Ausfahrt zur Anwendung

24.12.1993

Als Breitbandanwendungen sind Applikationen zu bezeichnen, zu deren Uebertragung Datenraten, die ueber die Primaermultiplex-Rate hinausgehen, benoetigt werden. So lautet sinngemaess die einschlaegige CCITT-Beschreibung von Breitbandkommunikation - was im Klartext also bedeutet, dass von Bereichen jenseits von 2 Mbit/s (konkret: 2,048 Mbit/s) die Rede ist.

Demzufolge waere das, was heute fuer die meisten Anwender Realitaet (und gerade noch erschwinglich) ist, naemlich 2-Mbit/s- Mietleitungen in Form von Festverbindungen beziehungsweise Packet- Switching-Netze auf der Basis von X.25 und X.75, quasi per definitionem noch zeitgemaess. Dass dem aber nicht so ist, hat seine Ursachen in einer etwas unglueckseligen Vermengung realer Anforderungen, absehbarer Anwendungsszenarien sowie zum Teil blanker Illusionen, und genau dies macht die Einordnung des Begriffes Breitbandkommunikation auch so ungemein schwierig.

Wenn zum Beispiel vielerorts dem Breitband-Wundermittel ATM der Durchbruch zuallererst im Bereich der LAN-to-LAN-Connectivity prophezeit wird, hat dies ganz einfach damit zu tun, dass angesichts dessen, was heute in der PC-LAN-Domaene Alltag ist - etwa verteilte Softwareloesungen beziehungsweise Betriebssystem- Komponenten wie OSF/DCE - vieles mit 2 Mbit/s zwar technisch noch machbar, andererseits aber kaum mehr praktikabel und vor allem nicht wirtschaftlich vertretbar anzuwenden ist. Mit anderen Worten: Die WAN-Welt hinkt der LAN-Welt in puncto Uebertragungsgeschwindigkeit deutlich hinterher.

Nicht ohne Grund forcieren daher, neben den Herstellern von ATM- Switches, auch die oeffentlichen Netzbetreiber und PTTs (Beispiel Telekom) die Entwicklung hin zu Netzinfrastrukturen, die in diesem Kontext das Adjektiv breitbandig verdienen. "Fast Packet Switching" heisst da nur eine der Heilslehren im Blick auf das alles und alle glueckselig machende Breitband-ISDN. Ob mit SDH oder ATM oder beiden, ob mit Frame Relay als idealer Zwischenloesung oder als Weg in die Sackgasse, ob mit einem zum wiederholten Male totgesagten FDDI oder nicht - all dies sind Fragen, die es auf dem Weg zur goldenen Breitband-Zukunft erst noch zu beantworten gilt.

Beantwortet werden muss aber auch: wofuer, zu welchem Preis und wer es bezahlt? Der digitale Information-Highway, auf dem wir alle ins interaktive Multimedia-Zeitalter rollen, muss jedenfalls erst noch finanziert, gebaut (oder ausgebaut) und dann auch unterhalten werden - und er braucht genuegend Ausfahrten, um dorthin zu fuehren, worauf es letztlich ankommt: naemlich zur sinnvollen Anwendung. gh