IT in Marketing und Vertrieb/Einfuehrungsstrategie fuer mobile Vertriebssysteme (Teil 1)

Aussendienst muss fuer gravierende Veraenderungen motiviert werden

29.03.1996

Von Susanne Horstmann*

Ein Notebook im Aussendienst ist praktisch und schnell, nutzt dem Image und hilft dabei, der internen Vertriebsmannschaft optimal zuzuarbeiten, so die Idealvorstellung. Doch ganz so einfach ist es nicht, die Handhabung des Koffer-PCs gestaltet sich diffizil, der Umgang mit der Spezialsoftware ist oft mehr als gewoehnungsbeduerftig. Ganz entscheidend kommt es auf die richtige Ansprache und Schulung des jeweiligen Verkaeufers an, soll sich das Verfahren nicht als Flop erweisen.

Mobile Vertriebssysteme steigern die Effizienz des Vertriebs. Sie beschleunigen Prozesse, reduzieren den administrativen Aufwand und schaffen die Naehe zum Kunden. Deshalb statten derzeit viele Unternehmen ihre Mitarbeiter vor Ort mit Notebooks oder Pen- Computern aus.

Aufgrund der technologischen Entwicklung laesst sich zunehmend mehr Funktionalitaet an den Point of Sale (POS) verlagern. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Komplexitaet.

Obwohl Anforderungen und Zielsetzungen von Branche zu Branche sehr differieren koennen, ergeben sich bei der Einfuehrung haeufig die gleichen Probleme. Dies zeigen jedenfalls die in diesem Artikel aufgezeigten Beispiele aus der Versicherungs- und der Kosmetikbranche.

Der erwartete Erfolg stellt sich vielfach nicht ein, da die Besonderheiten der Zielgruppe Vertrieb nicht ausreichend beruecksichtigt werden. Akzeptanzprobleme bei der Einfuehrung des Systems sind das Resultat.

Der Aussendienst ist nicht so eng an das Unternehmen gebunden wie der Innendienst und bezieht in der Regel zumindest teilweise ein variables Gehalt, das sich beispielsweise nach dem erzielten Umsatz richtet. Deshalb wird ein mobiles Vertriebssystem nur angenommen, wenn zumindest folgende Voraussetzungen erfuellt sind:

Die Technik verursacht keinen Mehraufwand, sondern entlastet beziehungsweise unterstuetzt den Aussendienst in seinen Verkaufsaktivitaeten (Nutzenaspekt).

-Die Handhabung des Systems ist sowohl im stationaeren Betrieb als auch beim Einsatz vor Ort praxisgerecht.

Diese beiden Faktoren sind als durchaus gleichwertig zu betrachten. Die Erfahrung zeigt, dass die Auswahl der gesamten Hardware einschliesslich des Koffers bei einem mobilen Vertriebssystem kein triviales Thema darstellt. Schliesslich muss das System auch im Wohnzimmer des Versicherungskunden oder auch in einer Parfuemerie problemlos betriebsfaehig sein.

Wenn der Zeitaufwand fuer den Aufbau des Systems zu gross ist, wird der Mitarbeiter das Vertriebssystem bestenfalls noch stationaer im Buero einsetzen. Aber auch die Performance der Software ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor: Eine zu langsame Datenerfassung macht selbst den willigsten Aussendienstmitarbeiter muerbe. Die geplanten Effi- zienz- und Kapazitaetseffekte verpuffen, und alle Beteiligten sind frustriert.

Als aeusserst heikler Punkt haben sich auch "Muss-Felder" erwiesen, die beispielsweise Versicherungsagenten zwingen, bestimmte Daten in das System einzugeben, bevor ein Angebot oder Antrag ausgedruckt werden kann. Der Innendienst ist darueber zwar im ersten Moment begeistert, da den Kollegen beim Ausfuellen der Felder mehr Disziplin abverlangt wird, was zu weniger Rueckfragen fuehrt. Fuer den Aussendienst entsteht jedoch das Problem einer mangelnden Flexibilitaet, was ihn im Zweifelsfall dazu verleitet, zunaechst irgend etwas einzugeben, beispielsweise wenn der Kunde seine Fuehrerscheinnummer fuer einen Kraftfahrzeugvertrag momentan nicht zur Hand hat. Das wiederum steigert die Fehlerquote.

Im ersten Teil dieses Artikels soll es um zwei Aspekte gehen, die sich auf die Besonderheiten der Zielgruppe "Vertrieb" beziehen. Worauf es bei der Durchfuehrung eines entsprechenden Projekts und bei der Auswahl der Systemkomponenten ankommt, werden Sie in einer der naechsten Ausgaben der COMPUTERWOCHE lesen.

Um die Akzeptanz und den effizienten Einsatz in der Praxis sicherzustellen, muessen die kuenftigen Anwender von Beginn an in die Entwicklung des Systems eingebunden werden.

Bei der Auswahl der Mitarbeiter wird jedoch haeufig nicht beruecksichtigt, dass es in einem Unternehmen oftmals nicht "den Anwender" gibt. Es gibt verschiedene "Aussendienst-Typen", die sich aufgrund ihrer Kundenstruktur, der Struktur ihres Verkaufsgebiets, ihrer Arbeitsweise, ihrer DV-Ausstattung etc. in ihren Anforderungen gravierend unterscheiden. Dementsprechend muss die Struktur des Aussendiensts in der Projektgruppe abgebildet werden.

So gibt es zum Beispiel in der Versicherungsbranche Vermittler, die fast ausschliesslich im Privatkundengeschaeft taetig sind (groessere Anzahl von Kunden, Standardgeschaeft). Andere haben sich auf das Firmengeschaeft spezialisiert und betreuen einen kleineren Kundenkreis mit individuellen Anforderungen.

Auch in bezug auf die Akquisition gibt es Unterschiede bei den Vermittlern. Die Arbeitsweise eines Versicherungsagenten haengt zum Beispiel auch davon ab, ob er sich eher im Bekanntenkreis umtut (etwa "Stammtischgeschaeft") oder ob er sein Neugeschaeft durch Mailings, Telefon-Marketing etc. macht.

<H4>Star-Verkaeufer in Projektgruppen frustriert</H4>

Diese verschiedenen Arbeitsweisen muessen bei der Gestaltung des mobilen Systems beruecksichtigt werden (Modularisierung der Systeme) beziehungsweise es ist eine homogene Zielgruppe zu definieren (zum Beispiel Vermittler im Privatkundengeschaeft, die nicht ueber Geschaeftsraeume verfuegen).

Haeufig wird angenommen, dass sich die erfolgreichsten Verkaeufer auch fuer die Mitarbeit in der Projektgruppe am besten eignen. Das ist allerdings nicht unbedingt richtig, denn der Zeitaufwand dafuer ist recht hoch und traegt nicht eben zur Motivation bei. Auch sind die notwendigen persoenlichen Voraussetzungen nicht immer gegeben (siehe Teil 2).

Die flaechendeckende Einfuehrung eines mobilen Vertriebssystems ist mit bedeutenden Investitionen verbunden, die sich nur rechnen, wenn das Ganze in der Praxis auch effizient eingesetzt wird.

Im Hinblick auf die technische Handhabung des Systems akzeptieren die meisten Unternehmen, dass ein gewisser Schulungsbedarf besteht, der in der Regel durch eine Anwendungsschulung und einen Hotline- Service gedeckt wird.

Bevor der Praxiseinsatz beginnt, muss der Aussendienst im Umgang mit dem System so sicher sein, dass er sich voll auf das Gespraech mit dem Kunden konzentrieren kann und nicht abgelenkt wird. So muss sich beispielsweise ein Verkaufsmitarbeiter in der Kosmetikbranche schnell und sicher innerhalb der Masken bewegen koennen, wenn er beim Kundenbesuch Bestellmengen fuer die unterschiedlichen Produktlinien notiert.

Die Praxis zeigt jedoch, dass die systemspezifische Schulung allein nicht ausreicht. Ein mobiles Vertriebssystem verursacht gravierende Veraenderungen in der Gespraechssituation. Deshalb ist bei der Einfuehrung eines mobilen Vertriebssystems ein spezielles Verkaufstraining erforderlich.

<H4>Systemfehler muessen ueberbrueckt werden</H4>

Folgende Aspekte sind besonders wichtig:

Waehrend man auf einem Papierformular die aufgefuehrten Fragen im Prinzip in beliebiger Reihenfolge ausfuellen kann, gibt das System die Gespraechsfuehrung haeufig exakt vor.

So werden die Punkte bei einem Versicherungsantrag in einer ganz bestimmten Reihenfolge abgehakt, das heisst, der Aussendienstmitarbeiter muss das Gespraech streng steuern, um zu vermeiden, dass der Kunde staendig von einem Thema zum anderen springt.

Dies wird zu Beginn noch haeufig als Problem empfunden, dient jedoch letztendlich der Effizienz des Besuchs und sollte auch unabhaengig vom Systemeinsatz angestrebt werden.

Ein mobiles Vertriebssystem bietet dem Aussendienst voellig neue Moeglichkeiten, so beispielsweise die sekundenschnelle Abfrage von Statistiken, grafische Darstellung von Umsatzverlaeufen etc.

Systemfehler waehrend eines Gespraechs sind leider nicht auszuschliessen. Aus diesem Grund muss im Rahmen des Trainings auch der Umgang mit Defekten, mit Zeiten fuer den Aufbau des Systems etc. beruecksichtigt werden, damit der Mitarbeiter entsprechende Situationen ueberbruecken lernt.

Fazit: Alles in allem unterscheiden sich Projekte zur Einfuehrung eines mobilen Vertriebssystems aufgrund der spezifischen Zielgruppe Aussendienst in entscheidenden Punkten von klassischen Einfuehrungsprojekten. Werden die besonderen Anforderungen und Arbeitsweisen der verschiedenen Aussendienst-Typen bei der Gestaltung des Systems nicht beruecksichtigt, ist der Misserfolg vorprogrammiert. Gleiches gilt fuer den Fall, dass die Einfuehrung eines solchen Systems als rein technisches Problem betrachtet wird.

Kurz & buendig

Scheinbar triviale Probleme, wie Kofferauswahl oder Menuefuehrung auf dem Notebook des Aussendienstmitarbeiters koennen groesste Investitionen in mobile Vertriebssysteme hinfaellig werden lassen. Werden die Besonderheiten der betroffenen Externen nicht beruecksichtigt, ist Misserfolg vorprogrammiert. Es gibt unterschiedliche Verkaeufer-Typen, die unterschiedlich verkaufen und auch ihrerseits bei der Schulung individuell angesprochen und motiviert werden muessen. Eine grosse Rolle spielen darueber hinaus Software-Ergonomie und -Performance.

*Susanne Horstmann ist Mitarbeiterin der Infora Unternehmensberatung in Koeln.