Automatisierte Compliance-Prozesse

Automatisierte Compliance-Prozesse

21.05.2007
Die britische Firma Autonomy aus Cambridge, Anbieter für Infrastruktursoftware für Unternehmen, bietet unter der Marke seiner Tochterfirma Aungate Compliance-Lösungen an, die technisch sehr innovativ sind, für deutsche Ohren aber datenschutzrechtlich recht bedenklich klingen. Der Wirtschaftsdienst Bloomberg nutzt sie bereits, ebenso wie Geheimdienste, US-amerikanische Behörden und viele Unternehmen der Finanzwirtschaft.

Das „Aungate Compliance Guidance and Enforcement“ genannte Modul soll Unternehmen bei der Automatisierung von Prozessen helfen und bei der Einhaltung interner und externer Richtlinien sowie der geltenden gesetzlichen Bestimmungen unterstützen. Vor allem für Unternehmen mit sensiblen Informationen schätzen die Aungate- Software: Sie kann E-Mails, Telefonate, Messaging-Systeme und den Web-Zugang der Mitarbeiter in Echtzeit überwachen.

Zuvor gab es mehrere Teilmodule der Software von Aungate: Der „Investigation Manager“ wertet die Kommunikation von Mitarbeitern untereinander automatisch aus; „Voice Compliance“ (Telefonüberwachung) und „E-Mail and Instant Compliance“ (Kontrolle von E-Mail und Instant Messages) dienen dazu, Verstöße gegen Firmenvorschriften zu verhindern, Inhalte zu beobachten und Themencluster aufzuzeigen.

„Das neue Modul bietet eine leistungsfähige Lösung für ein akutes Problem für viele Unternehmen: Wie kann ein Anwender auf alle erforderlichen Geschäftsdaten zugreifen und diese verteilen, ohne dabei gleichzeitig ein Sicherheitsrisiko für das Unternehmen zu verursachen?“, sagt Ian Black, Geschäftsführer von Aungate. Die Thematik reiche über die bloße Überwachung des E-Mail-Verkehrs hinaus. Denn für die Unternehmen sei eine umfassende Methodik zum Controlling aller möglichen Informationstypen, etwa für E-Mails, Instant Messaging, Sprachnachrichten und Standarddokumente erforderlich.

„Die Systeme müssen die Nuancen und Grauzonen innerhalb dieser Datentypen genau kennen und verstehen. Sie müssen auf intelligente Art und Weise analysieren, in welchem Kontext die Daten beim Anwender zum Einsatz kommen, um auf dieser Grundlage detaillierte Bewertungen zu potenziellen Risiken in Echtzeit zu liefern“, sagt Black.

Bei einem Test in Cambridge überzeugte bereits die Vorstufe der heutigen Lösung die anwesenden Journalisten: Schreibt ein Mitarbeiter eine Nachricht mit vom Unternehmen als unerlaubt definierten Inhalten, erkannte dies das System aus dem Kontext und warnte: „You have attempted to send an email containing forbidden content“. Zusätzlich informierte es den Absender, dass eine Kopie der Mail an einen Sicherheitsverantwortlichen verschickt werde, wenn man die Nachricht tatsächlich (immer noch) verschicken möchte.

Aungate Compliance Guidance and Enforcement leitet Aufgaben automatisch um, versendet Warnmeldungen und verfolgt den Status von Prozessen, die pro Aufgabe aufgewendeten Zeiten sowie alle Freigaben, Reviews und Bearbeitungsstufen. Damit verfügen Auditoren, Aktionäre oder Regulierungsbehörden über Kontrollinstrumente zur Dokumentation und zur Nachverfolgung von Unternehmensprozessen.

Die Technologie basiert auf Autonomys IDOL-Plattform für die Verarbeitung unstrukturierter Informationen und nutzt die Intelligent-Document-Technologie der Autonomy-Tochter Cardiff. Das Herzstück ist die Dynamic Reasoning Engine (DRE). Zwei mathematisch-statistische Theorien bilden die Grundlage. Die eine stammt vom US-amerikanischen Mathematiker Claude Shannon, der 1948 ein statistisches Informationsmodell aufstellte, das ein Maß für den Wert von Informationen einer Nachrichtenquelle schafft. Die zweite stammt von Thomas Bayes, englischer Mathematiker und Pastor aus dem 18. Jahrhundert, der die Verknüpfung von Ereigniswahrscheinlichkeiten untersucht hat. Das Bayes-Theorem wird heute auch in Spam-Filtern genutzt, die mit erwünschten und unerwünschten Mails trainiert werden. Beide Theorien nutzte Autonomy-Gründer Mike Lynch bei der Entwicklung seiner Software.

Zu den Vorzeigekunden der Real-Time-Governance-Lösung von Aungate zählt die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg Professional Service, eine von Finanzexperten und Juristen geschätzte Quelle für Wirtschafts- und Finanzdaten, Analysen und Nachrichten. Die Lösung solle Bloomberg-Anwender dabei unterstützen, „die strengen gesetzlichen Anforderungen bei der Interaktion über die Bloomberg-Kommunikationsdienste zu erfüllen“, heißt es in einer Erklärung. Dazu gehören zum Beispiel E-Mail und „Instant Bloomberg“ - ein Instant-Messaging-Service für momentan rund 300 000 Abonnenten weltweit.

Die Bloomberg-Anwender tauschen täglich mehrere Millionen Nachrichten untereinander aus, von denen viele regulatorischen Regelungen unterliegen. Die Real-Time-Governance-Lösung von Aungate ermögliche den Blooomberg-Kunden, Inhalte und Nachrichten in Übereinstimmung mit den Vorschriften und Unternehmens-Governance-Operationen in Echtzeit zu verwalten und zu verarbeiten.

Die Aungate-Lösungen richten sich an Unternehmen, die sich einer ständig zunehmenden Flut von teils wertvollen, in vielen Fällen aber auch potenziell unsicheren unstrukturierten Daten gegenüber sehen. Für die sichere Nutzung dieser Informationen gelte es, Verhaltensregeln und Grenzen vorab zu definieren und ihre Einhaltung zu kontrollieren, so Aungate. Dabei müssten die einmal definierten Prozesse sicher gewahrt und so die Integrität des Geschäftsablaufs sichergestellt werden.

Das System kann aus mehr als 250 Datenquellen aller Formate relevante Informationen auswerten - wie etwa E-Mails, Textdokumente, Spreadsheets, Audio-, Video- und Präsentationsdateien sowie Dokumente auf Papier. Dabei arbeitet es sprachunabhängig. Es ermöglicht, so der Hersteller, die intelligente Erkennung von Compliance-relevanten Inhalten, ohne zur Bedeutungserkennung auf einen vordefinierten Bestand an Metadaten zurückgreifen zu müssen. Die Aungate-Lösung erleichtert im Vorfeld die Aufstellung von Regeln, in dem es Funktionen zur Prozessgestaltung mit bringt, die eine einfache logische Abbildung von Compliance-Prozessen ermöglicht.

Compliance wird weltweit immer wichtiger: Die Kundenliste von Aungate umfasst viele Regulierungsbehörden, US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörden, große Börsen, eine Vielzahl von Banken, Anwaltskanzleien und Unternehmen aus dem Bereich Publishing sowie diverse geheimdienstliche Einrichtungen in den USA, mit denen Autonomy seit seiner Gründung eng zusammen arbeitet. Was bei manchen in Deutschland schon einmal ein mulmiges Gefühl auslösen könnte.

Johannes Klostermeier