DIN rechnet hierzulande mit EDI-Boom ab Herbst

Automobilhersteller Chrysler gibt jetzt bei EDI Vollgas

23.02.1990

DETROIT (IDC/CW) - Die amerikanische Chrysler Corp. hat sich ganz dem Electronic Data Interchange (EDI) verschworen. In einer Roßkur stellt der Konzern nahezu vollständig um und "zwingt" seine Lieferanten dazu, Handelsdaten auf der Basis einheitlicher EDI-Regeln zu senden.

"Wir hatten alle, die unsere Produktion beliefern, aufgefordert, bis Mitte 1989 auf unser EDl-System zu konvertieren", erläutert Dennis Barile, TK-Manager bei Chrysler, das "Ultimatum" mit dem der Autofabrikant seine Zulieferer in Zugzwang brachte. Tatsächlich verfehlte der Appell seine Wirkung

nicht. Während des vergangenen Jahres stieg die Zahl derer, die ihre "Geschäftspost" auf das "Chrysler-Telecommunications-Exchange-System" (CTX) ausgerichtet haben, von 700 auf 1700.

Zwar erzielte der Detroiter Karossenbauer mit seiner "Drohung" noch keine hundertprozentige Erfolgsquote, aber weitere 1800 Lieferanten haben für 1990 ihre EDI-Zusage gegeben, weil sie nicht riskieren wollen, Chrysler als Kunden zu verlieren. Die "Umerziehung" der Supplier ist Teil einer neuen

EDI-Strategie, mit der Chrysler die seit 1970 laufenden Aktivitäten auf diesem Sektor schraffen und auf ANSI X.12 - die nationale EDI-Linie der Amerikaner - ausrichten möchte. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben durch EDI bisher bereits über eine Milliarde Dollar an Kosten eingespart.

Das CTX-Projekt begann Ende 1987, als der Konzern Tandem Computers beauftragte, die veralteten C1000 Kommunikationsrechner von Control Data auszumustern. Im September 1988 erfolgte dann der offizielle Startschuß für CTX, das nach und nach den neuesten Entwicklungen bei der internationalen Normierung angepaßt werden soll. Das Ziel des Projekts formuliert TK-Manager Barile: "Unsere Intention ist, den gesamten Briefverkehr zwischen Chrysler und seinen Lieferanten zu eliminieren und elektronisch abzuwickeln." Dieser Zustand sei, so Barile, mit Ausnahme der Nachricht "Rechnung" in CTX schon realisiert.

Neben Porto- und Personaleinsparungen, einer Eindämmung der Papierflut sowie einem schnelleren und sichereren Transfer der Daten versprechen sich die Verantwortlichen vor allem Vorteile bei der Just-in-time-Produktion. So wurde kürzlich ein Fast-Batch-Dienst für Lieferaufträge und -bestätigungen eingeführt, der sowohl bei Chrysler als auch den Zulieferern die Lagerkapazitäten und -kosten reduzieren soll.

"Wir bekommen von Chrysler sofort ein Feedback, ob unsere Lieferbestätigung korrekt ist oder nicht", lobt George Compton, Manager der Pretty Products Inc., einem Lieferanten für Fußmatten, den neuen CTX-Service. Außerdem könne seine Firma jetzt die Produktion ganz auf den Bedarf von Chrysler abstimmen.

Weniger kompliziert als erwartet sei, so John McMinn, DV-Verantwortlicher bei Tri-Con Industries, die Umstellung des alten Systems auf CTX über die Bühne gegangen. Das Unternehmen liefert den Detroitern Sitze und hofft aufgrund der EDI-Realisierung auch auf Aufträge von anderen Automobilherstellern in den USA.

EDI als ein Knockout-Kriterium

Nach Ansicht von Jürgen Gebker, dem EDI Systems Manager der Hewlett-Packard GmbH, spielt EDI bei der Auswahl neuer Handelspartner eine immer größere Rolle. Gebker: "EDI ist bei unserem Selektionsverfahren ein absolutes Knockout-Kriterium." Der EDI-Experte kann sich durchaus vorstellen, daß große Unternehmen ihren Zulieferern die Pistole auf die Brust setzen, um über EDI Daten auszutauschen. Bei HP sei dies nicht der Fall, allerdings versuche der Konzern seinen Partnern EDI schmackhaft zu machen, und leiste bei der Konvertierung auch Hilfestellung.

Weniger zimperlich werden nach Meinung von Hans-Jürgen Rosenberg, dem Referenten des Normenausschusses für Bürowesen im Deutschen Institut für Normung (DIN), Banken und andere Großanwender mit ihren Partnern umspringen, wenn sie mit EDI startklar sind. Rosenberg rechnet damit im Herbst. Die Nachrichten für das Bankwesen seien jetzt soweit stabil, daß an eine Implementation gedacht werden könne.

Auch in anderen Branchen, so der Referent, werde im stillen Kämmerchen fieberhaft an EDI gearbeitet, um dann mit der fertigen Installation an die Öffentlichkeit zu gehen. Sobald dies geschehe, werde eine Lawine ausgelöst, die keine andere Wahl ließe, als auf EDI einzuschwenken, wolle man konkurrenzfähig bleiben.

Im speziellen Fall von Chrysler sind viele der Zulieferer kleine Firmen, die mit dem Konzern nur über PCs kommunizieren. Die größeren Geschäftspartner fahren ihren Transfer über Minis oder Hosts. Infolge dieser breiten Fächerung werden es in den USA bis 1991 mehr als 10 000 Unternehmen sein, die EDI-Anwendungen einsetzen, prognostizieren die Marktforscher von IDC. Bei Chrysler will man diesen Trend forcieren: Jetzt wurde auch an Produzenten, die keine Produktionsteile liefern, die Direktive ausgegeben, rasch auf CTX Kurs zu gehen. +