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B2B-Märkte: Drei Vierteln droht das Aus

03.08.2000
Kritisches Provisionsvolumen liegt bei acht Millionen Mark im Jahr

Von CW-Redakteurin Karin Quack

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Durchschnitt öffnen hierzulande pro Woche zwei Online-Marktplätze ihre Tore; derzeit sind es etwa 140. Das Berliner Marktforschungsunternehmen Berlecon Research hat sie in einer Datenbank gesammelt und festgestellt, dass die Betreiber unter dem Druck des Wettbewerbs ihr Serviceangebot in Richtung Logistik ausweiten.

Schon zum zweiten Mal hat Berlecon seine umfangreiche Informationen in Form einer Studie ausgewertet. Verzeichnete der erste, im Herbst 1999 veröffentlichte Bericht weltweit 332 und in Deutschland 34 Business-to-Business-Marktplätze, so betrug deren Anzahl am Stichtag, dem 1. Juli dieses Jahres, insgesamt 1100, von denen immerhin 133 hierzulande beheimatet sind.

Im Jahr 2004 wird sich der Gesamtwert der via Internet-Börse gehandelten Waren in Deutschland auf 115 bis 231 Milliarden Mark belaufen, prognostizieren die Berliner. Rein rechnerisch hätten damit 360 bis 720 deutsche B-to-B-Marktplätze eine Überlebenschance. Wie Berlecon-Geschäftsführer Thorsten Wichmann erläutert, muss eine elektronische Beschaffungsbörse pro Jahr mindestens ein Transaktionsvolumen von 320 Millionen Mark bewegen, damit sie von den Gebühren (im Regelfall 2,5 Prozent des Warenwerts) ihre durchschnittlich 20 Mitarbeiter bezahlen und darüber hinaus ein anständiges Marketing betreiben kann.

Demnach hängt ein Damokles-Schwert über drei von vier existierenden deutschen Internet-Marktplätze. Laut Berlecon-Studie erreichen derzeit nur 25 Prozent der untersuchten Online-Börsen den kritischen Wert von knapp 30 Millionen Mark Transaktionsvolumen pro Monat. Die restlichen 75 Prozent liegen deutlich darunter. Allerdings lässt sich darüber streiten, ob die Studie als repräsentativ gelten darf. Einer genaueren Untersuchung konnte Berlecon bislang nur 38 deutsche Marktplätze unterzogen; die anderen waren für eine solche Auswertung einfach noch nicht lang genug in Betrieb.

Dennoch zeichnen sich zwei Trends unmissverständlich ab: Zum einen haben die "First Mover" fast alle Branchen besetzt, so dass neue Betreiber überall auf Wettbewerber stoßen. "Die niedrig hängenden Früchte sind bereits abgeerntet", konstatiert Wichmann. Vor allem bei den horizontalen Marktplätzen sei bald eine Sättigung erreicht. Chancen für Neueinsteiger gebe es allenfalls noch in stark fragmentierten Märkten - beispielsweise im Sektor Maschinenbau und Metallerzeugnisse, bei landwirtschaftlichen Produkten und Nahrungsmittel - oder aber in branchenspezifischen Nischenbereichen.

Zum anderen müssen sich die Betreiber elektronischer Marktplätze nach der Decke strecken. Um konkurrenzfähig zu werden und zu bleiben, sollten sie ihr Serviceangebot ausweiten, rät Wichmann. Heute schon biete jede zweite deutsche Handelsplattform über die reine Transaktionsabwicklung hinausreichende Dienste für die Lieferabwicklung an. Innerhalb der nächsten sechs Monaten würden wohl insgesamt 90 Prozent der Marktbetreiber auch Logistikservices offerieren. "Branchenkenntnisse und Zusatzdienste werden bei der Teilnehmerakquise und Kundenbindung auf jeden Fall immer wichtiger", lautet das Resümee des Berlecon-Geschäftsführers.

Die vollständige Studie "B2B-Marktplätze in Deutschland - Status quo, Chancen, Herausforderungen" ist ab Ende August bei Berlecon erhältlich. Die Unternehmensversion kostet 1250 Euro plus Mehrwertsteuer.