Ausgebremst: Turbo-WLAN im Test

27.11.2006
Erste Versuche mit drahtlosen lokalen Netzen der nächsten Generation liefern in Sachen Geschwindigkeitszuwachs ernüchternde Ergebnisse.

Verkabelte LANs sind spätestens mit der nächs- ten WLAN-Generation 802.11n total out - dann, so zumindest die Hersteller, kommuniziert der Anwender über das lokale Funknetz mit mindestens Fast-Ethernet-Geschwindigkeit. Im Gespräch sind sogar Maximal-Transferraten von über 500 Mbit/s. Die Sache hat allerdings einen Haken: Der Standard 802.11n ist von der zuständigen IEEE-Arbeitsgruppe noch nicht verabschiedet. Pessimisten rechnen aufgrund der langwierigen Diskussionen mit wirklich standardkonformen Produkten erst im Jahr 2008.

Fazit

Die neuen Pre-N-Produkte bringen in der Praxis zwar einen höheren Datendurchsatz im WLAN, von der propagierten Turbo-Speed kann aber keine Rede sein. Bedenkt man, dass die hier getestete Kombination mit fast 300 Euro das Budget belastet, dann ist die Verdoppelung der Geschwindigkeit teuer erkauft. Zumal ja nicht nur ein Funkadapter wie im Test angeschafft werden muss, sondern jedes Gerät einen Adapter benötigt, wenn es von den N-Vorteilen profitieren soll. Angesichts dieser Kosten dürfte es derzeit noch die weisere Entscheidung sein, abzuwarten. Auch deshalb, weil keiner der Hersteller garantieren kann, dass seine Pre-N-Produkte später auf den endgültigen Standard aufrüstbar sind. Anders sieht es dagegen aus, wenn der Benutzer mit schwierigen Empfangsverhältnissen zu kämpfen hat, dann dürfte bereits die neue MIMO-Technik eine Anschaffung rechtfertigen.

Hier lesen Sie …

Plus und Minus

-- Höhere Reichweite dank MIMO;

- mehr als doppelte Geschwindigkeit im Vergleich zu 802.11g;

- Rückwärtskompa- tibilität.

- Werbeversprechen der Performance-Steigerung um 650 Prozent wird nicht eingelöst;

- hoher Preis;

- basiert nur auf Standardentwurf.

Technische Daten

Routing mit dem DIR-635

Als Access Router wartet der Rangebooster mit den in dieser Preisklasse heute üblichen Features wie integriertem Vier-Port-Fast-Ethernet-Switch oder Dyndns- und DHCP-Unterstützung auf.

Gut gelöst ist dabei die Unterteilung in ein Setup- Menü für Standardparameter und tiefer gehende Konfigura- tionsdaten. In Sachen Sicherheit ist das D-Link-Produkt mit NAT- und SPI-Firewall ausgestattet. Im Vergleich zu manchem Konkurrenzprodukt erlaubt D-Link dem User eine sehr genaue Konfiguration über Filter, Port- Zuweisungen, MAC-Adress- listen etc.

Positiv fällt dabei auf, dass die Zahl der Einträge nicht wie bei etlichen Billigprodukten auf nur fünf Positionen beschränkt ist. Des Weiteren hat der Hersteller an die gerade im VoIP-Zeitalter immer wichtiger werdende Quality of Services gedacht und ermöglicht dem Benutzer die IP-Priorisierung von bestimmten Anwendungen.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

582570: WLAN-Anbieter bereiten sich auf den kommenden 802.11n-Standard vor;

1214804: Funktechniken für jeden Zweck;

1214802: Was bringen die neuen WLANs?

Kasten zu CW-TV

Einen Filmbeitrag über unsere Erfahrungen mit Pre-N-Netzen finden Sie unter:

www.computerwoche.de/tv "Turbo-WLAN im Test"

Ungeduldige Hersteller

Eine Zeitspanne, die gerade den auf Massenumsatz angewiesenen Herstellern (die rein auf Business-Kunden fokussierten Anbieter halten sich auffallend zurück) wohl zu lange erschien: Sie preschen nun mit so genannten Pre-N- beziehungsweise Draft-N-Produkten auf den Markt. Dabei versprechen sie dem Anwender Performance-Steigerungen von bis zu 650 Prozent im Vergleich zu den heute weit verbreiteten 802.11g-Funknetzen (54 Mbit/s).

Solche Marketing-Aussagen machen den Power-User natürlich neugierig: Bringt die nächste WLAN-Generation wirklich den versprochenen Performance-Schub im Vergleich zu 802.11g? Denn auch bei den 54-Mbit/s-Netzen ist in der Praxis wenig von dieser Geschwindigkeit zu sehen: Im Durchschnitt schleichen die Daten mit 25 Mbit/s durch den Äther.

Als Test-Duo traten hierzu der WLAN-Access-Router "Rangebooster N 650 DIR-635" in Kombination mit der WLAN-Karte "Rangebooster N 650 DWA-645" an. Da es uns im Test primär um die Erfahrungen mit Pre-N-WLANs ging, haben wir den Router-Funktionen des 635 keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Interessierte Leser finden nähere Angaben hierzu im Kasten "Routing mit dem DIR-635".

Der auffälligste Unterschied zu den heutigen WLAN-Access-Routern sind die drei Antennen des Rangebooster. Sie sind ein Tribut an die MIMO-Technik (Multiple input, multiple output), die mit 802.11n in den WLANs Einzug hält. Das Verfahren, das zum Senden und Empfangen mehrere Antennen verwendet, soll zum einen den Datendurchsatz erhöhen und zum anderen für eine bessere Ausleuchtung der Funkzellen in Gebäuden sorgen. Die Hersteller gehen davon aus, dass sich mit MIMO die Reichweite um bis zu 30 Prozent steigern lässt. Zwar gab es in der Vergangenheit bereits WLAN-Produkte mit zwei und mehr Antennen, doch diese arbeiteten in der Regel nach dem Diversity-Prinzip, sendeten also nur über die "beste" Antenne. Bei MIMO werden dagegen mehrere Sendeantennen gleichzeitig parallel genutzt.

Ein Aufwand, der sich auszahlt. Ein Pocket-PC empfing das WLAN-Signal des zwei Räume entfernt stehenden Rangebooster deutlich stärker als ein zum Vergleich direkt daneben positionierter 802.11g-Access-Point. Wie der Screenshot des WLAN-Tools zeigt, war das Signal etwa 24 Prozent stärker (siehe Seite 27).

WLAN-Konfiguration

Noch mehr als die verbesserte Reichweite interessierte uns natürlich, ob die Pre-N-Produkte wirklich den versprochenen Leistungszuwachs erreichen. Den entsprechenden Betriebsmodus aktiviert der Anwender per Browser im Konfigurationsmenü des Access-Routers. Das Menü unterteilt sich in die drei Grundkategorien "Internet", "Network Settings" und "Wireless Settings". Letzteres ist die zentrale Anlaufstelle zur Einrichtung des WLAN. Diese bewältigt der User mit wenigen Mausklicks, indem er etwa die Geschwindigkeit und den Funkkanal auswählt und den Namen für das Funknetz vergibt. Hier stellt der Anwender beispielsweise auch ein, ob der Access-Router das neue Funkverfahren 802.11n verwenden soll. Dabei hat der User unter anderem die Wahl zwischen einem reinen 802.11n-Betrieb oder einem Mischmodus, der die Rückwärtskompatibilät zu Geräten sicherstellen soll, die den IEEE-Standards 802.11b und g folgen. Ferner wird bestimmt, ob der Access Point für das WLAN nur einen Kanal mit 20 Megahertz verwendet oder mit 40 Megahertz die doppelte Frequenzbreite belegt.

Weiß der Benutzer bei einem der Menüpunkte nicht weiter, so findet er in der rechten Spalte des Browser-Fensters die passende Erklärung dazu. Allerdings ist die Dokumentation, wie das gesamte Konfigurationsmenü, in Englisch gehalten. Hier sollte D-Link überlegen, ob man nicht mit einer der nächsten Firmware-Versionen eine deutsche Übersetzung nachlegt, denn bei der computerwoche beschweren sich immer wieder Leser über Produkte, denen nur englische Beschreibungen beigelegt oder deren Konfigurationsmenüs nicht in Deutsch gehalten sind.

Gut gelöst hat D-Link dagegen die Unterteilung in die oben angesprochenen Basismenüs und die "Advanced"-Konfigurationspunkte. Dort kann der User Funkparameter wie die Sendeleistung und andere Werte zum Fein-Tuning definieren. Diese Parameter sollten allerdings nur fachkundige Benutzer verändern, denn bei falsch eingestellten Werten bricht die Performance im Funknetz drastisch ein.

In Sachen Sicherheit unterstützt der Rangebooster sowohl WEP, WPA als auch WPA2. Bei den WPA-Verfahren kann der Benutzer zwischen einem persönlichen Modus mit preshared Keys und einer Enterprise-Betriebsart wählen. In der Enterprise-Variante übernimmt dann ein Radius-Server die Benutzerauthentifizierung. Entscheidet sich der User für das alte, unsichere WEP als Schutzverfahren, so kann er das schnelle 802.11n-WLAN nicht nutzen, denn die Draft-Spezifikationen sehen für diesen Schutzmechanismus keinen Support mehr vor. Eine Besonderheit, vor der der Anwender aber im Konfigurationsmenü ausdrücklich gewarnt wird.

Schlüssel per USB übertragen

Die Handhabung der teilweise doch recht langen WLAN-Netzwerkschlüssel vereinfacht der Router durch die Unterstützung von WCN (Windows Connect Now). Der USB-Port auf der Rückseite des Access Routers dient nämlich nicht als Drucker-Port, sondern zur Aufnahme eines USB-Sticks. Auf diesem kann dann die WLAN-Konfiguration mit allen Parametern abgespeichert werden. So muss der Benutzer die Daten nur einmal eingeben und braucht später lediglich den USB-Stick an andere hinzugekommene Geräte anzustecken, um die Konfigurationsparameter zu übertragen. Voraussetzung ist allerdings, dass diese ebenfalls WCN beherrschen.

Für unsere Leistungstests schalteten wir aber alle Verschlüsselungsverfahren ab, um Wechselwirkungen auszuschließen, die sich etwa aufgrund der zu geringen Rechenleistung eines Endgerätes ergeben könnten. Ein Vorgehen, das allerdings im Alltagsbetrieb eines Funknetzes auf keinen Fall zu empfehlen ist, denn damit steht das WLAN ungebetenen Gästen ungeschützt offen.

Um die Rückwärtskompatibilität zu bestehendem WLAN-Equipment zu überprüfen, sollten im ersten Versuch zwei handelsübliche Notebooks mit dem Access Point Verbindung aufnehmen. Beide Modelle waren mit Intels Centrino-Chipsatz bestückt, wobei das eine Gerät die drei WLAN-Standards 802.11 a, b und g unterstützte, während das andere Notebook nur die Varianten b und g beherrschte. Beide Rechner nahmen problemlos mit dem Rangebooster Kontakt auf, der hierfür im Mischmodus betrieben wurde. Als Netto- datenrate zeigte das Software-Tool "Bandwidth Monitor", das zum Messen der Übertragungsgeschwindigkeit herangezogen wurde, Werte um die 25 Mbit/s. Also eine Geschwindigkeit, die im Rahmen der heute mit 802.11g-WLANs üblichen Transferraten liegt.

Geschwindigkeitskontrolle

Will der Anwender heute bereits Ende zu Ende mit 802.11n im lokalen Funknetz Daten übertragen, so benötigt er für die meisten Notebooks einen extra WLAN-Adapter. Die bislang in den Geräten verbauten Funkmodule unterstützen nämlich die moderne Technik noch nicht. Als Gegenstück für unseren Access Point diente die ebenfalls von D-Link stammende Cardbus-Karte Rangebooster N 650 DWA-645.

Ihre Installation verlief mit Hilfe der beiliegenden CD problemlos. Nach dem Aufspielen der Software hat der Benutzer die Wahl, ob er die Karte und damit WLANs über das Windows-XP-eigene Tool oder den Wireless Connection Manager von D-Link verwalten und steuern möchte. Entscheidet er sich für das Werkzeug von D-Link, so erhält er eine Anwendung, die ihn ohne viel Firlefanz über die wesentlichen WLAN-Parameter informiert und die Auswahl des gewünschten Funknetzes erlaubt. Zudem kann er hier eigene Netze definieren und dabei etwa den WPA-Schlüssel eingeben.

Bei der ersten Verbindung mit dem Access Point im schnellen N-Modus zeigte der Connection Manager eine Geschwindigkeit von 216 Mbit/s an - was ein fantastischer Wert wäre. Die Überprüfung mit dem Bandwidth Monitor sorgte dann schnell für Ernüchterung: Bei realen Dateitransfers im WLAN maß das Tool eine maximale Nettotransferrate von 92,2 Mbit/s. Im Durchschnitt konnten bei der Übertragung einer 8 Gigabyte großen Filmdatei Raten um die 60 Mbit/s erzielt werden. Das entspricht nicht der in der Werbung versprochenen Geschwindigkeitssteigerung um bis zu 650 Prozent, ist aber im Vergleich zu den heute üblichen WLANs gemäß IEEE-Standard 802.11g immerhin mehr als eine Verdoppelung der Geschwindigkeit.

Interoperabilität

Die hohen Transferraten ließen sich in unseren Versuchen selbst dann realisieren, wenn noch ältere Notebooks mit g-Funkadapter in das WLAN eingebucht waren. Gerade die unzureichende Rückwärtskompatibilität im gemischten Betrieb hatte in der Einführungsphase von 802.11g für Ärger gesorgt. Befanden sich ältere b-Modelle im Funknetz, brach die Geschwindigkeit drastisch ein. Ein Phänomen, das bei den neuen N-Netz zumindest unter Laborbedingungen nicht aufzutreten scheint.

Dafür muss der N-Benutzer bei einem anderen Punkt höllisch aufpassen: Um die hohen Transferraten im Alltag erzielen zu können, sollten auf den benachbarten Funkkanälen keine anderen WLANs senden. In der Theorie soll der getestete Access Point zwar automatisch einen passenden Kanal finden, was in der Praxis häufig aber nicht funktioniert. So entschied sich der Rangebooster etwa für den Kanal 12, obwohl der Kanal 11 von einem anderen Netz belegt war. Entsprechend kräftig sank die Geschwindigkeit um mehr als die Hälfte. Im Zweifelsfall sollte der Benutzer also den entsprechenden Funkkanal lieber selbst aussuchen.