Avaya lässt Tenovis-Anlagen nicht sterben

31.01.2005
Tenovis-Kunden können aufatmen. Der US-Hersteller Avaya will nach dem Kauf des deutschen TK-Spezialisten dessen hybride "Integral"-Systeme weiterentwickeln und integrieren.

Nicht alle Kunden des deutschen Kommunikationsspezialisten Tenovis können sich mit der Übernahme durch den US-amerikanischen TK-Konzern Avaya anfreunden. "Wir haben einige Projekte an Siemens und Alcatel verloren", gab Michael Weiss, Vice President Germany des hierzulande nun unter dem Namen Avaya Tenovis auftretenden Unternehmens, gegenüber der COMPUTERWOCHE zu. Insbesondere im Behördensegment fürchteten Kunden um ihre Investitionssicherheit - allen voran die Bundesbank, die sich gegen einen Vertragspartner Tenovis in amerikanischer Hand entschied.

Trotz dieser Rückschläge rechnet die Company, die jetzt erste strategische Produkt- und Vertriebsmaßnahmen nach der Akquisition ankündigte, im deutschen Markt mit einem Wachstumsschub. Ein ehrgeiziges Vorhaben, denn im vergangenen Jahr rangierten Tenovis und Avaya zusammengerechnet mit 22,1 Prozent bereits auf dem zweiten Platz im Geschäft mit Kommunikationslösungen. Spitzenreiter war Siemens mit 33,9 Prozent, gefolgt von Tenovis mit 20,5 Prozent und Alcatel mit 14 Prozent. Der Marktanteil von Avaya lag nur bei 1,6 Prozent.

Das gemeinsame Marktvolumen nicht nur zu halten, sondern sogar noch zu steigern, wird angesichts des aggressiven Auftretens der Wettbewerber Siemens und Alcatel eine große Herausforderung. Wohl um die verunsicherten Bestandskunden von Tenovis-Systemen in Deutschland und Europa zu beruhigen, hat Avaya dieser Klientel jetzt versichert, die hybriden TK-Systeme "Integral 5" und "Integral 55" weiterzuentwickeln. "Wir werden die Investitionen unserer Kunden schützen und weiter Ressourcen in die existierenden Techniken stecken", beteuerte Weiss. Das Unternehmen sei, so der Manager, ohnedies durch Verträge über das Jahr 2010 hinaus gebunden.

ISDN bremst in Europa die Migration zu Voice over IP

Ob sich das Versprechen als Lippenbekenntnis erweist, muss die Zukunft zeigen. Außer Zweifel dürfte jedoch stehen, dass Avaya sein Produktportfolio aus Kostengründen international sehr stark auf rein IP-basierende Kommunikationssysteme ausrichten wird. Solche Produkte hat die Company, die 2000 aus einem Spinoff von Lucent Technologies entstand, bereits mit "IP Office" und dem "Communication Manager" im Programm. Hybride Lösungen wie die "Integral"-Serie von Tenovis werden hingegen nach und nach vom Markt verschwinden.

Dieser Trend wird laut Andreas von Meyer zu Knonow, Vorstand Marketing und Solutions bei Avaya Tenovis, in Europa langsamer vonstatten gehen als in Nordamerika. Der Grund: In Übersee gibt einen großen Markt für analoge TK-Infrastruktur, aber kein ISDN. Unternehmen seien deshalb schneller bereit, auf Voice over IP zu migrieren, weil sie die digitalen Funktions- und Qualitätsmerkmale von ISDN nicht kennen. In Europa werde der Bedarf an hybriden Lösungen hingegen länger anhalten, weil einerseits die Investitionen in klassische ISDN- und Dect-fähige Systeme geschützt würden, andererseits durch diese Anlagen eine schrittweise Migration zu VoIP möglich sei.

Das Avaya-Management, das mit Ausnahme von Großbritannien bisher relativ erfolglos versuchte, in der Alten Welt Fuß zu fassen, will dieser Eigenheit des europäischen Marktes nun wohl Rechnung tragen. Laut Meyer zu Knonow sollen aus der hybriden Welt von Tenovis und den IP-Lösungen von Avaya die besten Module ausgewählt und auf einer Plattform integriert werden. Dies sei eine systemarchitektonische Herausforderung, technisch aber machbar. Wann eine solche integrierte Lösung herauskommen soll, sagte er nicht, ließ aber durchblicken, dass frühestens im Laufe des kommenden Jahres damit zu rechnen sei. Immerhin sollen bis Jahresende die bestehenden Tenovis-Terminals an IP Office angepasst werden.

Produkte und Services für alle Anwenderschichten

Durch die Kombination des Produkt- und Serviceportfolios will Avaya Tenovis Unternehmen aller Größen erreichen. Während kleine Betriebe mit bis zu 30 Angestellten künftig über Vertriebspartner adressiert werden sollen, wird der Mittelstand bundesweit im Direktgeschäft durch 400 territorial zugeordnete Verkäufer betreut. Das Kundensegment darüber wird auf indirektem Weg durch Dienstleister wie Dimension Data oder NK Networks bedient. Um 260 Weltkonzerne, die wie VW und Bertelsmann auch in Deutschland positioniert sind, kümmern sich Key Account Manager.

Schwerpunkt liegt auf dem Gesundheits- und Finanzwesen

Angeboten werden Produkte und Lösungen aus den Bereichen IP-Telefonie, Call- und Contact-Center, Mobility und Services. Besonderes Einnahme- und Gewinnpotenzial sieht Weiss bei Managed Services und in der IP-Telefonie. Im Bereich von VoIP sagen die Analysten von IDC dem deutschen Markt für heuer einen Umsatz von 152 Millionen Euro und 2006 ein Volumen von 227 Millionen Euro voraus. Vergangenes Jahr wurden in diesem Segment 116 Millionen Euro umgesetzt.

Laut Weiss wird sich das Unternehmen in vertikalen Märkten stark auf die Bereiche Gesundheitswesen und Financial Services konzentrieren. In beiden Branchen weisen sowohl Tenovis als auch Avaya Lösungen und namhafte Kunden auf: Tenovis im Finanzwesen zum Beispiel Sparkassen und Raiffeisenbanken, Avaya Merrill Lynch und Morgan Stanley. (pg)