abwicklung des Banking-POS. Strittig ist in Kreisen der Banker und der Hersteller, ob die Chipkarten-Lösung unterm Strich tatsächlich preiswerter ist, weil sie in der Herstellung weit über den Kosten für eine Magnetstreifenkarte liegt.

In Regensburg wird derzeit ein Pilotversuch vorbereitet, der Ende 1987 starten und sowohl die Magnetstreifen- als auch die Chipkarte zum Einsatz kommen lassen wird. An den Kassen der über 100 beteiligten Einzelhandelsgeschäfte werden dann sogenannte Hybrid-Terminals stehen, die sowohl in Online-Verbindung zur Autorisierungszentrale die ec-Karte als auch lokal die Chipkarte annehmen. Der Aufwand für die Herstellung solcher Terminals wird vielleicht durch die parallele Nutzbarkeit von rund 250 000 ec-Karten und zusätzlich 50 000 bis 60 000 Chipkarten während des Pilotprojekts im Raum Regensburg gerechtfertigt werden. Als langfristige Lösung ist sie zu teuer und daher unsinnig.

Dialog mit der Kunden-Chipkarte

Bei den Kassenterminals in Regensburg wird, was die Chipkarte betrifft, ein Lösungsmodell erprobt, das auf Siemens-Entwicklungen zurückgeht. Vom Prinzip her erfolgt die Identifizierung des Karteninhabers mit Hilfe einer zweiten Chipkarte im Kassenterminal, die - vereinfacht ausgedrückt - einen Dialog mit der Kunden-Chipkarte führt und die Identifizierung übernimmt.

Wolfgang Lambrecht von der Berliner Bank geht davon aus, daß auch bei Nutzung von Chipkarten noch stichprobenartig Online-Verbindungen hergestellt werden müssen (Sperrdatei - Limitüberprüfung). Bleibt zu klären, wo dann die Sperrdateien (in Spitzenzeiten sind bis zu 400 000 Scheckkarten gesperrt) im Zugriff gehalten werden müssen - eine Frage, die auch Thema der GZS in Frankfurt ist, die sich zur Zeit mit der Spezifikation der Kassenterminals beschäftigt.