Ausbund an Komplexitaet

27.04.1995

Betrifft CW Nr. 7 vom 17. Februar 1995, Seite 56: "Warum die Zukunft von SAP schon aufgehoert hat"

Seit vielen Jahren befasse ich mich mit der Frage eines sinnvollen Kompromisses zwischen Individualprogrammierung und Standardsystemen. Dabei bin ich zu den gleichen Ergebnissen gekommen wie der Autor des Artikels, Dr. Karl Schmitz.

Im Unterschied zu Schmitz beziehen sich meine Argumente jedoch nicht ausschliesslich auf unerquickliche Erfahrungen mit dem SAP- System, das sicherlich einen Ausbund an Softwarekomplexitaet darstellt. Unter dem Blickwinkel einer objektiven Kosten-Nutzen- Betrachtung bemuehe ich mich seit Jahren, den Anwendern den Ruecken fuer einen individuellen Weg mit Hilfe von CASE, OOP oder jetzt auch Componentware zu staerken.

Ebenso lange befasse ich mich mit der dringend notwendigen Aufklaerungsarbeit, um gegen die zunehmende Verwirrung hilfloser Anwender durch Standardanbieter anzugehen. Erst in den letzten Monaten tauchen nunmehr verstaerkt Gesinnungsgenossen auf, die ich bisher haeufig vermisst habe.

Besonders in Management-Kreisen der deutschen Industrie haben sich - nicht zuletzt verursacht durch den finanziellen Erfolg der Anbieter von Standardsoftware - Hoffnungen manifestiert, die den betrieblichen Realitaeten nicht mehr entsprechen. Als Folge dieser Entwicklung ist ein tiefer Graben zwischen dem Lager der leidenden Endanwender und dem Lager der verantwortlichen Entscheider entstanden, die ihrerseits Flankenschutz durch gutverdienende Berater erhalten. Die durch Presseorgane wie die CW und die "Wirtschaftswoche" ausgeloeste aktuelle Auseinandersetzung ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs dessen, was sich tagtaeglich in zahllosen deutschen Unternehmen abspielt.

Friedrich Freiherr von Loeffelholz, Professor fuer betriebliche Datenverarbeitung und Organisation an der Fachhochschule in Dortmund