Expertenwissen weiter gefragt

Banken-Schrumpfkurs - nicht für Freiberufler

07.08.2013
Großbanken auf Schrumpfkurs: Gewinnrückgang und Beschäftigungsabbau schütteln die Branche. IT-Freelancer fallen jedoch nicht unbedingt heraus.

Eine Analyse von Ernst & Young lehrt die gesamte Finanzwirtschaft das Fürchten. Die deutschen Groß- und Landesbanken kämpfen mit den Auswirkungen der Konjunkturflaute und der Niedrigzinspolitik der EZB: 2012 verzeichneten die größten Banken in Deutschland (13 Groß- und Landesbanken) einen Gewinnrückgang um 18 Prozent von 9,5 auf 7,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2007 betrug der Vorsteuergewinn der Institute noch 18,4 Milliarden Euro, 2006 sogar 21,5 Milliarden Euro.

Viele Banken schnallen derzeit den Gürtel enger.
Viele Banken schnallen derzeit den Gürtel enger.
Foto: ArTo - Fotolia.com

Belastend wirkte sich im vergangenen Jahr vor allem die schwächelnde Konjunktur aus: Aus Sorge vor steigenden Kreditausfällen erhöhten die Banken die Risikovorsorge um 44 Prozent von 4,9 auf 7,0 Milliarden Euro. Aber auch im operativen Geschäft lief es nicht rund: Die Provisionsüberschüsse sanken trotz der guten Entwicklung an den Aktienmärkten um gut zwei Prozent, die Zinsüberschüsse gingen um knapp acht Prozent zurück.

Gewinnrückgang und Beschäftigungsabbau

Um sich für schwierigere Zeiten zu wappnen, drücken viele Banken auf die Kostenbremse und reduzieren die Belegschaften: Die Zahl der Mitarbeiter sank im Verlauf des Jahres um 3,4 Prozent auf knapp 250.000. Auswirkungen auch für Freelancer in Projekten der Finanzwirtschaft sind zu erwarten. Ralf Freudenthal teilt die Einschätzung des Beratungsunternehmens Ernst & Young. Kosteneinsparungen seien aktuell im Bankenumfeld ein Thema. „Dies kann unserer Erfahrung nach allerdings nicht pauschalisiert werden“, ergänzt der Director Freelance im Geschäftsbereich Information Technology der DIS AG. „Teilweise erleben wir, dass ganze Budgets gecancelt werden und demnach auch ganze Funktionsketten weg fallen. Viel häufiger ist allerdings der Abbau externer Ressourcen in Teilbereichen der Banken.“

(Video: Freiberufler - ein wachsender Markt. Stefan Frohnhoff, Emagine, links, im Gespräch mit CW-Redakteur Hans Königes.)

Gerade in den letzten Jahren wurde sehr viel externes Know-how im Bankenumfeld für interne Koordinationsprozesse eingekauft, da hier der Engpass mit am größten war, also klassisch im Bereich Projektmanagement, Projektleitung, PMO. „Hier wissen wir, dass eine Reduzierung von externen Dienstleistern bereits stattfindet und wir gehen davon aus, dass sich dies auch weiter so fortführt“, bestätigt Freudenthal. Anders sieht es mit Know-how aus, das ein Freelancer in geschäftskritischen Bereichen für die Bank einbringt. „Er ist somit ein wichtiges Bindeglied in der Wertschöpfungskette und nur schwer zu entbehren – schon gar nicht, wenn sein Fachwissen ohne Alternative im Kundenunternehmen ist.“

„Auf Expertenwissen können Banken weiterhin nicht verzichten“, beruhigt auch Anica Fricker die Gemüter. „Daher versuchen Großbanken, ihre externen Freiberufler im laufenden Projekt zu halten.“ Mit einem vorzeitigen Projektende aus Kostengründen sei also nicht zu rechnen. Die Teamleiterin Contracting im Bereich Banken bei Hays meint realistisch: „Allerdings ist deutlich sichtbar, dass bei Projektstart verschärfte Genehmigungsstufen eingehalten werden und mehrere verantwortliche Parteien zusagen müssen. Darüber hinaus müssen die Tagessätze den strengen Rate-Card-Vorgaben entsprechen. Tagessätze, die eine gewisse Höhe überschreiten, sind momentan kaum zu realisieren.“

Einsparungen bei nicht-strategischen Projekten

Die Banken weiter auf Schrumpfkurs sieht Dirk Müller-Tronnier, Leiter Banking & Capital Markets bei Ernst & Young: „Die Banken schnallen den Gürtel enger und stellen sich so auf die neuen Realitäten ein. Alle Kostenarten werden auf den Prüfstand gestellt – einschließlich der Personalausgaben. Im Zuge der Konzentration auf das Kerngeschäft trennen sich zudem die Banken von Randaktivitäten – was ebenfalls zu rückläufigen Beschäftigungszahlen führt“.

Für externe IT-Spezialisten erkennt Fricker kaum Gefahr. „Eine Freisetzung von Freelancern bei Großbanken nehmen wir bisher kaum wahr. Vor allem bei strategischen Projekten können Banken nicht auf das Know-how von freiberuflichen Spezialisten verzichten. Eingespart wird bei nicht-strategischen Projekten, indem die Anzahl der Externen nicht weiter erhöht wird.“ In Einzelfällen würden Freiberufler auch durch interne Mitarbeiter ersetzt.

„Goldene Jahre sind für die Banken vorerst nicht in Sicht“, stellt Müller-Tronnier fest. Restrukturierungskosten, niedrige Zinsen, steigende Liquiditätsanforderungen, immer stärkere Regulierung: Vor den Banken liegen weiter schwierige Jahre“. Auf Auswirkungen daraus sollten sich Freelancer präventiv einstellen. „Nebender fachlichen Expertise weise ich immer wieder auch auf die Soft Skills hin“, betont DIS-AG-Mann Freudenthal. In Zeiten sich schnell ändernder Projektanforderungen und -bedingungen in multinationalen Unternehmen wie Banken seien die persönlichen Stärken mittlerweile unersetzlich geworden.

„Persönlichkeiten, die durch soziale Kompetenz und Lösungsorientierung glänzen, findet man unter den externen Spezialisten meist am längsten in den Projekten. Diese Fähigkeiten kann man auch trainieren.“

Teamleiterin Contracting Fricker rät: „Projekte im Bankenumfeld werden immer internationaler. Sehr gute Englischkenntnisse und Erfahrungen im internationalen Projektumfeld werden daher vermehrt gefordert. Eine Entwicklungsbereitschaft in diese Richtung ist daher von Vorteil.“ (kf)

Dieser Artikel stammt vom IT-Freelancer-Magazin.