Ausland ja - wenn die Kasse stimmt

31.05.2002
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Viele Unternehmen wünschen sich mobile Arbeitnehmer, die gerne für einige Jahre ins Ausland gehen. De facto nimmt aber das Interesse der Beschäftigten mit zunehmendem Alter ab. Uneinheitliche Steuersysteme in den Ländern erschweren die Entscheidung.

Dagmar Wilbs, PWC

"Unter den Fach- und Führungskräften fehlen mobile Mitarbeiter", so Dagmar Wilbs, Partnerin der Human-Resource-Beratung von PricewaterhouseCoopers (PWC). Sind die 25- bis 30-Jährigen noch stark interessiert an internationaler Berufserfahrung, so lässt die Mobilität der europäischen Arbeitnehmer über 30 zu wünschen übrig, lautet das ernüchternde Ergebnis einer PWC-Studie mit dem Titel "Managing mobility matters - a European perspective".

Für die Untersuchung befragte die Unternehmensberatung im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrem internationalen Anwaltsnetz Landwell 10 000 Europäer aus zehn Ländern, ob sie bereit sind, im Ausland zu arbeiten, welches ihre bevorzugten Ziele sind und welche Schwierigkeiten sie bei einer Entsendung sehen. Gleichzeitig gaben 400 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien und der Tschechischen Republik Auskunft darüber, wie groß ihr Bedarf an mobilen Mitarbeitern ist.

Mangelnde Mobilität schadet der Wettbewerbsfähigkeit

Über 70 Prozent der befragten Unternehmen rechnen in den nächsten fünf Jahren mit einem steigenden Bedarf an flexiblen und mobilen Arbeitnehmern. In Deutschland gaben 64 Prozent an, dass Mobilität bei ihren Führungskräften wichtig sei. Nur 17 Prozent der Befragten wollen im Ausland arbeiten, bei den Bundesbürgern sind nur 14 Prozent an internationalen Berufserfahrungen interessiert, davon sind 19 Prozent Führungskräfte.

In der mangelnden Mobilität der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union (EU) sehen die Autoren der Studie eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit. Zwar existiert seit Januar eine einheitliche Währungszone in der Europäischen Union, doch Ansätze für ein harmonisiertes Arbeits- und Sozialrecht sind noch Zukunftsmusik. Wie die Studie zeigt, liegen gerade hier Gründe für die zögerliche Haltung vieler Arbeitnehmer, innerhalb Europas den Arbeitsort zu wechseln.

"Die Unternehmen sehen sich mit rechtlichen Problemen konfrontiert, wenn ihre Mitarbeiter innerhalb der EU von einer Stelle zur anderen wechseln", erklärt Michael Veltins, Senior Partner von PricewaterhouseCoopers Veltins, der deutschen Anwaltskanzlei im Landwell-Verbund. PWC-Partnerin Wilbs ergänzt: "Momentan stellt die Auslandsentsendung von Mitarbeitern durch das hier angesiedelte Stammhaus eine beliebte Möglichkeit dar, die komplizierten Steuersysteme teilweise zu umgehen. Allerdings erhöht es gleichzeitig die Kosten für die Firmen."

Bessere Karrierechancen durch Auslandsaufenthalt

Hochschulabsolventen und junge Arbeitnehmer zeigen das größte Interesse an internationalen Aufgaben. "Wir haben eine neue Generation von mobilen Talenten, die oft schon eine internationale Schule besucht und im Ausland studiert hat, und ein Global Mind Set mitbringt", berichtet Wilbs begeistert.

Gisela Grempel, bei der Brose-Gruppe für das Expatriate-Management verantwortlich, kann sich nicht über mangelndes Interesse bei internationalen Stellenausschreibungen beklagen. "Momentan arbeiten 62 Mitarbeiter aus dem Stammhaus in Coburg an weltweit 13 Standorten", rechnet Grempel vor. "Wir haben eine junge Mannschaft, für die es sehr interessant ist, ins Ausland zu gehen. Dort können sie oft Pionierarbeit leisten, wenn beispielsweise eine neue Niederlassung aufgebaut wird."

Eine weitere Erklärung für das Engagement der Mitarbeiter sieht die Personalfachfrau in den besseren Karrierechancen nach einigen Jahren im Ausland. Allerdings räumt Grempel ein, dass sich ein Umzug mit Familie und schulpflichtigen Kindern etwas komplizierter gestaltet. "Das Interesse flaut während der Famliengründung etwas ab. In vielen Ländern sind die Beschäftigungsmöglichkeiten für die mitreisenden Ehepartner schwierig", erläutert Grempel.

Fehlende Jobchancen für die Partner nennen in der Befragung von PWC 39 Prozent als Hinderungsgrund. Kompliziertes Steuerrecht bleibt Nadelöhr Zwar geht die Studie davon aus, dass in Zukunft vor allem im Mittelstand mobile Arbeitnehmer gefragt sind, doch in der mittelständischen Softwareindustrie steht der Ausbau und die Konsolidierung des Binnenmarktes an erster Stelle.

"Die Abenteuerlust ist nicht so ausgeprägt", beobachtet Miriam Keul, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Verbands der Softwareindustrie Deutschland e.V. (VSI). Mobilität im großen Stil sei nicht mehr so stark gefragt, für ein größeres internationales Engagement fehle schlichtweg bei vielen das Geld. Außerdem suchten die Firmen über internationale Partnerschaften neue Mitarbeiter vor Ort. Auslandsentsendungen in größerem Umfang seien nicht notwendig. Knackpunkt bei den Mitarbeiterentsendungen bleibt allerdings das Steuerrecht. Zwar gibt es für die Rente bilaterale Abkommen, doch von einer einheitlichen Regelung im Steuersystem kann laut Helgo Alberts noch lange keine Rede sein. "Das kann man vergessen", meint der Leiter Außenwirtschaft der IHK München.

USA bleiben Traumland

Doch jüngere Bewerber lassen sich von solchen Argumenten nicht abschrecken. Gerade in der IT-Branche werden fehlende internationale Perspektiven als klarer Nachteil gesehen. Für einige Jahre im Ausland zu arbeiten, hat für die Mitarbeiter eine hohe Attraktivität. "Einige Bewerber fragen im Vorstellungsgespräch ganz gezielt danach. Wir haben deshalb schon den einen oder anderen Kandidaten, der eine feste Zusage für internationale Einsätze haben wollte, nicht engagieren können, da wir den Schwerpunkt unseres Geschäftes in Deutschland haben und nur einige internationale Projekte", so Christoph Reuther, Personalleiter bei sd&m in München.

Die eigenen Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern oder den persönlichen Horizont zu erweitern, reicht den meisten nicht aus, um die Koffer zu packen. Die Studie zeigt, dass sich Arbeitnehmer vorrangig mit einem höheren Gehalt und einem besseren Lebensstandard über die Grenze locken lassen. Hier sind sich die Europäer und die Beitrittsländer einig: Nur finanzielle Vorteile lösen das Problem. Als Wunschziel stehen für deutsche Arbeitnehmer die USA immer noch an erster Stelle, auf den zweiten Platz wählten sie das Urlaubsland Spanien. Auch in Australien möchten viele für einen bestimmten Zeitraum arbeiten.

Gisela Grempel kann den Trend bestätigen: Innerhalb Europas steht für die Brose-Mitarbeiter Spanien ganz oben auf der Wunschliste. Während die EU-Europäer die Bundesrepublik kaum als attraktiven Arbeitsort in Betracht ziehen, nannten die befragten Arbeitnehmer aus Tschechien, Ungarn und Polen Deutschland an erster Stelle für eine Beschäftigung im Ausland.